Besetzung und Programm:
Bomsori – Violine
Daniel Dodds – Violine & Leitung
Festival Strings Lucerne
WOLFGANG AMADÉ MOZART: Sinfonie Nr. 25 g-Moll KV 183/173dB
FELIX MENDELSSOHN BARTHOLDY: Violinkonzert e-Moll op. 64
LUDWIG VAN BEETHOVEN: Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 55 «Eroica»
WOLFGANG AMADÉ MOZART: Sinfonie Nr. 25 g-Moll KV 183/173dB
Dieses Werk schrieb der damals 17-jährige Mozart im Oktober 1773, [kurz nach dem Erfolg seiner Opera seria «Lucio Silla» . So kommt sie denn auch jugendlich, frisch, ungestüm unbekümmert daher. Sie wurde angeblich am 5. Oktober, nur zwei Tage nach der Vollendung seiner Symphonie Nr. 24 , in Salzburg vollendet , obwohl dies unbegründet bleibt. Sein erster Satz wurde als Eröffnungsmusik in Miloš Formans Filmbiographie «Amadeus» verwendet .
Da hatten die «Strings» wieder einen perfekten Auftakt ins Konzert gewählt, zumal man ja vom Programm her wusste, dass später etwas beschaulichere Werke kommen würden.
Daniel Dodds leitet, wie fast immer, im Sitzen
Den markanten, ohrwurmartigen Kopfsatz der wohl selbst den meisten Laien etwas sagen würde, packte Daniel Dodds, wie fast immer sitzend an, trieb seine Mitmusiker*innen zupackend rasant vorwärts, im Gegensatz dazu kommen später die schwelgerischen Oboen Soli bestens zur Geltung, bevor es wieder stürmisch spielerisch vorwärts geht.
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Mozart ausnahmsweise mal in Moll
Mozarts Ideen-Reichtum brachte eben auch Einfälle und Stimmungen in Moll hervor und nur weil Mozarts Musik im Allgemeinen als fröhlich, leicht und heiter charakterisiert wird, bedeutet das nicht im Umkehrschluss, dass alle Moll Werke besonders persönlich wären oder viel bedeutsamer seien. Sie fallen ob ihrer Seltenheit in erster Linie schlicht mehr auf.
Auffällig schöne, ausgeprägte Oboen Sequenzen
Die Oboe spielt mit ganzen Noten den Kopf vom ersten Thema, unterlegt von ruhiger Streicherbegleitung. Diese Ruhepassage wird jedoch durch dramatische Einwürfe des ganzen Orchesters im Unisono-Tremolo unterbrochen.
Die Reprise ist ähnlich der Exposition strukturiert. Nach der Wiederholung von Durchführung und Reprise beendet Mozart den Satz mit einer Coda. Diese fängt zunächst als imitatorisch gearbeitete Variante des ersten Themas an, spinnt das Motiv mit seinen Synkopen dann aber fort und schließt den Satz „düster und grossartig» im Tremolo der Violinen über dem ausformulierten g-Moll Dreiklang im Bass.
Die «Strings» brillieren wie immer mit ihrer ausgeprägten Spielfreude, die einen unweigerlich mitreisst und so dürften die Ausführenden denn auch einen stürmischen Applaus ernten
Felix Mendelssohn Bartholdy Violinkonzert e-Moll Bomsori Kim, Violine
„Klang des Frühlings“ bedeutet ihr, selbst im Korea seltener Name, vom Grossvater so gewünscht, obwohl sie ja eigentlich im Winter, am 13. Dezember 1989, geboren ist. Dafür ist ihr Nachname Kim in ihrem Heimatland in etwa so geläufig wie bei uns Meier oder Müller.
In Süd-Korea ein wahrhaftiger Superstar, ist sie auf bestem Weg, dies auch weltweit zu werden. Die in Daegu geborene Künstlern spielt, dank der Unterstützung der Kumho Asiana Cultural Foundation, derzeit auf einer Violine von Johannes Baptista Guadagnini aus dem Jahr 1774.
Ihre außerordentliche technische Meisterschaft ermöglicht es ihr, jede Nuance auszudrücken – ob im großen dramatischen Ausbruch oder im feinsten lyrischen Detail, ihr Spiel hat etwas zutiefst Persönliches und die Kraft, die Hörer zu berühren.
Mit Virtuosität, Präsenz, Klarheit und einem warmen, fülligen Geigenton ist Bomsori eine agile Gestalterin des Moments.
Von der äußeren Form folgt das frühe Violinkonzert dem typischen Erscheinungsbild des Solokonzerts: schnelle Ecksätze und ein kantabler Mittelsatz. Es handelt sich bei dieser dreisätzigen Anlage um einen festen Gattungstypus, der im Wesentlichen auf die zu Beginn des 18. Jahrhunderts entstandenen Solokonzerte von Antonio Vivaldi zurückzuführen ist. Bemerkenswert ist im ersten Satz die auffällige Folge von Tutti- und Solopassagen, die auf die in der Barockmusik verbreitete Ritornell Form hinweist. Ein kontrastierendes Thema erscheint erst im ersten Solo der Violine, während es im eröffnenden Tutti fehlt. Alles in allem imponiert der Kopfsatz als „Synthese aus Sonatensatzform und barockem Ritornell Prinzip. Diese Bezugnahme auf ältere Konventionen ist geradezu typisch für Mendelssohn, vor dem Hintergrund dessen lebenslanger Beschäftigung mit dem Werk alter Meister. Die Werkentstehung war für Mendelssohn „mit ungeheurer Anstrengung verbunden und beanspruchte etwa sieben Jahre – 1838 – 1845 – von den ersten Anfängen bis zur Fertigstellung, Aufführung und Veröffentlichung“. Gekennzeichnet war dieser Prozess von zahllosen Überarbeitungen, die von erheblichen Selbstzweifeln begleitet wurden. Das Konzert ist während seiner Entstehung „häufiger Gesprächsgegenstand zwischen Mendelssohn und Ferdinand David [dem Solisten der Uraufführung] gewesen.“ Das Konzert folgt ebenfalls der dreisätzigen Anlage der Solokonzertform. Gegenüber dem frühen Violinkonzert befindet sich Mendelssohn hier auf der Höhe seiner Zeit, was am deutlichsten anhand des Kopfsatzes, der, mit Besonderheiten, der Sonatensatzform folgt, erkennbar ist. Diesem folgt ein kantabler zweiter Satz, während der dritte Satz, nach einer mäßig raschen Introduktion in e-Moll, wieder in einem raschen Tempo steht und ein Rondo bildet. Durch den Wechsel zu E-Dur nimmt das Rondo-Finale eine überaus heitere Grundstimmung an, in der das Konzert zu Ende geführt wird. Die junge Koreanerin intoniert flüssig, elegant und mit betörender Souplesse zu dem das Orchester, wie den ganzen Konzert Abend hindurch, den ausserordentlich meisterhaften musikalischen Klangteppich legt.
Das Spiel der Südkoreanerin war ebenso funkelnd, wie das silbrige Pailettenkleid, das sie an diesem Abend trug. Das Auditorium, beeindruckt und begeistert, würdigte die Leistung von Solistin und Orchester mit einer stehenden Ovation.
LUDWIG VAN BEETHOVEN: Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 55 «Eroica»
Neben den revolutionären Umständen der Zeit nach 1789, unter deren Eindruck die Sinfonie entstand, war es vor allem die Musik selbst, die wirklich bahnbrechend war. Nicht ohne Grund wird die „Eroica“ heute als der Grundstein der großen klassisch-romantischen Sinfonie-Gattung betrachtet. Alleine die Dimension der Komposition mit einer Aufführungsdauer von bis zu einer Stunde übertraf die Konventionen der Zeit um das Doppelte. Neu war zusätzlich die Ausführlichkeit des Kopfsatzes, die der Schlichtheit des erwähnten Trauermarsches im zweiten Satz kontrastierend entgegen stand. Auch die Kombination von Variation und der barocken Form des Fugato stellt ein absolutes Novum der Musikgeschichte dar.
Ihre Wirkung erzielt die „Eroica“ auch ohne ihren geplanten Beinamen, zudem wird sie heute zu den bedeutendsten Werken des Komponisten gezählt. Das fand auch Beethoven selbst, als er auf die Frage des österreichischen Dichters Christoph Kuffner, welche seiner Sinfonien er für seine bedeutendste halte, antwortete: „Die Eroica.“
Dass es nicht unbedingt ein anzahlmässiges Riesenorchester braucht, um die «Eroica» würdig und kompakt auf die Bühne zu bringen, demonstrierten die «Strings» eindrücklich.
Zwei Akkorde wie geballte Fäuste!! Dann sofort – tief und leise (wie hinter vorgehaltener Hand) – das Hauptthema in den Violoncelli; in den Violinen die Reaktion darauf: ein Aufleuchten in den Augen – was für eine Idee! Nun gilt es Mut und Kraft, sie zu verwirklichen…wovon die Rede ist? Von der Idee der Freiheit! Die Eroica ist die erste politische – oder philosophisch gesagt: die erste weltanschauliche Synphonie der Musikgeschichte. Sie war zu ihrer Zeit Zukunftsmusik, und sie ist es auch heute, denn Freiheit bleibt immer Ziel. In dieser breit angelegten Synphonie – sie dauert über fünfzig Minuten – stehen nicht die Themen im Vordergrund (das Hauptthema begann unscheinbar), sondern die sich daraus entwickelnden gewaltigen Steigerungen.
Das Seitenthema – ein inständiger, zwischen Bläsern und Streichern wechselnder Choral – ist wie ein Blick ins menschliche Herz: da sind Liebe und Hoffnung, Tränen und Zweifel…
Die Schlußgruppe ist wie ein kategorischer Imperativ: handle! Sechs Akkordschläge – sind es Schüsse? – markieren den kriegerischen Ernst.
Die dramatische Durchführung kennt Kampf, Sieg, Schmerz und Niederlage; besonders schön ist das erschöpfte Thema der Klage. Dieses prägt auch die nächtliche Coda, bevor die Sonne aufgeht…
Die edelste Fähigkeit der menschlichen Gesellschaft ist die, zu trauern, Schuld zu bekennen, zu vergeben. Dem dient der erschütternde, grandiose Marcia funebre. Nur wer so am Boden liegt, hat die Freiheit verdient…
Das Scherzo beginnt wie das erste Atemholen in der neuen Freiheit. Da Beethoven in der Eroica drei Hörner verwendet, können die Hornisten ein prächtiges Trio gestalten – dafür müssen sie nur – in Freiheit – sehr gut Atem holen!
Im Finale gibt sich die „prometheische“ Gesellschaft der Zukunft eigene Gesetze: das Passacaglia Thema (Pizzicato) setzt den Rahmen, die Variationen gestalten das Leben darin.
Kompromisslos, puristisch und gänzlich auf den heroischen Charakter der Sinfonie fokussiert, leitet Daniel Dodds hier mit dem Fuß auf dem Gaspedal – ein wirklich spannender Beethoven bis zum letzten Takt und ei mehr als würdiges Schlussbouquet des Konzertes. Dis sah UCH DAS Publikum so und bedachte die Protaggonist*innen mit langanhaltendem, stürmischen Schlussapplaus.
Epilog
Es ist bezeugt, wie Beethoven die Titelseite der Eroica mit der Widmung an Konsul Bonaparte wütend zerriss, als dieser sich 1804 zum Kaiser Napoleon krönte: „Nun wird er auch alle Menschenrechte mit Füßen treten, ein Tyrann werden!“
Der Dichter Franz Grillparzer forschte Beethoven aus: „Wenn man wüsste, was Sie bei Ihrer Musik denken…“ Beethoven dachte nicht bei Musik, er dachte in Musik – dennoch: die EROICA als utopische Synphonie der demokratischen Gesellschaft zu denken ist verlockend.
Zitat Mathias Husmann, Wiener Kritiker im Jahre 1804:Schon zu Ehren dieser herrlichen Musik müssen wir Freiheit verwirklichen, leben und schützen! Dieser Erkenntnis ist nichts hinzuzufügen, ausser, dass das nicht alle Herrschenden begriffen, begreifen und achten.
Ferdinand Ries, ein Schüler Beethovens, war von der „Eroica“ schwer beeindruckt. Ries übernahm auch die Aufgabe, die Sinfonie dem Bonner Verleger Nikolaus Simrock zum Druck anzubieten. Am 22. Oktober 1803 schreibt Ries an Simrock:
„Es ist nach seiner [Beethovens] eigenen Äußerung das größte Werk, welches er bisher schrieb. Beethoven spielte sie [die dritte Sinfonie] mir neulich und ich glaube, Himmel und Erde müssen zittern bei ihrer Aufführung.“
Sympathisches Detail am Rande: trotz ihrer mittlerweile relativen Bekanntheit, war sich Bomsori nicht zu schade, in der Pause CDs zu signieren und für Selfies zu posieren.
Text: www.leonardwuest.ch
Fotos: Fabrice Umiglia www.fsl.swiss
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