Automatisierte Bankenaufsicht in Echtzeit: Drei Hochschulen entwickeln digi- tale Infrastruktur für Finanzindustrie

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Nach der Finanzkrise 2008 wurden neue Regeln zum Schutz des Bankensystems geschaffen,
doch sind die Instrumente in ihrer technischen Struktur noch immer uneinheitlich, zeitintensiv
und nicht effizient. Das BRIDGEProjekt DaDiFR3 (Data Driven Financial Risk and Regulatory
Reporting) unter Beteiligung der ZHAW School of Engineering, der Hochschule Luzern und der
Universität Zürich entwickelt eine digitale Infrastruktur, die eine automatisierte EchtzeitÜber-
prüfung von Finanzinstituten und märkten ermöglichen soll.

Bei der Digitalisierung hinkt die Finanzindustrie der Realwirtschaft noch immer in vielen Bereichen hinterher. Das Meldewesen, über das Banken an staatliche Aufsichtsbehörden regelmässig berichten müssen, ist hoch komplex, uneinheitlich und die Aussagekraft der angeforderten Stresstests ist oft gering, da deren Bewertung oft Wochen oder gar Monate in Anspruch nimmt. Zusätzlich verursachen die Regeln, die nach der Finanzkrise 2008 verschärft wurden, hohe Zusatzkosten bei den Banken bei ein-
geschränktem Nutzen.
Das liegt vor allem daran, dass den verschärften Regularien, die eine erneute BeinahKernschmelze des weltweiten Finanzsystems verhindern sollen, noch immer veraltete technische Strukturen zugrunde liegen. «Jede Bank hat ihre eigenen Datenformate, ihre eigene Infrastruktur und Systematik», erklärt Projektleiter Wolfgang Breymann vom ZHAWInstitut für Datenanalyse und Prozessdesign (IDP). Dadurch werden die Automatisierung der Analyse und eine effektive Vergleichbarkeit der Risikoanalysen durch Finanzaufsichten unmöglich. An diesem Punkt setzt das Projekt DaDFiR3 (Data Dri-
ven Financial Risk and Regulatory Reporting) unter der Führung der ZHAW School of Engineering an.

Eine Wettervorhersage für den Finanzmarkt
Die Projektpartner, bestehend aus Wolfgang Breymann, Tim Weingärtner vom Departement Informatik der Hochschule Luzern und Walter Farkas vom Institut für Banking und Finance der Universität Zürich haben sich das Ziel gesetzt, eine digitale Infrastruktur zu entwickeln, die die Risikobewertung und die FinanzAnalyse von Banken und Finanzmärkten vereinheitlicht, den Prozess automatisiert und damit deutlich beschleunigt und ausserdem die Kosten senkt. Gleichzeitig sollen auch neue, dezentrale Finanzinstrumente (DeFi) mit einbezogen werden. Mithilfe von Big DataTechnologie, BlockchainTechnologie und Smart Contracts soll eine algorithmische Infrastruktur geschaffen werden, die es er-
möglicht, automatisierte BankenReports in Echtzeit zu erstellen. «Man kann sich das System wie eine Wettervorhersage für den Finanzmarkt vorstellen», bringt Wolfgang Breymann das Projekt auf den Punkt. Ausgangspunkt dafür sind Finanzkontrakte, die «Atome der Finanzwirtschaft», wie Breymann sie beschreibt. Diese Atome sehen aber in ihrem Aufbau bislang bei jedem Finanzinstitut anders aus, lassen sich aber technisch vereinheitlichen. Grundlage dafür ist der
algorithmische Datenstandard für Finanzkontrakte ACTUS, der bereits seit 2012 von einem internationalen Team unter führender Beteiligung der Forschungsgruppe von Wolfgang Breymann entwickelt wurde. Mithilfe dieses
Standards lassen sich sämtliche Typen von Finanzverträgen nicht nur in ein vereinheitlichtes digitales Format übertragen, sondern auch Risikoprofile desselben erstellen. Basierend auf einem Algorithmus, der Risikofaktoren wie etwa Zinssätze und Wechselkurse mit einbezieht, können die zukünftigen Cashflows des Finanzvertrags berechnet und analysiert werden. Ausgehend von den einzelnen Verträgen ist damit eine Risikobewertung einzelner Banken aber auch des gesamten Finanzsystems möglich. Für die einzelnen Finanzinstitute werden dadurch umständliche Prozesse abgekürzt und Kosten reduziert.

Das Projekt wird vom gemeinsamen Förderprogramm BRIDGE des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) und der Innosuisse mit 1,5 Millionen Franken gefördert. Um eine wirkungsvolle Implementierung des Projekts zu gewährleisten, hat das Projektteam mehrere Unternehmen als Umsetzungspartner gewinnen können, insbesondere Regnology (ehemals BearingPoint RegTech), einen derführenden Anbieter von Risiko- und Regulierungs-Technologien für Banken und Finanzaufsichtsbehörden weltweit.


Pfeiler eines neuen Finanz-Ökosystems
Die Projektlaufzeit ist auf 48 Monate ausgelegt. «Statistisch gesehen, kommt es alle zehn Jahre zu einer Finanzkrise. Wenn wir bis zur nächsten Krise unsere entwickelte Infrastruktur fertiggestellt haben, können wir uns glücklich schätzen», sagt Breymann zu den zeitlichen Ambitionen des Projekts.
Zwar seien Banken noch immer vorsichtig, was die Herausgabe von Daten betrifft und Aufsichtsbehörden neigten zur Zurückhaltung, doch komme die Branche an einem Kulturwandel im Regulierungsbereich nicht vorbei, sagt Breymann voraus. «Das DaDFiR3-Projekt kann ein erster Pfeiler in einem
neuen Finanz-Ökosystem werden», so der Professor für Finanzmathematik. Dafür muss jedoch die Politik die notwendige Handreichung geben. Auf lange Sicht führt das Projekt demnach nicht nur zu Senkungen der operativen Kosten bei Finanzinstituten und einer effizienteren Bankenaufsicht, sondern sorgt auch für Transparenz und dadurch für mehr Stabilität im Finanzsystem, wovon nicht zuletzt die gesamte Gesellschaft profitiert.

Über die ZHAW School of Engineering


Die School of Engineering ist eines der acht Departemente der ZHAW Zürcher Hochschule
für Angewandte Wissenschaften. Mit 14 Instituten und Zentren gehört die ZHAW School of
Engineering zu den führenden technischen Bildungs- und Forschungsinstitutionen in der
Schweiz. Sie garantiert qualitativ hochstehende Aus- und Weiterbildung und liefert der Wirt-
schaft innovative Lösungsansätze mit Schwerpunkt in den Themen Energie, Mobilität, Infor-
mation und Gesundheit.[content_block id=45503 slug=unterstuetzen-sie-dieses-unabhaengige-onlineportal-mit-einem-ihnen-angesemmen-erscheinenden-beitrag]