DISTRIBUTION
Direction musicale David Reiland
Mise en scène Lotte de Beer
Décors Marousha Levy
Costumes Jorine van Beek
Lumières Alex Brok
Vidéos Finn Ross
Direction des chœurs Alan Woodbridge
Leïla Kristina Mkhitaryan
Nadir Frédéric Antoun
Zurga Audun Iversen
Nourabad Michael Mofidian
Chœur du Grand Théâtre de Genève
Orchestre de la Suisse Romande
«Les pêcheurs de perles», die Perlenfischer von Georges Bizet, die wenigsten kennen diese Oper. Sie wird nicht oft aufgeführt, in Genf zum Beispiel zum letzten Mal 1950! Obs an der Geschichte liegt, die praktisch nur auf Zufällen basiert und sehr konstruiert daherkommt? Die beiden Librettisten Eugène Cormon und Michel Carré sollen damals gesagt haben, wenn sie gewusst hätten, wie viel Talent Bizet habe, hätten sie ihm diese abstruse Geschichte nicht vorgelegt.
Freundschaft auf harter Probe
Eine sehr kurze Zusammenfassung: An einem Strand in Ceylon treffen der Perlenfischer Zurga und der Jäger Nadir nach langen Jahren wieder aufeinander. Sie waren enge Freunde und einst in dieselbe Frau verliebt, in die Priesterin Leïla. Sie schworen sich aber, dieser Liebe zu entsagen, um ihre Freundschaft nicht zu gefährden. Eben diese Leïla erscheint nun, verschleiert, auf einem Boot. Sie soll mit ihrem Beten und ihrem Gesang die See beruhigen, damit die Perlenfischer gefahrlos hinausfahren können. Sie muss schwören, über die Zeit des Gebets verschleiert zu bleiben. Nadir erkennt Leïla an ihrer Stimme, als sie betet, sie treffen sich nachts im Tempel, der Gemeindeälteste Nourabad entdeckt sie bei ihrem Liebesspiel. Die beiden Treulosen sollen hingerichtet werden. Vor der Hinrichtung überreicht Leïla Nourabad eine Kette, um sie vor den Flammen zu retten.
Die Halskette ist das Geschenk eines jungen Flüchtlings, dem sie vor vielen Jahren das Leben gerettet hatte. Zurga erkennt seine Kette und bereut seinen Hass. Er legt im Dorf Feuer und während die Perlenfischer den Brand löschen, löst er die Fesseln der Verurteilten und lässt sie fliehen. Er bezahlt anschliessend mit seinem Leben dafür.
Vote and stay connected
Um die Unwahrscheinlichkeit der Geschichte zu legitimieren, erklärt die junge holländische Regisseurin Lotte de Beer sie zur Reality-Show à la «Dschungel Camp» oder «Paradise Island». Und da läuft nun so einiges ab auf der Bühne, bereits bevor die Oper richtig beginnt. Heile Welt an Ceylons Sandstrand mit Eingeborenen rund um einen Topf auf einem Gasbrenner – mit Benzinfass daneben, erster Hinweis auf die folgende Katastrophe? Erscheint eine TV Crew, die sich diesen Ort für ihr Sendung ausgesucht hat. Sie kauft den Eingeborenen den Strand ab, reisst die Hütte ab, platziert ein paar Palmen, die Show kann beginnen. Es wird herumkommandiert, aufgestellt, kommentiert, fotografiert und alles gefilmt, während Zurga, Nadir, Nourabad und Leïla ihre Arien singen. Mikrofone werden ihnen vors Gesicht gehalten, Kameras zielen direkt auf sie. Im Hintergrund eine riesige Blase, darin die Fernsehzimmer der Menschen (der Chor), die sich das Ganze zu Gemüte führen. Und obwohl alles, was spontan zu passieren scheint, bereits vorgegeben ist, hindert das die TV- Zuschauer*innen nicht, für oder gegen Zurga, für oder gegen die Todesstrafe ihre «Votes» abzugeben. Diese erscheinen dann auf einer riesigen Leinwand, genauso wie der Hinweise «stay connected» vor der Pause oder das «connection lost» am Ende der Aufführung. In der Pause nach dem zweiten Akt bekommt man per Video eine Umfrage auf Genfs Strassen zu sehen mit Fragen wie «schauen Sie die Show? Wie finden sie sie» und «Sollen die beiden sterben?». Die Antworten sind teilweise haarsträubend.
Wunderbare Stimmen
Das ist sehr realitätsnah, amüsant, manchmal verwirrend, manchmal irritierend, aber auch faszinierend, unterhaltsam, skurril. E lenkt aber auch ab von der Musik. Im zweiten Teil gibt es dann Momente, wo die herumwuselnde TV Crew entweder zu schlafen scheint oder weggeschickt worden ist und Nadir und Leïla ihr Liebesduett allein singen oder Leïla Zurga um Gnade bittet für Nadir. Da kann man zurücklehnen und geniessen, da ist man einziger Zuschauer vom Saal her, keine Einmischung mehr, Oper halt. Und da kommen die Stimmen wirklich auch zur Geltung; der unglaublich sonore, kräftige und sichere Bariton von Audun Iversen als Zurga, der anfänglich noch etwas schwache, aber immer sicherer werdende Tenor von Frédéric Antoun als Nadir, der schöne Bass von Michael Mofidian als Nourabad – herrlich, wie er den nervigen, überdrehten und kameraverliebten TV-Moderator gibt. Und wunderbar die Sopranistin Kristina Mkhitaryan als Leïla. Auch stimmlich mutiert sie von der jungen Frau mit Yogamatte auf Selbstfindungstrip zur verzweifelten Geliebten, die um Gnade für ihren Liebhaber bittet.
Das Orchester de la Suisse Romande begleitet schmelzend, sanft, beschwingt, nie überbordend. Wunderschöne Bläsersolis (ein Oboensolo mit Gänsehaut-Qualität), weiche Harfenklänge, schwelgende Streicher, eine solide, überzeugende Interpretation dieser wundervollen Melodien! Wie Dirigent David Reiland sagt: Zu dieser Musik könnte man ein Küchenrezept singen, es wäre extravagant. Der Chor, der nur aus dem Off, also aus den TV-Zimmern singen kann, hat keine leichte Aufgabe, meistert diese aber bewundernswert.
Die Perlenfischer, TV Show, Oper, Theater, Musical, Operette? Eine Mischung aus allem, musikalisch hochstehend mit emotionsgeladenen Arien, dem Genfer Premierenpublikum hats gefallen, es spendete viel warmen Applaus.
Um sich eine Meinung dazu zu bilden, am besten hingehen, sich darauf einlassen aber vor allem, die herrliche Musik geniessen
Text: www.gabrielabucher.ch
Fotos: Szenenfotos von Magali Dougados www.gtg.ch
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