Für einmal erklettern wir die Sprossen der Hühnerleiter. Vom Kleinsten bis hinauf zum entmannten Chef der Familie. Hinauf zu den „Truten“, die auch zur Familie gehören. Erzähle Ihre Geschichten und wie man mit dem Federvieh umgeht.
Eigentlich habe ich eine sehr intensive Beziehung zur gackernden Familie. Wenn sich in den 50ger Jahren sonntags mein Vater in den Nadelstreifenanzug stürzte, die Krawatte umband, meine Mutter das eleganteste „Jüpli“ anzog und klein Herbertli anstelle der „Knickerbocker“ die eleganteren Röhrlihosen anziehen durfte, war bei Hubers auswärts essen angesagt. Gehörig luxuriös damals.
So ging es ins „Orsini“, wo die „Nonna Mercier“ die hervorragendsten Güggeli, nach Familienrezept im Ölbad, herrlich knusprig buk. Mit Safran Risotto dazu, weissen Tischtüchern und äusserst kinderliebender Atmosphäre mit viel Italianità.
Viele Jahre später um 1980, erlebten die Orsini Güggeli (die kleinsten der Hierarchie) eine Wiedergeburt. Nach Originalrezept im Restaurant Taverne im Motel Rex in Stans zubereitet als mein Freund Norbert Schmidiger (langjähriger Sekretär des Schweizer Kochverbandes) dort Küchenchef war. Das Rezept im Originalton im Kasten.
Im Schangnau wurde gehörig gehühnert.
So vergingen die Jahre. Bis eines Tages ein Name in der „Hühnergastroszene“ auftauchte. D’s Hadorn Rösi mit ihrer Wirtschaft zum Wald im Schangnau. Wo selbst Bundesräte hinpilgerten, respektive mit dem Helikopter flogen. Ob auf Staatskosten sei heute dahingestellt. So wurden Rösi’s Poulets „Hierarchie Stufe zwei“, im Ofen gebraten. Und diese waren mehr als nur eine Reise wert. Denn das ganze „drumherum“ zum Beispiel. Wie vor dem Hühnerzeremoniell von der Chefin mit träfen bärndeutschen Wortfetzen gespickt, der „Esslatz“ den Gästen umgebunden wurde. Dann kam eine Schüssel Salat. Dann wurde nicht „gejufelt“, sondern gütigst gewartet, bis die Hühner innen gar und aussen herrlich knusprig waren. Los ging’s erst auf Rösi’s Kommando : „jetzt cheuter gnaage u schmatze u eifach d’Finger abschläcke, s Zeiche dass es guet esch“ kommentierte Rösi. Denn Besteck gab es keines, dafür Fingerbowlen. So wurde Hadorn Rösi zur Schangnauer Hühner Legende. Und musste einmal, so erzählte man sich, notfallmässig ins Spital geflogen werden. Weil ihr beim Verzehr ihrer eigenen Hühner ein Knöchlein im Halse stecken geblieben war.
Die Poularde pochée
An meiner Kochlehrabschlussprüfung, war meine Aufgabe eine „poularde pochée“ der grösseren Stufe drei, zu zubereiten. Süferli wurde die Poularde in einem Geflügelfond gekocht. Etwa ¾ Std. Dann aus dem Fond genommen und von der Haut befreit. Rüüdig heiss war dieses Schälprozedere. Dann korrekt zerlegt (Brust und Schenkel) diese an die Wärme gestellt. In der Zwischenzeit eine liebevollst abgeschmeckte „sauce suprême“ (nach Kochbuchlehrbuch Pauli) aus dem Geflügelfond hergestellt. So geht’s:
Aus dem kräftigenGeflügelfond wird zuerst eine „Veloute de vollaile“ (weisse Sauce) mit einem Roux (Mehlschwitze) zubereitet. Achtung wegen Knollengefahr heissen Roux immer mit kaltem Fond oder umgekehrt ablöschen. Am Schluss wird die „velouté“ durch Zugabe einer „Liason oder Legierung“ (Rahm und Eigelb vermischt) zur sämigen „sauce suprême“. Diese darf man am Schluss auf keinen Fall mehr aufkochen weil sie wegen der Eier gerinnen würde. Ausprobieren und sich über den Erfolg freuen lohnt sich mehr als nur. Mir hat es die Note 1,2 eingebracht.
Der entmannte Güggel
Eine ganz besondere Bekanntschaft schloss ich vor Jahren mit dem „entmannten“ Güggel, dem Kapaun. Noch heute gibt es dieses Essvergnügen im Restaurant Blasenberg, oberhalb Zug. www.blasenberg.ch und auf dem Schrofenhof in Kreuzlingen ist Kapaun auf Vorbestellung erhältlich. Vor allem für Weihnachten eine herrliche Alternative. www.schrofen.ch – verkauf@schrofen.ch.
Vom Truthahn und den Truthennen.
Und wie ist es mit den Truthennen und dem Truthahn?
Diese sind hierzulande eindeutig weniger bekannt und begehrt. Ausser für die hier lebenden Engländer und Amerikaner. Bei ihnen kommt dieses Federvieh einem kulinarischen „Kultobjekt“ gleich. Sehr aufwändig bei der Zubereitung ist das schon, und für ein „Ding“ von 8 kg braucht es den entsprechenden Ofen und die zuverlässige Rezeptur. Und viel Geduld! Bei uns ist Truthahnfleisch als „günstig“ Schnitzel sehr belieb. Für Piccata oder paniert. Oder mit Pilzrahmsauce.
Tips beim Einkauf von „ganzem“ Geflügel
Grundsätzlich empfehle ich das Gefiedervieh „pfannenfertig“ zu kaufen. Ich bevorzuge die Marke Optigall von Migros oder „Naturaplan“ von Coop. Schweizer Hühner liegen mir besonders am Herzen. Im Internet gibt es auch immer mehr Anbieter „direkt“ vom Bauernhof. Gefrorene Poulets empfehle ich nicht (schlechter sind sie nicht) aber den kleinen Unterschied merkt man schon. Die Knöchelchen sind beim frischen Poulet heller – beim Gefrorenen eher dunkel. Versuchen sie auch einmal ein frisches „Pouletleberli“ zu erhalten, kurz in Butter sautiert, als Vorspeise mit etwas Salat, schmeckt herrlich. Oder auf dem Beilage Risotto angerichtet. Poulets vor der Zubereitung abwaschen? Ich tu es, aber dann gut abtrocknen – innen und aussen. Beim „Ganz braten“ lege ich immer einen Rosmarinzweig ins Poulet Innere. Würzen nur mit Salz und „weissem“ Pfeffer. Oder eben à la Orsini.
Die Poulet Hierarchie des hellen Mastgeflügels
Quelle: Lehrbuch der Küche Pauli
1 Hühnchen in der Schweiz als Mistchratzerli, in Frankreich als Coquelet bekannt. Zwischen 400 und 700 g schwer. Pfannenfertig
2 Masthähnchen – Poulet / Poulet reine. Hähne und Hennen werden oft als Griller bezeichnet. Zwischen 800 g und 1,3 kg.
3 Masthuhn / Poularde. Besonders gemästete Hennen. Bekannteste Sorte ist die Bresse Poularde. Feinknochig und sehr fleischig. Das besondere Merkmal sind die blauen Füsse (pates bleues). Die mit Mais gefütterten gehören ebenfalls in diese Kategorie. Deren Fleisch ist logischerweise eher gelblich.
1,3 – 1,8 kg
4 Kapaun/ Masthahn. Ist als kastrierter Hahn das Gegenstück zur Poularde.
2 – 3 kg schwer
5 Suppenhuhn / Poulet. Ausgewachsenes Huhn meistens nach der ersten Legeperiode geschlachtet. Wird zur Herstellung von Hühnersuppe verwendet und für Terrinen, Galantinen, Ballotinen und Co.
1,2 – 1,8 kg.
6 Junger Truthahn oder Truthenne. Die Sehnen der Schenkel müssen vor der Zubereitung herausgezogen werden. Grössere Tiere werden „roh“ zerlegt und weiter verarbeitet. Brust, Schnitzel, Voressen, Rollbraten
Die Stammheimat ist Nordamerika. Hauptlieferländer sind Frankreich und Ungarn.
Drei Gewichtsstufen: 2 – 3 kg. 3- 6 kg. 5 – 12 kg.
Und nun Schmidiger’s Rezept im Originalton: „Die Orsini Güggeli wurden1980 auf die Karte des „Restaurant Taverne“ im Motel Rex gesetzt. Madame Mercier, die ehemalige Patronin des Restaurant Orsini in Luzern, (Hertensteinstrasse) , zeigte uns die Zubereitung dieser in Luzern einmaligen „Sonntagsspezialität“
In einer großen Kupferbraisiere (ein Bräter mit höherer Wandung) wurden Backfett und Erdnussöl gegeben, so dass eine ca 10-12 cm hohes Fritüre Bad zur Verfügung stand.
Dieses wurde mit Gas beheizt, so konnte auch die Temperaturregelung fein abgestimmt werden. Dann wurden mehre Rosmarinzweige beigefügt, sowie zwei bis drei rohe und halbierte Kartoffeln, um damit sichtbar die Temperatur im Griff zuhaben.
Die frischen Güggeli ca 350 – 450 gr schwer, welche wir pro Woche zweimal frisch geliefert bekamen, wurden dann „à l’americaine“ aufgeschnitten. Das heisst das Rückgrat herausgeschnitten, den feinen Brustknochen herausgedrückt und dann das Güggeli flachgedrückt.
Diese Güggeli wurden mit Senf ordentlich eingeschmiert und abgedeckt kühl gelagert. Mariniert also.
Auf Bestellung wurde pro Person ein ganzes Güggeli in der beschrieben Fritüre während rund 15 Minuten knusprig gebacken, gut abgetropft, halbiert und angerichtet. Dazu gab’s einen Risotto zafferano.
Dieses Rezept ist mit einer „neuzeitlichen“ Friteuse nachkochbar.
Und zwar etappenweise die Mistchratzerli ca. 10 – 15 Min backen und bei 80° im Ofen auf dem Kuchen Blech abstehen lassen.
Oder direkt im Ofen braten und dabei stets arrosieren. Rosmarinzweige auf das Blech legen. Mistchratzerli rausnehmen – halbieren – anrichten und mit Risotto servieren.
Und nun wie immer: Bon Appetit et large soif
Text www.herberthuber.ch
Fotos: www.pixelio.de
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