Besetzung und Programm:
Lisa Batiashvili Violine
Gautier Capuçon Violoncello
Anton Arenskij Klaviertrio Nr. 1 d-Moll op. 32
Johannes Brahms Klaviertrio C-Dur op. 87
Joseph Haydn Klaviertrio Nr. 44 E-Dur Hob. XV:28
Das Klaviertrio E-Dur, Nr. 28, gehört zu einer Gruppe von drei Werken, die er während seines zweiten Londoner Aufenthaltes 1795 für eine damals gefeierte englische Pianistin schrieb: Miss Theresa Jansen, spätere Mrs. Bartolozzi.
Die verschiedenen harmonischen und klanglichen Schattierungen im Allegretto von Hob. XV:30, einem barockisierenden Nachtstück von geheimnisvoller Tiefe, werden nur schwach ausgeleuchtet, die Musik prescht zu schnell am Ohr des Hörers vorbei. In Kopfsatz des Trios Hob. XV:30 wird der regelrecht mozartianische Reiz der Themengestaltung hervorgehoben, werden die verschiedenen Stimmungsmuster plastisch genug herausgearbeitet.
Diese Komposition deutet Haydns Stilwechsel an
Es zeigt sich, wie sehr sich die Musik Haydns gegen Ende seines Lebens schon vom Idealbild klassischer Ausgewogenheit entfernt hatte und ähnlich wie bei Mozart die individuellen Stimmungen widerspiegelte – wie sich die Musik also der Romantik näherte.
Das gibt der Musik Leichtigkeit und Transparenz in den Allegros, die langsamen Sätze gewinnen viel Stille und Intimität. Batiashvili und Capuçon treten mit weniger Individualität in Erscheinung. Dadurch, dass sich ihr Spiel an das von Thibaudet anpasst, erscheint die Musik aber auch sehr ausgewogen und harmonisch, ein Bild von klassischem Ebenmaß perfekt abbildend.
Pianist Thibaudet bekam da schon einige Hals- oder besser Fingerbrecherische Tastenkombinationen vorgesetzt, die er aber scheinbar locker und mühelos bewältigt, die Läufe quasi aus dem Handgelenk schüttelt. Mit seinem Landsmann Gauthier Capuçon, 1981 in Chambéry geboren am Violoncello und der Georgierin Lisa Batiashvili (*1979 Tiflis) mit ihrer Violine, standen mit ihm zwei ebenbürtige Partner*innen auf der Bühne. Für die stilvolle Darbietung bedankte sich das Publikum mit langanhaltendem Applaus.
Johannes Brahms Klaviertrio C-Dur op. 87
Es folgte das C-Dur-Trio aus Opus 87 von Johannes Brahms. Wunderbar ließ man hier die musikalischen Charaktere wachsen, verlieh ihnen Kraft und Weite. Und so drangen die Musiker in ihrem Spiel ein bis in die kleinsten Verästelungen dieses raffinierten und oft vielschichtigen Satzes und machten diese für die Hörer nachvollziehbar. Keine Frage: Das war Interpreten Kunst vom Feinsten. Mehr als 25 Jahre hat Brahms gewartet, bis er seinem (falls man das ihm zugeschriebene A-dur-Trio ausser Betracht lässt) ersten Klaviertrio ein neues folgen liess. Es waren sogar zwei geplant, doch ist das gleichzeitig in Bad Ischl begonnene Es-Dur-Fragment verschollen. Dem umfangreichen Opus 8 von 1854 mit seiner Demonstration gelehrten kompositorischen Könnens und emotionalen Übersteigerungen stellte er nun ein knapperes, konzentriertes Werk gegenüber. Die vier Sätze des op. 87 dauern nur wenig länger als die beiden ersten der Erstfassung von op. 8. Gleichwohl stehen im 1880 entstandenen Kopfsatz den beiden Hauptthemen nicht weniger als sechs Nebengedanken gegenüber, was den ersten Brahms-Biographen nach dessen Tod, Heinrich Reimann, 1897 zur Kritik veranlasst hat, es seien «etwas heterogene Stimmungen aneinandergeschweisst». Die drei übrigen Sätze kamen erst 1882 dazu.
Beeinflusst von seiner Ungarnreise?
Das Andante in a-Moll ist ein Variationen Satz über ein pathetisches Thema mit magyarischem Einschlag. Auf das spukhafte, von einem klangvollen Trio unterteilte Scherzo folgt ein helles, oft geistreich-witziges Finale in Form eines Sonatensatzes. Clara Schumann war ganz begeistert: «Welch ein prachtvolles Werk ist das wieder! Wie vieles entzückt mich darin, und wie sehnsüchtig bin ich, es ordentlich zu hören. Jeder Satz ist mir lieb, wie herrlich sind die Durchführungen, wie blättert sich da immer ein Motiv aus dem anderen! – Wie reizend ist das Scherzo, dann das Andante mit dem anmutigen Thema, das eigentümlich klingen muss in der Lage der doppelten Oktaven, ganz volkstümlich!» Die Uraufführung fand am 29. Dezember 1882 mit Mitgliedern des Joachim-Quartetts und dem Komponisten am Klavier in Frankfurt statt, nur knapp drei Wochen, nachdem Brahms seinen «Gesang der Parzen» in Basel zur Uraufführung gebracht hatte.
Denkwürdiger Abend in der ehrwürdigen Zürcher Tonhalle
Es war ein denkwürdiger Abend. Der 1961 in Lyon geborene Starpianist Jean–Yves Thibaudet spielte den Klavier-Part in der ihm eigenen breiten, prägnanten Weise. Das Werk ist jung und lebhaft ohne jede Überschwänglichkeit. Auch das Andante will nicht in die Tiefe bohren, süss und schwärmerisch wie ein alter Minnesang, aber einfach und natürlich strömt es dahin. Die Streicher auf der einen, das Klavier auf der anderen Seite führen einen überaus reizvollen Wechselgesang. Ist es ein altes Lied, auf das sich beide besinnen müssen? Wo die eine Gruppe den Faden verlor, nimmt ihn die andere auf und spinnt ihn weiter, und so ergänzen und erwärmen sie sich gegenseitig. Das Trio führt die Sprache des Komponisten Brahms, der aus dem Vollen schöpft; mit leichter Hand führt er seine Stimmen durch die sonnigen Gefilde quellenden Wohllautes, seltener als früher durch zerklüftete Engpässe. Der französische Pianist entwickelt eine Eleganz und Geschmeidigkeit in seinem Spiel, wohin ihm seine beiden Agonist*innen nur zu gerne folgen und ab und an Solosequenzen einfügen können, die Thibaudets Spiel veredeln und nicht etwa unterbrechen. Ein perfektes Trio jede*r für sich schon brillant, im Zusammenspiel aber schlicht meisterhaft.
Anton Arenskij Klaviertrio Nr. 1 d-Moll op. 32
Der Erfolg des d-Moll-Trios erklärt sich schon aus dem ersten Satz, einem Allegro moderato. Es beginnt mit einer der schönsten Violinmelodien der Spätromantik. Über dem Triolen-Klanggrund des Klaviers setzt die Geigerin auf der G-Saite ein und schwingt sich langsam in die Höhe. Ihre ausdrucksvolle Melodie berührt statt des Leittons Cis ständig die dorische siebte Stufe C, weshalb sie zwischen d-Moll und F-Dur zu schwanken scheint. Diese reizvolle Zweideutigkeit bleibt auch erhalten, wenn das Thema vom Cello wiederholt wird und sich im Dialog der Streicher leidenschaftlich steigert. Erst mit dem Fortissimo-Einsatz des Klaviers zum Tremolo der Geige hört man den ersten Dominantakkord A-Dur. Danach spielt auch der Pianist seine Variante des schönen Hauptthemas. Die Überleitung lebt von leichtfüßigen Arabesken alla Schumann, das Seitenthema vom langen Atem eines Cellogesangs auf der A-Saite, in den die Violine einstimmt. Das Duett der Streicher wird von wogenden Klavier-Arpeggios getragen und steigert sich zu wehmütigem Ausdruck. Massive Klavierakkorde wollen die Zweisamkeit der Streicher stören, wodurch ihr Duett immer leidenschaftlicher wird. Eine knappe tänzerische Wendung im Staccato bildet die Schlussgruppe.
Kombination von kurzen, lebhaften Intentionen mit dem Leitmotiv
Diesen kurzen, lebhaften Gedanken hat Arensky in der Durchführung wirkungsvoll erst mit dem Hauptthema kontrastiert, dann mit den Schumann-Arabesken aus der Überleitung. Daraus hat er einen riesigen Spannungsbogen gebaut, der vom langen anhaltenden Piano allmählich ins leidenschaftliche Fortissimo übergeht. Im Tremolo scheinen die Streicher den Höhepunkt anzusteuern, doch er bleibt aus und wird durch die leise Reprise des Hauptthemas ersetzt. Diese Antiklimax ließe Raum für eine gewaltige Schluss-Steigerung in der Coda, doch auch sie hat Arensky verweigert. Stattdessen klingt der Satz mit einem tief bewegenden Adagio über das Hauptthema aus, vom Cello eröffnet. Die Totenklage auf den Cellisten Davidow verhindert den rauschenden Schluss.
Moll überschattet D Dur mit einem Trauerflor
Das Scherzo steht an zweiter Stelle, ein Allegro molto im heiteren D-Dur, das freilich ständig von Moll überschattet wird. Nicht nur daraus erklärt sich das gespenstische Zwielicht dieses Satzes, sondern auch aus dem raffinierten Klang: Eine knappe Dreitonfigur der Geige fügt sich mit dem Pizzicato des Cellos und irrwitzigen Klavierläufen zu einer Art groteskem Springtanz zusammen. Raffiniert wird dieses Klangbild variiert, bis kurz vor dem Trio noch Flageolett-Töne der Geige hinzukommen. Das Trio (Meno mosso) ist im Ton kräftiger, in der Anlage simpler: ein robuster russischer Walzer in B-Dur, dessen Melodie die Streicher einander gegenseitig zusingen. Am Ende kündigt sich die Reprise des Hauptteils an, die natürlich im Pianissimo ausklingt.
Wo die melancholische russische Seele durchschimmert
Das Cello eröffnet den langsamen Satz, der den Titel Elegie trägt. Es ist Arenskys Trauermarsch auf den großen Cellisten Davidow. Schwer lastende punktierte Rhythmen des Klaviers deuten den Duktus eines Kondukts an. Darüber stimmt das Cello mit Dämpfer auf den Saiten sein Klagethema in g-Moll, das von der Violine ebenfalls con sordino aufgegriffen wird. Wenn sich beide Instrumente zu Duett vereinen, wird aus dem Marsch ein tief bewegender Klagegesang. Plötzlich aber wechselt die Tonart ins helle G-Dur. Über murmelnden Triolen der Streicher erscheint in der hohen Klavierlage wie eine Vision eine G-Dur-Variante des Elegie-Themas – die Apotheose des Helden in den Höhen des Himmels. Wenn das Klavier die changierenden Triolen aufgreift und mit gezupften Cellotönen betörend mischt, erscheint die G-Dur-Melodie in der hohen Violinlage als wahrer Engelsgesang. Danach kehrt die Totenklage wieder und klingt im Pianissimo aus.
Arenskys Finale kurz und bündig aber schlüssig
Die viel gepriesene Kürze der Finalsätze bei Arensky, die sich so wohltuend von den ausufernden Finali der Spätromantik abhebt, zeigt sich auch im d-Moll-Trio. Das wuchtige Hauptthema im Allegro non troppo „nimmt den Stil Rachmaninows vorweg, und die Coda enthält eine schöne, höchst effektvolle Reminiszenz an das zweite Thema aus der Elegie“ (Belaiev). Nach einer gewaltigen Steigerung des wuchtigen d-Moll-Finalthemas bricht die Musik plötzlich ab und gibt den Blick frei auf die himmlische Vision aus dem langsamen Satz. Con sordino wiederholen die Streicher*innen in die Apotheose des Helden und erinnern danach senza Sordino an das traurige Hauptthema des ersten Satzes, bevor das Finale im Strudel der Erregung ungestüm zu Ende geht. Die drei Protagonisten transformierten Kammermusik zu einem wahrhaften Kammerspiel, obwohl die Kammer, also der Konzertsaal der Tonhalle dafür schon etwas zu voluminös ist, die Lautstärke dadurch etwas zurückhaltend, gar zu leise rüberkam. Nichtsdestotrotz feierte das Auditorium das Künstlertrio mit stürmischem Applaus, garniert mit einigen Bravorufen und liess mit klatschen nicht nach, bis die erhoffte Zugabe in Form des 2. Satzes aus Felix Mendelssohn-Bartholdys Klaviertrio Nr.1d-Moll op. 49 gewährt wurde.
Text: www.leonardwuest.ch
Fotos: www.tonhalle-orchester.ch
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