Das Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern – Wirtschaft hat zum vierten Mal eine umfassende Studie zum Schweizer Retail Banken-Markt veröffentlicht. Sie zeigt auf, dass die Banken derzeit nur wenige Initiativen für die Erschliessung von neuen Geschäfts- und Ertragsfeldern ergreifen. Sie befinden sich stattdessen in einer Optimierungs- und Transformationsphase.
Die «IFZ Retail Banking-Studie 2015» der Hochschule Luzern setzt vier Schwerpunkte: Der erste
Teil der Studie befasst sich mit der strategischen Ausrichtung von Schweizer Retail Banken, in
einem weiteren Kapitel beleuchten die Experten das Thema Banken-IT. Im dritten Teil folgt die
jährliche Kennzahlen-Analyse von 90 Schweizer Retail Banken, zudem werden die besten fünf
Banken präsentiert. Der vierte und letzte Teil der Studie beschäftigt sich mit der Corporate
Governance von 73 Schweizer Retail Banken.
Strategien: Bankoptimierung im Zentrum
Die Herausforderungen sind für die Schweizer Retail Banken derzeit zahlreich und gross: Der
Margendruck im Kerngeschäft der Hypotheken, der (schwierige) Versuch, die Erträge zunehmend
zu diversifizieren, die Gewinnung und Ausbildung von guten Mitarbeitenden, neue Regulierungen
oder die durch die Digitalisierung entstehenden neuen Geschäftsmodelle, Vertriebskanäle und
Angebote sind nur einige der Schwierigkeiten, mit welchen sich die Retail Banken konfrontiert
sehen. Angesichts dieses Umfelds wollte das Forschungsteam der Hochschule Luzern wissen,
welche Themen derzeit bei den Schweizer Banken die höchste strategische Priorität haben. Die
Auswertung der Antworten von 202 Geschäftsleitungsmitgliedern zeigt, dass sich der
überwiegende Teil der Institute mehrheitlich auf die Optimierung und Transformation des
Geschäftsmodelles fokussiert. Dabei ist insbesondere die Weiterbildung der Mitarbeitenden zentral.
«Das erstaunt nicht: Im stark wandelnden Wettbewerbsumfeld spielen gut ausgebildete
Mitarbeitende eine zentrale Rolle. Bereits vor zwei Jahren nannten die Geschäftsleitungsmitglieder
die Beratungsqualität als wichtigstes Differenzierungsmerkmal», sagt Studienautor Andreas
Dietrich. Als strategisch wichtig erachten die Banken zudem den Ausbau und die Verknüpfung von
Vertriebskanälen sowie die Optimierung und Automatisierung von Prozessen, sowohl im Mid- und
Backoffice, als auch an der Kundenschnittstelle.
Der Erschliessung potenziell neuer Geschäfts- und Ertragsfelder wird derzeit hingegen weniger
Priorität beigemessen. Bezüglich innovativer Angebote wie Blockchain oder Crowdfunding erklärt
sich dies das Forschungsteam mit der teilweise fehlenden Marktreife oder den fehlenden Vorreitern
aus dem Bankenumfeld. «Gleichzeitig hätte man aber im heutigen eher schwierigen Marktumfeld
erwarten können, dass Strategien zur Gewinnung neuer Ertragsquellen entwickelt würden: zum
Beispiel für die Erschliessung neuer Märkte ausserhalb des geografischen Stammgebiets, die
Zusammenarbeit mit Versicherungen oder die Akquisition von Vermögensverwaltern», sagt
Dietrich. Insofern wünscht sich der Bankenexperte mehr Risikobereitschaft und Weitsicht. Auch
deshalb, weil sich die Banken mit aus heutiger Sicht noch als innovativ geltenden strategischen
Initiativen bereits im Jahr 2020 nicht mehr differenzieren können. «Gemäss den strategischen
Prioritäten der Bankenvertreter kann beispielsweise davon ausgegangen werden, dass die Online-
Verlängerung von Hypotheken bald ein Standard-Angebot von Banken sein wird.»
IT ist kein strategischer Differenzierungsfaktor
Für den zweiten Teil der Studie wurden 27 IT-Verantwortliche von Schweizer Banken zu ihren
Herausforderungen befragt. Die Antworten machen deutlich, dass die Informatikabteilung einer
Bank in erster Linie eine Unterstützungsfunktion ausübt und nicht als strategischer
Differenzierungsfaktor betrachtet wird. Dies widerspiegelt sich im hohen Outsourcing-Grad
verschiedener IT-bezogener Aktivitäten, wie die Software-Entwicklung, das IT-Hosting oder das
Applikations-Management. Hinsichtlich der Kosten ihrer IT-Abteilung gehen vier von fünf
Befragten davon aus, dass die Aufwände im nächsten Jahr entweder sinken oder auf konstantem
Niveau verharren.
Schwyzer Kantonalbank aus Kennzahlensicht beste Retail Bank
Für das Ranking der besten Schweizer Retail Banken wurden Kennzahlen von 90 Instituten
analysiert. Der Fokus lag dabei auf den Faktoren Rentabilität, Risiko und Struktur. Im
Zeitraum von 2010 bis 2014 hat die Schwyzer Kantonalbank bei den entsprechenden
Kennzahlen die besten Resultate erzielt. Sie ist einerseits gut kapitalisiert, verfügt gleichzeitig
über eine tiefe Cost/Income Ratio und erzielt eine hohe Rentabilität. Die Kantonalbanken aus
Freiburg, Graubünden und Appenzell schneiden ebenfalls sehr gut ab. Mit der Ersparniskasse
Affoltern i.E. AG schaffte es auch eine kleine Regionalbank in die Top-5 von 2010 bis 2014
Die Kennzahlenanalyse macht zudem deutlich: Die Schweizer Retail Banken bleiben unter
Druck. Zwar wuchsen beispielsweise die Kundenausleihungen weiterhin an, und die
Cost/Income Ratios bewegten sich auch im Jahr 2014 stabil bei durchschnittlich etwa 60
Prozent. Die Zinsmargen sanken jedoch weiter und liegen nur noch bei 1.19 Prozent (2010:
durchschnittlich 1.40 Prozent). Insgesamt sind die untersuchten Retail Banken gut kapitalisiert.
In der Mehrheit liegt ihr Eigenkapital deutlich über den von der FINMA festgelegten
Mindestquoten.
Corporate Governance der Retail Banken
Im letzten Teil der Studie analysierte das Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ unter
anderem die Eigentümerstrukturen sowie die Zusammensetzungen der Geschäftsleitungen und
Verwaltungsräte von Schweizer Banken. Dabei zeigt sich, dass per Mitte 2015 die Titel von 40
der in die Analyse einbezogenen 73 Instituten handelbar sind: 17 Aktien oder Partizipationsscheine
sind an einer Börse kotiert, weitere 23 können über verschiedene OTC-Plattformen
gehandelt werden.
In den vergangenen Jahren waren die Vergütungen von Verwaltungsräten vermehrt Gegenstand
der öffentlichen Diskussion. Auch bei den Retail Banken stellt sich aus Sicht der Corporate
Governance die Frage, was angemessen ist. Der Personalaufwand für den Verwaltungsrat von
66 untersuchten Instituten reichte im Jahre 2014 von 33’000 Franken bei der Deposito-Cassa
der Stadt Bern bis hin zu 2.1 Millionen Franken bei der Banque Cantonale Vaudoise (mit
vollamtlichem Verwaltungsratspräsident). Für die Höhe der jeweiligen Vergütungen ist die
Bankengrösse relevant: Je grösser das Institut ist, desto komplexer werden in der Regel die
Geschäfte; damit steigen wiederum Anforderungen und Zeitaufwand für die Verwaltungsratsmitglieder – und somit auch die Vergütungen. Der Frauenanteil in den Verwaltungsratsgremien
lag im Jahr 2014 bei 17 Prozent, in den Geschäftsleitungen bei 6 Prozent.
Die 180-seitige «IFZ Retail Banking-Studie Schweiz 2015» kostet 290 Franken und kann unter
ifz@hslu.ch bestellt werden. www.hslu.ch[content_block id=29782 slug=ena-banner]