Am 7. Februar 1971 wurde in der Schweiz das eidgenössische Stimm- und Wahlrecht für Frauen mit einer Zweidrittelsmehrheit angenommen. Dieser denkwürdige Tag jährt sich 2021 zum 50. Mal.
Die Frauen in der Schweiz erlangten ihre politischen Rechte auf nationaler Ebene erst 123 Jahre nach Gründung des Schweizer Bundestaates und der Einrichtung des «allgemeinen» Stimm- und Wahlrechts. Dies war 53 Jahre nach Deutschland, 52 Jahre nach Österreich, 27 Jahre nach Frankreich und 26 Jahre nach Italien. Dazu war es erst noch kein Geschenk, sondern ein Recht, dass sich viele mutige Schweizerinnen zusammen mit Schweizer Frauenverbänden hart erkämpfen mussten. Ein jahrzehntelanger Kampf, um eine Mehrheit in der männlichen Bevölkerung und den Ständen zu erreichen.
Projekt HOMMAGE
Das Projekt HOMMAGE 2021 ehrt genau diese Frauen. Frauen, die bereits vor über hundert Jahren bis 1971 mit unterschiedlichen Mitteln und Wegen ihre politischen Rechte einforderten. Das Projekt zeigt die verschiedenen Etappen bis zum schweizerischen Frauenstimm- und Wahlrecht, aus der Sicht der Frauen. Daneben werden auch Portraits von Frauen aus der ganzen Schweiz gezeigt. Je zwei pro Kanton. Dies ist eine kleine Auswahl all jener Frauen, die aus unterschiedlichen Verhältnissen und Beweggründen dazu beigetragen haben, dass Schweizerinnen ab 1971 endlich politisch mitbestimmen durften und sich in politische Ämter wählen lassen konnten.
Für die Sammlung der Porträts arbeitete HOMMAGE 2021 mit Historikerinnen, Kulturwissenschaftlerinnen und Soziologinnen aus allen Kantonen zusammen. Im Kanton Uri war dies Carla Arnold, Archivarin im Staatsarchiv Uri. Sie hat fünf Porträts von Urnerinnen mit biografischen Texten aufgearbeitet. «Das schwierigste im Kanton Uri war, Frauen zu finden über die es auch schriftliche Quellen gab», meint die Historikerin aus Bürglen.
Die Auswahl der zwei Ausstellungsporträts traf eine Schulklasse. «Es war für mich interessant zu sehen, für welche beiden Frauen sich die Schülerinnen und Schüler entschieden haben».
Die Porträts der Frauen sind ab dem 7. Februar 2021 in der Berner Altstadt ausgestellt. An den Hausfassaden zwischen Münstergasse, Herrengasse und Münsterplatz können Interessierte einen individuellen Spaziergang machen.
Frauenanliegen auf nationaler politischer Agenda
Mit dem Frauenstimmrecht kamen auch eine Vielzahl von Frauen- und Gleichstellungsanliegen auf die nationale politische Agenda. Dies sind einige ausgewählte Beispiele:
- 1972 verabschiedete die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) Grundsätze für die Mädchenbildung. Die Kantone sollen Massnahmen ergreifen, um die Diskriminierung zu verhindern. Bis zur schweizweiten Umsetzung vergehen mehr als zwei Jahrzehnte.
- Im Jahr 1981 wird der Gleichstellungsartikel in der Schweizer Bundesverfassung aufgenommen. Dieser verpflichtet den Gesetzgeber, für rechtliche und tatsächliche Gleichstellung zu sorgen, und enthält ein direkt durchsetzbares Individualrecht auf gleichen Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit. Ein Recht, das bis heute noch nicht vollständig umgesetzt ist.
- Das neue Eherecht trat im Jahr 1988 in Kraft. Ab da waren Eheleute gesetzlich gleichgestellt in Bezug auf die Kindererziehung, die Berechtigung zu Vertragsunterzeichnungen, die Wohnsitzwahl oder das in die Ehe eingebrachte Vermögen. Auch konnte eine Frau von da an ihr angestammtes Bürgerrecht behalten.
- Die Vergewaltigung in der Ehe ist seit 1992 strafbar, jedoch erst seit 2004 ein Delikt, das auch von Amtes wegen geahndet werden muss.
- Die Mutterschaftsversicherung wird im 2005 eingeführt. Dies obwohl bereits seit 1945 ein Verfassungsauftrag dafür bestand.
- Der Gegenvorschlag des Bundesrats zur Initiative «Für einen vernünftigen Vaterschaftsurlaub» wird im 2020 angenommen und ist Anfang 2021 in Kraft getreten.
Der lange Weg zur Gleichstellung
Viele Anliegen der Gleichstellung von Frau und Mann sind bereits erfüllt. Das Frauenstimm- und Wahlrecht öffnete den Weg dafür. Auch heute gibt es noch mindestens gleich viele Anliegen für eine gleichgestelltere Gesellschaft. Da ist beispielsweise das Thema der nicht bezahlten und versicherten Erziehungs- und Betreuungsarbeit, die zum grössten Teil von Frauen gemacht wird und systemrelevant ist. Die immer noch zu vielen Gewaltdelikte an Frauen, insbesondere innerhalb von Beziehungen. Die «unerklärbare» Lohnungleichheit. Oder der nicht repräsentative Anteil von Frauen in Entscheidungs- und Führungspositionen. Es gibt also noch einiges zu tun und dazu braucht es Stimmen. Die Stimmen der Frauen und Männer für eine gleichgestellte Gesellschaft
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