Rhythmic Auditory Stimulation: Um Parkinson-Betroffenen bei Problemen mit dem Gang zu helfen, wird ein Rhythmus abgespielt, an dem sich ihr Hirn orientieren kann. Durch diese akustische Stimulation wird ihr Gang regelmässiger. Dawn Rose konnte in früheren Forschungsprojekten in England aufzeigen, dass Musikhören dabei noch besser wirkt als das Ticken eines Metronoms. Natürlich gebe es Situationen, etwa im Verkehr, wo Musikhören nicht möglich ist, sagt sie. Hier hilft es demnach schon, wenn Parkinson-Betroffene in ihrem Kopf mental Lieder oder Melodien summen, respektive singen.
Music-induced Autobiographical Memories (MEAMs): Die besten Resultate bei der akustischen Stimulation erzielt Musik, zu der Parkinson-Betroffene eine spezielle Bindung haben, etwa weil sie diese zu Jugendzeiten gehört haben. Das Hirnareal, in dem diese Musik-basierten autobiografischen Erinnerungen entstehen, ist eng mit jenen verbunden, das für die Koordination von Bewegungen zuständig ist. Wenn Parkinsonbetroffene eine Art innere Jukebox mit für sie bedeutsamen Musikstücken kreieren, hilft ihnen das somit direkt beim Ausführen alltäglicher Bewegungen.
Einige dieser Erkenntnisse kamen schon in Pilotstudien mit Parkinson-Betroffenen zum Einsatz. Im Rahmen von MMMP soll nun aber erstmals ein übergreifender und gleichzeitig niederschwelliger und kostengünstiger Ansatz entstehen, den Parkinson-Betroffene gut in ihren Alltag integrieren können. «Manche Patientinnen und Patienten sind wenig motiviert, klinische Therapien zu besuchen, weil sie das aus ihrem Alltag herausreisst», erläutert Dawn Rose. «Unser Ansatz soll daher auch in Gemeinschafts-räumen wie Kirchen oder Gemeindezentren eingesetzt, beispielsweise in Form von gemeinsamem Musizieren und Tanzen mit anderen Parkinson-Betroffenen sowie mit Familienmitgliedern.»
Hightech aus der Filmbranche
Eine zentrale Rolle beim Projekt spielen die Betroffenen selbst. In Workshops erörterten 24 Probandinnen und Probanden des Projekts gemeinsam mit den Forschenden, welche Musik in welchen Lebenssituationen bei ihnen am besten funktioniert. Die Workshops fanden in London, Brissago und Luzern statt. Es zeigte sich, dass die psychologischen Ansätze zwar länderübergreifend die gleichen sind, die Wahl der Musik aber ortsabhängig ist: Hören etwa britische Parkinsonbetroffene Queen, um ihre Parkinson-Symptome zu reduzieren, sind es in der italienischen Schweiz Canzoni und in der Zentralschweiz Volksmusik.
Das Forschungsteam richtete auf dem Hochschul-Kampus Südpol in Kriens zudem ein Motion-Capture-Labor ein – die Motion-Capturing-Technologie stammt ursprünglich aus dem Film. Mittels Infrarotkameras und einer drucksensitiven Matte erstellen die Forschenden 3D-Modelle der Probandinnen und Probanden. So lassen sich die Auswirkung des Musikhörens auf die Bewegungen Parkinson-Betroffene direkt messen. Dazu müssen sie Bewegungsabläufe – Aufstehen, durch eine Tür schreiten, einen Schlüssel aufheben – ausführen; für gesunde Menschen simpel, für Parkinson-Betroffene aber oft beschwerlich.
«Spotify» für Parkinson-Betroffene
Die ersten Ergebnisse der Versuche sind laut Dawn Rose sehr vielversprechend. Bis zum Projektabschluss 2025 bleibt aber noch viel zu tun: Die Forschenden entwickeln derzeit mit Ärztinnen und Physiotherapeuten des Kantonsspitals Luzern und der Parkinson-Klinik Clinica Hildebrand in Brissago TI eine Toolbox. Diese soll Fachleuten im Gesundheitswesen ein breites Spektrum an Musik-basierten Therapieansätzen liefern. Zudem laufen die rechtlichen Abklärungen für den Aufbau einer Musikplattform, «Playlist for Parkinsons». Hier sollen Betroffene die Musikstücke aus ihrer persönlichen Jukebox hochladen, inklusive Beschriebe, in welcher Lebenssituation ihnen diese am besten helfen. Auf diese Musikplattform werden neben Betroffenen auch Therapeuteninnen und Wissenschaftler zugreifen können.
«Music, Movement, Mood & Parkinson’s» wird vom Schweizerischen Nationalfonds SNF mit rund 900’000 Franken unterstützt.
Konzert und Vorträge an der «Playlist for Parkinson’s LIVE»
Das MMMP-Forschungsteam stellt die bisherigen Erkenntnisse aus dem Projekt am 9. Mai 2023 am HSLU-Standort Kampus Südpol in Kriens vor. Der kostenlose Anlass umfasst ein Konzert von Musikstudierenden sowie einen Vortrag der beteiligten Forschenden. Das breitgefächerte Konzertprogramm spiegelt die Musik wider, die für die befragten Parkinsonbetroffenen von besonderer Bedeutung ist; diese werden zudem über ihre Erfahrungen mit bestimmten Musikstücken interviewt.
Der Anlass richtet sich an die breite Öffentlichkeit sowie Parkinson-Betroffene, deren Angehörige sowie Expertinnen und Experten aus dem Gesundheitsbereich. Medienschaffende sind ebenfalls herzlich willkommen. Da die Platzzahl begrenzt ist, bitten wir Medienschaffende um Anmeldung bis 5. Mai unter hslu.ch/playlist-for-parkinson.
Informationen zu «Playlist for Parkinson’s LIVE»
Ort: Hochschule Luzern – Musik
Konzertsaal «Salquin»
Arsenalstrasse 28a
6010 Kriens
Datum: 9. Mai 2023
Zeit: 17:00 bis ca. 19:30 Uhr
Programm
- 17:00 Uhr: Wissenschafts-Talk über Musik und Parkinson – Neueste Erkenntnisse
- 17:15 Uhr: Gesprächs- und Fragerunde mit dem Publikum
- 17:30 Uhr: Apéro
- 18:00 Uhr: Start des ca. 90-minütigen Konzerts[content_block id=45503 slug=unterstuetzen-sie-dieses-unabhaengige-onlineportal-mit-einem-ihnen-angesemmen-erscheinenden-beitrag]