Luzerner Theater Dancing Voices, besucht von Gabriela Bucher – Liechti

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Dancing Voices.Szenenfoto

Produktionsteam und Besetzung
Konzept, Texte und Choreografie: Tom Weinberger
Bühne: Caro Stark
Kostüme: Silvia Romanelli
Licht: Petri Tuhkanen
Choreografische Assistenz: Vittorio Bertolli
Dramaturgie: Wanda Puvogel
TanzLuzern: Valeria Marangelli, Phoebe Jewitt, Igli Mezini, Flavio Quisisana, Mathew Prichard, Giulia Esposito, Gádor Lago Benito, Andrea Lippolis, Zhiyelun Qi, Tanaka Roki, Grazia Scarpato, Hanna Hughes

Die französische Choreografin Marion Zurbach und der israelische Choreograf Tom Weinberger präsentieren in «Dancing Voices» am Luzerner Theater zwei sehr unterschiedliche Stücke. Dabei beziehen sie die Stimmen der Tänzer*innen mit ein, beide auf ihre eigene Weise.

Aye Aye Captain_Tom Weinberger_Dancing Voices_Luzerner Theater_Foto Ingo Hoehn

Der blau-graue Bühnenraum hat etwas Mystisches, macht neugierig, er hebt sich leicht an gegen hinten und geht in die Tiefe des Theaters, eine runde Schiffsluke rechts, zwei halboffene Türen hinten und links, durch die Licht hereinkommt. Vorne am Bühnenrand zehn Mikrofone, stramm aufgereiht. Spätestens jetzt wird klar, dies wird ein besonderer Abend.

 

Chaos im Kopf

Aye Aye Captain_Tom Weinberger_Dancing Voices_Luzerner Theater_Foto Ingo Hoehn

Viel Tanz gibt es nicht im ersten Stück von Tom Weinberger «Aye aye captain». Matthew Prichard spielt darin den «Host» im weissen Anzug, immerzu lächelnd, überfreundlich, gespielt glücklich. Er macht das ausgezeichnet, keine Frage, trotzdem ist es etwas befremdlich, ihn mehr reden zu hören als tanzen zu sehen. Was hinter und neben ihm auf der Bühne abläuft, stellt sein Chaos im Kopf dar, seine Gefühlswelt. Seine Stimmen im Kopf werden personifiziert auf die Bühne gebracht, sie mischen sich stetig ein, werfen sich danach gegen Wände, rennen durch Türen, oder versuchen es, winden sich am Boden. Die Regisseurin (Hanna Hughes) sitzt oben auf der Bühnenwand und gibt Anweisungen, was zu passieren hat.

Aye Aye Captain_Tom Weinberger_Dancing Voices_Luzerner Theater_Foto Ingo Hoehn

Dem mehrheitlich älteren Publikum wird mit diesem Stück einiges abverlangt, was, wie sich in der Pause zeigt, nicht alle bereit sind zu geben. Kein Ballett sei das, war die vorherrschende Kritik und man wolle sich nicht so viel erklären lassen müssen sondern einfach Tanz geniessen.

 

 

Zwischen Faszination und Irritation

Reef_Marion Zurbach_Dancing Voices_Luzerner Theater_Foto Ingo Hoehn.

Das Stück «Reef» von Marion Zurbach liess etwas mehr Bewegung zu. Sie hatte ihm Vorfeld mit den Stimmen der Tänzer*innen gearbeitet und einen Klangteppich für das Stück geschaffen. Die Bühne ist nun in ein warmes Braun-Gelb getüncht, im hinteren Teil aufgehäufte Tücher, die an Sandsäcke erinnern. Die Tänzer*innen erscheinen kriechend aus den Ecken, eingehüllt in grosse, schlafsackartige Umhänge in Brauntönen, alle in denselben Trikots und mit langen Mähnen. Sie suchen sich, beschnüffeln sich, schauen, welche Bewegungen möglich sind und was diese hergeben. Das hat etwas Faszinierendes, die Szene im Dunkel mit den staunenden, rotfunkelnden Augenpaaren, die nach und nach in einem Loch verschwinden, ist witzig, die Disko-Szene irgendwie etwas deprimierend und seltsam. Neben dem erwähnten Klangteppich stossen die Tänzer*innen Töne aus wie Gockel oder Pfauen, das wiederum irritiert, aber es sollen ja auch fiktive, merkwürdig anmutende Einzelwesen sein.

Reef_Marion Zurbach_Dancing Voices_Luzerner Theater_Foto Ingo Hoehn.

Auch nach diesem Stück bleibt man leicht ratlos zurück. Das liegt in keiner Weise am Ensemble, das eine unglaubliche Leistung hinlegt. Nicht nur Schrittabfolgen müssen perfekt sitzen, sondern auch die Texte und nicht einmal kommt das Gefühl auf, dass sich die Tänzer*innen auf der Bühne in ihren Rollen nicht wohl fühlen. Auch Bühne und Kostüme sind ansprechend. Es liegt eher an der Bereitschaft – oder Nicht-Bereitschaft – des mehrheitlich älteren Publikums, sich auf Experimente und Neues einzulassen. Ein Tanzabend war es nicht wirklich, aber auch nicht Theater, eine Mischform eben und «extrem spannend, den Tanz hin zu den anderen Kunstformen zu öffnen», wie Tanzdirektorin und künstlerische Leiterin Tanz Wanda Puvogel erklärte.

Reef_Marion Zurbach_Dancing Voices_Luzerner Theater_Foto Ingo Hoehn.

Veränderungen und Neues haben es immer schwer und es zeugt von einem gewissen Mut, einen solchen Abend zu planen. Zwei junge Tänzer im Publikum fanden die Produktionen spannend, faszinierend und amüsant, endlich einmal etwas Neues, Anderes und sie könnten sich durchaus vorstellen, selber in so einem Stück mitzuwirken.

Ob sich auch das Publikum mit der Zeit an solche Experimente gewöhnt?

Text: www.gabrielabucher.ch

Fotos: Szenenfotos von Ingo Hoehn www.luzernertheater.ch

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Dancing Voices Szenenfoto von Ingo Hoehn

Dancing Voices Szenenfoto von Ingo Hoehn

Dancing Voices Szenenfoto von Ingo Hoehn

Dancing Voices Szenenfoto von Ingo Hoehn

Dancing Voices Szenenfoto von Ingo Hoehn