Kulinarische Kalbereien serviert von Herbert Huber

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Rosa geschmorter Kalbsrücken

Der gute Ton ist rosarot und nicht (mehr) weiss – eine Geschichte um das Wohl des Kalbes.Als wir in den 70er-Jahren Gastgeber im «Goldenen Kreuz» in Gerzensee waren, wurden im prunkvollen «Louis- XVI-Saal» Hochzeiten gefeiert. Mit Kalbsrücken als Paradestück. Im Ofen klassisch auf den Punkt gebraten, mit herrlicher Kruste und innen leicht rosa.

Dry aged Kalbsrücken am Knochen gegart

Der das Bankett reservierende Brautvater meinte“ Gälled Herr Huber das Kalbfleisch muss dann so weiss sein wie das Brautkleid! Jahrelang mussten dann sogar Züchter von rotem Kalbfleisch „Bussen“ bezahlen – heute sei es umgekehrt, liess ich mir sagen.

 

 

Weisses oder rosa Kalbfleisch – nicht nur eine ästethische Frage

Dünne Scheiben vom rosa gegarten Kalbsrücken mit Radieschen und Schnittlauch-Senf-Dressing

Meine Generation hatte im kulinarischen Gedächtnis fest verankert: Kalbfleisch ist weiss, muss weiss sein. Nicht rosa und schon gar nicht rot. Denn das rote Fleisch – so lernten wir noch in der Fachschule – sei von sogenannten Fressern. Nur Fleisch von mit Milch und Milchprodukten aufgezogenen Kälbern galt als gut.

Und noch heute sagen mir viele Metzger, dass ein grosser Teil der Kundschaft ausschliesslich weisses Kalbfleisch wünsche. Der (Irr-)Glaube, helles Kalbfleisch sei besonders edel, hält sich also hartnäckig.  Was ich selbst lange Zeit nicht wusste: Die weisse Farbe kann die Folge einer nicht artgerechten Haltung sein und ist vor allem der Fütterung zuzuschreiben. Und oft sogar zusätzlich verabreichten Hormonen. Kälber benötigen in ihrem ohnehin kurzen Leben aus tierschützerischer Sicht viel, sehr viel Wasser und zusätzlich Raufutter (z. B. Heu, Gras). Dies alles dient zur Produktion des nötigen Eisens im Blut. Genau diese rücksichtsvolle Fütterung aber hat rötlicheres Fleisch zur Folge. Wie reagieren Konsumenten darauf?

Rosa gebratener Kalbsrücken mit aromatischer Kräutersauce auf Bohnenbeet und gratinierter Kartoffel

In der Schweiz ist 2021 der durchschnittliche Verbrauch von Rindfleisch leicht gestiegen, während der Pro-Kopf-Verbrauch von Kalbfleisch etwas abgenommen hat. Das wird aus Sicht der Schweizer Fleischwirtschaft auch so bleiben.

So ist eine Aufklärung über rotes und weisses Kalbfleisch meiner Ansicht nach sinnvoll, denn es besteht die Gefahr, dass weisses Kalbfleisch künftig einfach vermehrt importiert werden könnte.

Unser Nidwaldner Hausmetzger in Wolfenschiessen allerdings kennt Bauern, welche Ihre Kälber artgerecht füttern und weisses Kalbfleisch produzieren.

Die Degustation schafft Klarheit – sorgt aber auch für Verwirrungen 

Kalbsrücken mit Rosmarin-Senfkruste

Zurück zum „rötlichen“ Kalbfleisch? Wie schmeckt das? Ich habe die Probe aufs Exempel gemacht und «Natura Veal» also vom Weidekalb gegessen. Es war herrlich zart und auch optisch perfekt. Sogar kräftiger im Geschmack. In den Farbnuancen allerdings liegt schon eine Krux: Wird das Kalbfleisch so rot sein wie rotes junges Rindfleisch, wird das an den Metzgereitheken sicher zu Diskussionen fuhren, ebenso in der Beiz mit dem oft ohnehin schon überforderten Personal. Und ein Spezialist für das „originale“ Wienerschnitzel mit Kalbfleisch, meint: Wenn in meinem Restaurant dunkles Fleisch unter der Panade ist, glaubt kein Gast, dass das Kalbfleisch ist“.

Also gilt: beim nächsten Einkauf beim Hausmetzger oder Grossverteiler nachfragen. Wichtig allerdings ist: Auch rosarotes Kalbfleisch muss gut abgehangen (gelagert) sein. Für ein Voressen empfehle ich die Schulterstücke, für Schnitzel den Stotzen oder das Nüssli. Edelstücke bleiben nach wie vor – Filet, Rücken und Koteletten.

Text www.herberthuber.ch

Fotos: www.pixelio.de

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Kalbsrücken vom Grill knusprig gebraten

Rosa gebratenes Kalbsrückensteak

Kalbfleisch und wo es zu finden ist beim Tier

Kalbsrücken mit Kräuterkruste auf Spargel mit Schnittlauchsauce