Le piano symphonique Camille Saint-Saëns 1, KKL Luzern, 10. 11.2021, besucht von Léonard Wüst

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Le piano symphonique Camille Saint-Saëns 1 Fabien Gabel, Leitung

Besetzung und Programm:
Luzerner Sinfonieorchester
Fabien Gabel, Leitung
Nareh Arghamanyan, Klavier
Kit Armstrong, Klavier
Nelson Goerner, Klavier

Hector Berlioz (1803 – 1869)
Ouvertüre zur Opéra comique «Béatrice et Bénédict»

Camille Saint-Saëns (1835 – 1921)
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 D-Dur op. 17
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 g-Moll op. 22

Richard Wagner (1813 – 1883)
Vorspiel zur Oper «Die Meistersinger von Nürnberg»

Christoph Willibald Gluck (1714 – 1787)
«Ballet memes contraire» aus der Oper «Iphigénie en Tauride»

Camille Saint-Saëns
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 4 c-Moll op. 44

Gleich drei Weltklassepianist*innen am gleichen Abend im selben Konzert ist schon etwas sehr Außergewöhnliches.

Hector Berlioz Ouverture zur Opéra comique «Béatrice et Bénédict»

»Die hervorstechendsten Merkmale meiner Musik sind leidenschaftlicher Ausdruck, inneres Feuer, rhythmischer Schwung und Unvorhersehbarkeit« äußerte sich Hector Berlioz hinsichtlich der Spezifik seiner musikalischen Schöpfungen. Berlioz, der genialische Egozentriker, der Unbequeme, der viel Geschmähte, war in seiner musikalischen Vision seiner Zeit weit voraus.

Berlioz` Experimentierfreude

Fabien Gabel Dirigent

Die Experimentierfreude von Hector Berlioz, was das Beschreiten neuer musikalischer Wege betrifft, fand insbesondere im Falle seiner Musiktheaterwerke zu seinen Lebzeiten nie den gebührenden Widerhall. Im August 1862 anlässlich der Eröffnung des Neuen Theaters in Baden-Baden uraufgeführt, war auch »Béatrice und Bénédict« nur eine kühle Aufnahme vergönnt. Dabei zeichnet sich diese Partitur, ganz abgesehen von der inspirierten Ouvertüre, durch eine Vielzahl kostbarer musikalischer Parts aus und ist dabei – analog dem Shakespeareschen Text – auf eine so subtile Art geistreich-witzig, dass sie von vielen Kennern heute als eine Erweiterung des Genres der opéra-comique genommen wird. Der französischstämmige Dirigent Fabien Gabel gab mit diesem Werk einen funkensprühenden Einstand als Gastdirigent des KKL Residenzorchesters, was sich auch durch den  Applaus des Publikums manifestierte.

Camille Saint-Saëns Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 D-Dur op. 17

Nareh Arghamanyan Solistin Klavierkonzert Nr. 1

Das 1. Klavierkonzert hat einen Hang zum Virtuosen Konzert, dies gilt vor allem für den 3. Satz. Dennoch ist das Werk geprägt von einem starken klassizistischen Form Sinn. Der Hornruf der Andante-Einleitung wird zum wesentlichen Bestandteil des folgenden Allegro assai Hauptteils, indem er in Lisztscher Manier durch rasante Arpeggien im Klavier verarbeitet wird. Dieser Hornruf erscheint außerdem am Ende des 3. Satzes und bildet die Klammer des Werkes.

Der Mittelsatz gibt der Solistin Raum zur Entfaltung. Auffallend sind vor allem die Solokadenzen, die häufig ohne Taktstriche notiert sind. Das deutlich reduzierte Orchester tritt in den Hintergrund, es dient vor allem als Bindeglied zwischen den ausgedehnten Klavierpassagen. In ihnen tritt auch die ungewöhnlich fortschrittliche Harmonik am deutlichsten hervor. Die Armenierin Nareh Arghamanyan, im zitronengelben Abendkleid,  spielt die Partitur introvertiert diskret, behauptet sich zurückhaltend  entgegen dem Orchester. Dafür glänzt sie im  im zweiten Satz durch ihr transparentes Spiel, wenn auch mit etwas viel Pedaleinsatz.

Der Schlusssatz dann  wird geprägt durch eine extrovertierte Virtuosität, die durch Solistin emotional ausgespielt wurde, immer getragen von einem engagierten Orchester. Das beeindruckte Auditorium geizte denn auch nicht mit reichlich Applaus, bevor es sich in die Foyers in die erste von zwei Pausen begab.

Camille Saint-Saëns Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 g-Moll op. 22

Kit Armstrong Piano

Völlig anders packt der amerikanische Pianist Kit Armstrong zu. Er setzt die Harmonien knallhart glasklar, perlt sich kraftvoll durch die Laufkaskaden, zurückhaltend mit dem Pedal ergibt das einen unverfälschten, satten Pianoklang, der auch im fulminanten Schlussteil Bestand hält und seine Mitmusikerinnen mitreisst durch das virtuose Klanggebilde des französischen Komponisten. Hatte zuvor die Armenierin ihr Werk fast analytisch seziert, fegte der Amerikaner nur so durch die Partitur. Der begeistere Applaus der Besucher war ihm sicher.

Richard Wagner Vorspiel zur Oper «Die Meistersinger von Nürnberg»

Fabien Gabel in Aktion Symbolbild

Dieses Werk entstand nicht in Zürich, Venedig oder auf Tribschen, wie z.B. «Tristan und Isolde», sondern inspiriert durch eine Marienstatue in Venedig, worauf Wagner das Libretto zur Oper innert 30 Tagen in Paris niederschrieb.

Und das Orchester intonierte diese Ouvertüre richtig «wagnerianisch»: wuchtig, aufbrausend mächtig, richtig teutonisch eben, was dem Auditorium, am Applaus gemessen, durchaus auch Spass machte und es gutgelaunt in die zweite von zwei Pausen entliess.

Christoph Willibald Gluck «Ballet memes contraire» aus der Oper «Iphigénie en Tauride»

Der Intendant des Luzerner Sinfonieorchesters, Numa Bischof Ullmann betrat die Bühne und verkündete eine spontane Programmänderung. Aufgrund des kürzlichen Hinschiedes (1. November 2021) des brasilianischen Starpianisten und vielfachen Gastmusikers des Luzerner Orchesters, Oscar Freire, spiele der nun auftretende argentinische Pianist Nelson Goerner, ein enger Freund Freire`s, das von diesem besonders geschätzte Werk von Jan Paderewski, die Nocturne Opus 16 Nr. 4 anstelle des Gluck Werkes. Man bitte aber darum, aus Respekt vor dem Verstorbenen, auf den Applaus zu verzichten, es folge dann umgehend das zum Schluss vorgesehene Klavierkonzert Nr. 4

Camille Saint-Saëns Konzert für Klavier und Orchester Nr. 4 c-Moll op. 44

Nelson Goerner Klavier Foto Marco Borggreve

Das vierte Konzert übertrifft alle anderen an Tiefgang und formaler Raffinesse deutlich. So wird in diesem zweisitzigen Werk, das einige Konzepte der berühmten Orgelsymphonie vorwegnimmt, z.B. das schwer lastende Hauptthema des Beginns. Das Thema und Urmotiv des gesamten Konzerts wird zu Beginn des Satzes im Allegro von den Streichern vorgestellt. Es stellt ein vom Komponisten bearbeitetes französisches Lied dar. Dialogisch entwickeln nun Orchester und sich immer virtuoser steigerndes Soloklavier das Thema. Es erklingt schließlich fortissimo in majestätischem c-Moll, bevor es von Holzbläsern und Klavier scherzhaft mit sprunghaften Läufen abgewandelt wird. Statt der Sonatenform wendet Saint-Saens die Kompositionstechnik der Variation und Verarbeitung an, so dass das ganze Konzert im übertragenen Sinne als Durchführung des Urmotivs angesehen werden könnte später als Scherzo paraphrasiert.

Nelson Goerner vereint die Introvertiertheit der Armenierin und die Extrovertiertheit des Amerikaners

Beide Stücke haben die zeitgenössischen Hörer eher überfordert. Nelson Goerner bewegt sich temperamentsmässig in etwa in der Mitte von Nareh Arghamanyan und Kit Armstrong. Ein Übergangsteil, bestehend aus zu Arpeggien aufgebrochenen Akkorden, führt zu einer lyrischen Variante des Liedes. Diese stellt den zweiten Teil des Konzerts und somit den Andante-Teil des ersten Satzes dar. Die piano vorgetragene Weise wird in der Folge vom romantisch-elegischen Klavier umspielt. Im fünften Teil des Konzerts wird diese lyrische Form des Themas wieder aufgenommen und majestätisch gesteigert.

Herausfordernde grossgriffige Harmonien

Eine erste Steigerung erfährt es bereits im Anschluss, da es vom Soloklavier und großgriffigen Akkorden virtuos ausgeschmückt wird. Leise Blechbläserfanfaren im Hintergrund des zunehmend unruhigen musikalischen Geschehens erzeugen einen Spannungsaufbau, der jedoch zu Ende des ersten Satzes nicht mehr aufgelöst wird. Der 2. Satz übernimmt die Funktion eines Scherzo Satzes. Im letzten Allegro-Teil des Werkes stellt das Klavier die lyrische und sehr gesangliche Ausformung des Themenmaterials in einer zunächst monophonen Form dar. Die Themenherkunft als Lied ist hier kaum noch zu verkennen. Die folgende Apotheose ergreift nun das ganze Orchester. Immer wieder umspielt vom Soloinstrument, wird das Liedthema weiterverarbeitet, wobei der freudige und optimistische Duktus stets beibehalten wird. Das alte c-Moll des Konzertbeginns hat sich zu einem strahlenden C-Dur gewandelt. In diesem Charakter endet das Konzert nun auch in einer großen und alles mitreißenden Coda, in der das jubelnde Lied abschließend auch in den Blechbläsern erklingt. der Argentinier modulierte die Partitur äusserst genau und mit viel Empathie, kongenial unterstützt vom brillanten Orchester, technisch natürlich perfekt, nie mechanisch, immer voller sensibler Hingabe.

Für diese grossartige Darbietung durften die Künstler stürmischen Applaus, garniert mit etlichen Bravorufen ernten.

Es hätte sicher zu einer stehenden Ovation gereicht, wenn sich die andern zwei Solist*innen noch dazu gesellt hätten, so aber wollte das Auditorium offensichtlich die Akklamation nicht «ungerecht» verteilen.

Ein eindrücklicher Abend mit grossartigen Solist*innen und einem fantastischen Residenzorchester, magistral geleitet von Fabien Gabel.

LUZERNER SINFONIEORCHESTER, Carmen und L’Arlésienne: Muttertags Konzert mit Nelson Freire April 2019

https://innerschweizonline.ch/wordpress/luzerner-sinfonieorchester-carmen-und-larlesienne-muttertagskonzert-mit-nelson-freire/

Paderewski – Nocturne Op.16, No.4 (Ewa Kupiec)

https://www.youtube.com/watch?v=TesMKDaK_vE

Text: www.leonardwuest.ch

Fotos: www.sinfonieorchester.ch

Homepages der andern Kolumnisten:   https://noemiefelber.ch/

www.gabrielabucher.ch  www.herberthuber.ch  www.maxthuerig.ch

 

Dieser Beitrag wurde am von unter leitartikel und kolumnen von léonard wüst, musik/theater/ausstellungen, schweizweit veröffentlicht.

Über Leonard Wüst

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