Luzerner Theater, verWANDLUNGEN,Choreografien von Erion Kruja und KOR’SIA,Premiere 12.03.22 besucht von Gabriela Bucher – Liechti

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verWANDLUNGEN_The Wanderers von Erion Kruja_Luzerner Theater_Foto Ingo Hoehn_Eine Produktion der Compagnie Affenherz

Produktionsteam:
Musikalische Leitung: Alexander Sinan Binder
Choreografie: KOR’SIA , Erion Kruja
Bühne und Kostüme: Sascha Thomsen , Erion Kruja
Licht: Sascha Thomsen , Erion Kruja
Besetzung:
TanzLuzern: Carlos Kerr Jr. , Dario Dinuzzi , Valeria Marangelli , Lisa Gareis , Phoebe Jewitt , Igli Mezini , Flavio Quisisana , Mathilde Gilhet , Mathew Prichard , Gabriele Rolle , Marija Burceva , Marta Llopis Mollá , Isabel Kooring Luzerner Sinfonieorchester

TanzLuzern widmet sich in seiner neusten Produktion mit zwei choreografischen Uraufführungen den  sehr aktuellen Themen Wandel, Veränderungen, Neuerungen, Verwandlungen.

verWANDLUNGEN_Lucid Dream von KORSIA_Luzerner Theater_Foto Ingo HoehnEine Produktion der Compagnie Affenherz

Eine erste «Verwandlung» ergab sich bereits bei den Choreograf*innen: Die ursprünglich eingeladene Chinesin Yabin Wang entschied sich gegen eine Reise in die Schweiz, da sie nach ihrer Rückkehr vier Wochen strengste Isolation hätte auf sich nehmen müssen. KOR’SIA – die Italiener Mattia Russo und Antonio de Rosa – konnten kurzfristig einspringen und zeigten sich vom vorgesehenen Thema angesprochen. Sie und der Albaner Erion Kruja erarbeiteten für diesen Abend zwei unterschiedlichste Choreografien, die in ihrer Einzigartigkeit begeisterten.

Futuristische Kreaturen

verWANDLUNGEN_Lucid Dream von KORSIA_Luzerner Theater_Foto Ingo HoehnEine Produktion der Compagnie Affenherz

In KOR’SIAs «Lucid Dream» bewegen sich die Tänzer*innen zum grössten Teil in einem sehr dunkel gehaltenen Raum. Erst gegen Schluss entpuppt dieser sich als ein mit violettem Teppich ausgelegtes Halbrund. Die Tänzer*innen sind identisch gekleidet: Kurze, silberne Hosen und Jacken, schwarze Kniestrümpfe, alle mit derselben steifen Kurzhaarperücke. Das erinnert an Ausserirdische, an futuristische Kreaturen, teilweise aber auch an Insekten. Langsam schälen sie sich aus dem Nebel zu Vogelgezwitscher, dem «Adagio for Strings» von Samuel Barber und der Stimme von Patricia Rezai, die einen Meditationstext rezitiert. Sie scheinen diverse Bewegungen auszuprobieren, zu prüfen, wohin diese führen könnten, was sich daraus machen lassen würde, denn so richtig fertig ausgeführt werden sie nicht. Meist werden sie aufgelöst, bevor sie richtig entstanden sind, gehen über in andere Posen, Beine verschlingen sich, heben sich gegenseitig an, Füsse berühren Gesichter, Hände berühren Füsse, man stürzt kunstvoll vornüber, seitlich, rückwärts, findet sich um gleich wieder wegzubrechen. Im letzten Teil marschieren alle in Formation über die Bühne, zielstrebig und doch irgendwie ziellos, kreuz und quer, militärisch ausgerichtet. Das erinnert etwas an Schwarmintelligenz von Vögeln. Alles endet, wie, es begonnen hat, die Kreaturen liegen wieder auf dem Boden, wie verlassene Larven, dazu Vogelgezwitscher.

 

Familienfoto

verWANDLUNGEN_Lucid Dream von KORSIA_Luzerner Theater_Foto Ingo HoehnEine Produktion der Compagnie Affenherz

Bei Erion Kruja tauchen die Tänzer*innen in «The Wanderers» aus urzeitlichen Tiefen auf. Eine Horde nackter Primaten amüsiert sich auf der Bühne, stellt sich zur Schau, laust sich gegenseitig, sehr zum Vergnügen des Publikums. Dann realisieren die Geschöpfe, dass es auf der anderen Seite – im Zuschauerraum – ebenfalls Geschöpfe gibt. Ein eindrücklicher Moment, wer beobachtet wen, wer sitzt hinter und wer vor der Glasscheibe?

 

Im zweiten Teil des Stücks erscheinen die Tänzer*innen in hochgeschlossenen, weissen Blusen, schwarzen Röcken und Hosen, bewegen sich anmutig und höflich miteinander in schönen Tanzposen und formieren sich am Schluss zu einem adretten Schlussbild, als wollten sie diesen gelungenen Tag festhalten fürs Familienalbum. Zum Adagio von Mahler löst sich die heile Welt aber langsam wieder auf, die Kleider fliegen, auch in diesem Stück stehen die Tänzer*innen wieder da wie am Anfang, falten die ausgezogenen Hosen und Hemden zusammen und präsentieren sie leicht ratlos dem Publikum – Zivilisation in Form von Kleiderhäufchen?

 

Beide Produktionen leben von starken Bildern und sehr gekonnt eingesetzten Lichteffekten. Meist steht das ganze Ensemble auf der Bühne. Die Choreografien sind weniger ausgerichtet auf spektakuläre, schnelle Schrittfolgen als auf ausdrucksstarke und teilweise völlig neue, unerwartete Kombinationen. Das Ensemble TanzLuzern führt diese mit viel Leichtigkeit und Eindringlichkeit aus. Musikalisch begleiten Streicher des Luzerner Sinfonieorchesters unter der Leitung von Alexander Sinan Binder. Eine Produktion, die freudig überrascht mit ihrer Originalität in Bewegung und Ausdruck. Das Premierenpublikum zeigte sich begeistert.

 

Die Tänzer*innen von TanzLuzern liessen es sich nicht nehmen, am Ende des Abends ein Manifest gegen den Krieg in der Ukraine zu verlesen.

Text: www.gabrielabucher.ch

Fotos: Szenenfotos von Ingo Hoehn www.luzernertheater.ch

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