Ab wann eigentlich ist in der Schweiz Service im Gastgewerbe inbegriffen? Und wie steht es heute mit den «Übertrinkgeldern» neudeutsch: Over Tipps?
Vor Einführung «Service inbegriffen» im Jahre 1974 war die Verunsicherung in der Schweiz extrem gross. Sowohl beim Service-Personal als auch bei den Gästen. Es gab nämlich gar keine Regeln. Allmählich erhielt das Personal einen rechtlichen Anspruch auf zehn Prozent. Es sei oft entwürdigend gewesen, sagte eine Café-Angestellte damals der Presse, auf das Wohlwollen des Gastes angewiesen zu sein und gewissermassen als Bittsteller am Tisch zu stehen, bis das Trinkgeld ausgerechnet und bezahlt war.
Es war einmal
Auch wir haben diese Zeit erlebt. Als Angestellte und dann als Unternehmer. So verdiente ich zum Beispiel in den 1960iger Jahren als Kellner Praktikant 280 CHF pro Monat. Zusätzlich gab es aus der Trinkgeld Kasse (dieses musste man melden und abgeben, mit Datum versehen und von welchem Gast). Ein Verstoss gegen diese Regel konnte zur fristlosen Entlassung führen. Ende Monat wurde der ganze Betrag nach «Hierarchie» Punkten verteilt. Denn der «Maître» schaufelte ja weit mehr in das Kässeli als wir «Gangos».
Als wir 1967 selbständige Unternehmer wurden, herrschte ein föderalistisches Trinkgeld Chaos. Damals kostete ein Halbliter Epesses einen «Fünfliber» und ein «Füfzgi» war bereits ein fürstliches Trinkgeld. An den Wirte-Versammlungen ging es zu und her wie in Gotthelfs Chäserei in der Vehfreude . Ein Sündenfall sei es «Service inbegriffen» einzuführen. Man könne doch nicht den Gästen, ohne zu fragen, das Trinkgeld auf die Rechnung «tätschen». Man werde dann schon sehen, wie die Leistungen wie, aus dem Mantel helfen, oder an den Platz begleiten und freundlich lächeln bald einmal der Vergangenheit angehören täten. Die Luft im Versammlungs Säli war ob des von Villiger gesponserten Stumpen Rauches zum Abstechen dick. Nicht einmal das offerierte Zvieri Plättli und der kühlende Wein vermochten die erhitzten Gemüter abzukühlen.
Endlich Einigung in Sicht
Nun 1974 einigten sich der Wirte Verband, der Hotelier-Verein, die Organisation der alkoholfreien Betriebe mit der Gewerkschaft der Hotel- und Restaurant-Angestellten (Union Helvetia) darauf, «Service inbegriffen» einzuführen. Im Vertag stand aber auch «Dem Bedienungspersonal ist es untersagt, auf zusätzliche Bediengelder «auszugehen.»
Fazit: Es ist heute üblich, dass der «zufriedene» Gast aufrundet. Mit Betonung auf «zufriedener» Gast. Doch niemand ist verpflichtet dies zu tun. Schlechter Stil ist es, wenn sich der Gast bei mangelhaftem Service mit Kleinstbeträgen rächt: Dann sollte er lieber gar nichts geben. Ausserdem: «Man bestraft guten Service nicht mit Trinkgeld-Entzug wegen schlechter Küche». Durchaus stilvoll ist es, die gastgeberischen Leistungen auch verbal zu loben.
So lässt man die «Overtipps» bar auf dem Tisch liegen oder legt sie in die Mappe oder auf den Teller mit der Rechnung. Es sind meistens 5 – 10 % des Rechnungsbetrages. Bei Bezahlung mit Kreditkarte gebe ich zum Beispiel das Trinkgeld separat. Kommt die Küche zu kurz? In einem Betrieb, wo harmonischer Teamgeist gelebt wird, landen die «Overtipps» in einem separaten Kässeli. Entscheidet der Arbeitgeber über die Verteilung, braucht es aber die Zustimmung aller Mitarbeitenden. Somit kann sichergestellt werden, dass diese immer gleich und fair abläuft.
Trailer zum Schweizer Film „Service inbegriffe“
https://youtu.be/uVVfAlV3rwY?t=12
Text www.herberthuber.ch
Fotos: www.pixelio.de
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