Besetzung:
Paolo Conte, vocals/piano – Nunzio Barbieri, guitar – Luca Enipeo, guitar – Daniele Dall’Omo, guitar – Lucio Caliendo, oboe/keys – Claudio Chiara, sax/flute – Luca Velotti, sax/clarinet – Massimo Pizianti, accordeon/piano- Piergiorgio Rosso, violin – Jino Touche, bass – Daniele Di Gregorio, drums/marimba
Nach viermaliger Corona bedingter Verschiebung kam das Konzert der italienischen Cantautori Legende endlich doch noch zustande. Es könnte doch eine, wenn nicht gar die letzte Tournee des doch schon 85jährigen norditalienischen Weltstars sein (* 6. Januar 1937 in Asti).
Allgemeines zum italienischen Musiker
“Die barsche Raucherstimme, ein Klavierstil, der in einer Honky-Tonk-Bar genauso zu Hause zu sein scheint wie in einem Tango-Palast oder einem Broadway-Cabaret, und die Weltanschauung eines wettergegerbten Romantikers haben Paolo Conte in Italien zu einem bestens bekannten Songwriter gemacht,” hieß es vor ein paar Jahren in der New York Times. Doch die Popularität Contes reicht schon seit Jahrzehnten weit über die Grenzen Italiens hinaus. Auch im Rest Europas besitzt sein Name eine unglaubliche Zugkraft, was sich auch an diesem Abend in der Dübendorfer «The Hall» ( die frühere Samsung Hall)zeigte, die proppenvoll war, besetzt von einem, altersmässig sich eher demjenigen Contes annähernden Publikum.
Späte Lancierung der Karriere als Sänger
Seine Berufslaufbahn begann Conte in der Kanzlei des Vaters, die er nach dessen frühem Tod übernahm. Neben seiner juristischen Arbeit spielte er eine Zeit lang als Vibrafonist in verschiedenen Jazz-Bands. 1962 erschien das Album „The Italian Way of Swing“ des Paolo Conte Quartetts, in dem auch sein Bruder Giorgio mitwirkte. Bald fing er an, eigene Titel zu komponieren und zu texten. Für Adriano Celentano schrieb er den Super-Hit „Azzurro».
Seine lässige, mitunter fast müde wirkende Stimme, die nonchalant auf dem Hochseil der Melodien balanciert, poetische Fragmente von kurzen Begegnungen, plötzlichen Begeisterungsmomenten und nostalgischen Erinnerungen erzählt, zieht jeden und jede in seinen Bann, erstaunlich eigentlich, dass er erst nur für andere komponierte, Beispiele: “La coppia più bella del mondo” und “Azzurro” etwa durch Adriano Celentano, “Insieme a te non ci sto più” durch Caterina Caselli, “Tripoli ‘69” durch Patty Pravo, “Messico e nuvole” durch Enzo Jannacci sowie “Genova per noi” und “Onda su onda” durch Bruno Lauzi.
Doktor iuris und Vibraphonist
Erst 1974, mit seinem Doppelalbum «Paolo Conto» lancierte er seine Karriere als Sänger, er, der nach Abschluss der Schule erst einmal eine andere Laufbahn einschlägt: er schließt ein Jurastudium mit einer Doktorarbeit ab und praktiziert einige Jahre lang als Rechtsanwalt. Nebenher spielt er aber auch Vibraphon in lokalen Bands, mit denen er gelegentlich auf Tournee geht. 1960 belegt er bei einem Jazzwettbewerb in Oslo den dritten Platz. Unter dem Namen Paul (sic!) Conte Quartet nimmt er 1962 eine erste Jazz-EP für RCA auf, die allerdings keine große Resonanz findet.
Das breite musikalische Schaffen von Paolo Conte wird ergänzt durch sein malerisches und grafisches Werk, das sich an der klassischen Moderne orientiert. Aufgrund seines Liedes „Genova per noi“ ist er Ehrenbürger von Genua.
Conte kreiert akustische Gemälde
Conte zelebriert Musik, nie sich selbst. In seiner unnachahmlichen poetischen Art sind seine Lieder einzigartige akustische Gemälde
It’s wonderful
Es ist, und war nie, das typisch südländische Temperament, das diesen aussergewöhnlichen Künstler ausmacht, im Gegenteil: die Magie liegt in seiner, nach aussen gestülpten Introvertiertheit, der melancholischen, aber nicht traurigen Besinnlichkeit, seinen oft bittersüssen, mal selbstironischen Texten. Er strahlt eine Ruhe aus, die ihn, so scheint es, über dem Alltäglichen stehen lässt.
Der temperamentvolle Max
Er kann schon auch temperamentvoll, seine Mitmusiker mit Gesten , nach vorne treibend dann auch als Scat Sänger intonierend ( Scatgesang meint mit seiner Stimme Instrumente imitieren, eine im Jazz oft angewandte Technik, die der Italiener meisterhaft beherrscht.)
Blu Tangos
Eines der zahlreichen Highlights dieses Konzertes, während dessen Intonierung Paolo Conte seinen Mitmusikern ausreichend Zeit liess, ein paar virtuose Soli einzustreuen.
Für mich erstaunlich, dass Massimo Pitzianti für die blauen Tangos nicht das Bandoneon, sondern das Akkordeon benutzte.
Ausser der Cellistin, dem Kontrabassisten, dem Violonisten und zwei der drei Gitarristen brillierten alle andern Bandmitglieder als Multiinstrumentalisten. So spielte Gitarrist Daniele Dall’Omo noch die Mandoline und, selten in einer Jazzcombo, auch noch die portugiesische Gitarre ( das weltweit am härtesten gespannte Saiteninstrument überhaupt).
Massimo Pitzianti spielte gar Akkordeon, Bandoneon, Klarinette, Baritonsaxophon, und Sopransaxophon. Luca Velotti präsentierte sich mit Sopransaxophon, Tenorsaxophon und Klarinette, Daniele Di Gregorio beherrschte Schlagzeug, Perkussion und das Holzxylophon meisterlich usw.
Besonders hervortun konnten sich, als Primus inter pares, Akkordeonist Massimo Pitzianti und Violinist Piergiorgio Rosso die exzellente Solosequenzen darboten und dafür mit entsprechendem Szenenapplaus, mit dem das Publikum das ganze Konzert hindurch nicht geizte, belohnt wurden.
Konzert ohne seine Megahits
Conte liess seine grossen «Knaller», wie zum Beispiel «Azzurro» und «Gelato al limon» links liegen, präsentierte, mit ein paar Ausnahmen, wie L’orchestrina, eher Canzoni neueren Datums. Aber wie der Altmeister und seine kongenialen Mitmusiker*innen dies taten, war schlicht und einfach überragend.
Trotz stürmischem, nicht enden wollenden Applaus und einer «Standing Ovation» gewährte Paolo Conte keine Zugabe, was das Auditorium mit Erstaunen, gemischt mit einer gewissen Enttäuschung akzeptieren musste. Das kann aber den Gesamteindruck, die Freude an dieser grandiosen Darbietung nur minimal schmälern.
Text: www.leonardwuest.ch
Fotos: Kurt Schäfer und www.allblues.ch
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