Mit Mondes flottants und der Weltpremiere von Ukiyo-e präsentieren Sidi Larbi Cherkaoui und das Ballett
des Grand Théâtre de Genève die wichtigste Tanzproduktion der Saison
Innere Widerstandskraft, die Narben einer Sturzverletzung oder Höhenschwindel zelebriert – das ist das Thema von Mondes flottants, einer Doppelproduktion
mit den Tanzstücken Skid von Damien Jalet und Ukiyo-e von Sidi Larbi Cherkaoui, der seit Beginn der Spielzeit 2022/23 das Ballett des Grand Théâtre de Genève leitet. Skid entstand 2017 für die GöteborgsOperans Danskompani, während Ukiyo-e jetzt seine Uraufführung erlebt. Beide Choreographen interpretieren hier Resilienz,
sie spielen mit Kräften, die der Erdanziehungskraft nachgeben oder ihr widerstehen. Manchmal erheben sich unsere fragilen Existenzen mit diesen Kräften, oftmals werden wir durch sie zu Fall gebracht.
Bei Damien Jalet unterliegt die Resilienz einer Schwingung zwischen der Vertikalität und der Horizontalität. Skid wird auf einer um 34 Grad gekippten Plattform aufgeführt, inspiriert durch die Erdbeschleunigung von 9,8 m/s². Der verwinkelte Raum hat nur zwei Eingänge: oben und unten. Die Tänzerinnen und Tänzer
ziehen Linien einer physischen Handlung, die sich zwischen dem Erscheinen und dem Verschwinden abspielt. Die Schräge in Skid wirkt episch, gefährlich, witzig
und anrührend, sie löst eine Kettenreaktion physischer und emotionaler Ereignisse aus. Die körperliche Beziehung zu den anderen bietet oft den einzigen Halt,
ohne den man ins Leere stürzen würde.
Nach Ansicht von Sidi Larbi Cherkaoui entspringt Resilienz einer tiefen Meditation. Sein neues Stück Ukiyo-e ist benannt nach den « Bildern einer fliessenden Welt », einer berühmten Künstlerbewegung, die im Japan der Edo-Zeit in hedonistischen urbanen Halbwelten in Erscheinung trat. Das Stück setzt einen Arbeitsprozess in Gang, der angesichts von Unbeständigkeit ein Gleichgewicht herstellen soll. Sidi Larbi Cherkaoui zeigt uns Körper, die nicht an einer Bruchstelle oder einer Grenze enden. Letztere sieht er als Aufwertung unserer Person, nach dem Vorbild der japanischen Kintsugi-Technik, nach der zerbrochenes Porzellan mit Goldlack zusammengefügt wird.
Das Bühnenbild von Alexander Dodge besteht aus einem Gewirr von Treppen, auf denen sich die Tänzerinnen und Tänzer verlaufen. Diese mobilen, labyrinthischen Strukturen symbolisieren zugleich einen Aufstieg und einen Abgrund. Auf den aufeinander folgenden Stufen sollen sich die Körper miteinander verbinden, in einen Dialog treten und sich gegenseitig kontaminieren.
Die Performance wird auf der Bühne von neuen Kompositionen von Szymon Brzóska für Streichtrio und Klavier sowie rhythmisch-perkussiven und elektronischen Klangkreationen von Alexandre Dai Castaing begleitet. In Ukiyo-e treten diese Welten in Resonanz mit dem Streben nach Regeneration und Transzendenz, das vom Ballett verkörpert wird.
Grand Théâtre de Genève: Les Mondes flottants
Premiere: 19.11.2022, 20:00 Uhr
Weitere Vorstellungen: 20.11.2022, 15.00 Uhr