Besetzung und Programm:
Jan Lisiecki, Klavier
Daniel Dodds, Leitung & Violine
Festival Strings Lucerne
ARTHUR HONEGGER Pastorale d’été H. 31
LUDWIG VAN BEETHOVEN Konzert für Klavier und Orchester Nr. 4 G-Dur op. 58
FRANZ SCHUBERT Sinfonie Nr. 6 C-Dur D. 589
ARTHUR HONEGGER Pastorale d’été H. 31
Pastorale d’été wurde im August 1920 in Wengen in der Schweiz geschrieben . Es war Honeggers erstes Orchesterwerk von wirklicher Bedeutung, bevor er sein gewaltiges Werk Horace victorieux anging , das er im Winter 1920/21 schrieb.
Die Partitur von Pastorale d’été wurde mit einer Inschrift von Arthur Rimbaud versehen : J’ai embrassé l’aube d’été (Ich habe die Sommerdämmerung umarmt). Die Besetzung ist für Streicher, einzelne Holzbläser und Horn. Das Werk ist atmosphärisch, ruhig und zurückhaltend und wurde beschrieben als „ein neuzeitliches Prélude à l’après-midi d’un faune “ ( Prelude to the Afternoon of a Faun von Claude Debussy ). Es scheint so zu sein ein musikalischer Eindruck eines friedlichen frühen Morgens in den Schweizer Alpen.]Es beginnt mit einem trägen, schwebenden Thema des Horns, das dann von den Streichern aufgenommen wird. Die Instrumentierung entspricht dem pastoralen Charakter des Themas und der Stimmung in den Eckteilen. Der Mittelteil ist lebendiger und farbig orchestriert. Das Hauptthema kehrt zurück, um das Stück in der gleichen friedlichen Weise wie zu Beginn zu schließen. Die Strings illustrieren akustisch den Morgentau über den Berner Alpwiesen und lassen uns tonal im morgendlichen Oberländer Sonnenschein blinzeln. Sanft erleben wir das Erwachen der unberührten Natur, lassen uns schwebend über Auen davontragen Das Werk wurde Alexis Roland-Manuel gewidmet einem französischen Komponisten und berüchtigten Kritiker gewidmet.
Es wurde am 17. Februar 1921 im Salle Gaveau in Paris unter der Leitung von Vladimir Golschmann uraufgeführt . Das Werk gewann einen Prix Verley , einen Preis, der vom Publikum entschieden wurde.
Die erste britische Konzertaufführung fand am 27. Oktober 1921 unter der Leitung von Eugene Goossens in der Queen’s Hall in London statt.
Das Werk ist in das allgemeine Orchesterrepertoire eingegangen und wurde oft im Konzert gespielt. Honegger dirigierte selbst eine Aufnahme des Werks, [ebenso wie Hermann Scherchen , Jean Martinon (1971), Michel Plasson (1991), Leonard Bernstein , David Zinman , Thierry Fischer , Charles Dutoit und viele andere.
Als Teil der Erzählung des Romans „Expo 58“ von Jonathan Coe (veröffentlicht 2013) gibt es eine phantasievolle und detaillierte Beschreibung der Pastorale im Kapitel „Das Problem mit dem Glück“. Besonderes Augenmerk legt sie auf die Orchestrierung und die Gesamtform des Stücks, z. ein sanftes, endlos erneuerbares Gespräch zwischen den verschiedenen Sektionen des Orchesters; bis auch es ins Nichts verblasste, inmitten der sterbenden Schnörkel der hauchdünn gestrichenen Geigen, die letzten dämmernden Vogelstimmen von Flöte und Klarinette.
Eine ideale Komposition um das zahlreich erschienene Publikum im Konzertsaal auf die darauf folgenden «Pièces de Résistance» einzustimmen, was dieses auch mit reichlich Applaus bekundete.
LUDWIG V. BEETHOVEN Konzert für Klavier und Orchester Nr. 4 G-Dur op. 58
Der Konzertflügel wurde vor das Orchester geschoben, die Rollen fixiert und der Schemel hingestellt, worauf der Gastsolist des Abends der wuschelköpfige, hochgewachsene, schlaksige Kanadier mit polnischen Wurzeln, just an seinem 28. Geburtstag, auf der Szenerie erschien, sich hinsetzte und sich mittels Blickkontakt mit Dirigent Daniel Dodds kurzschaltete.
Solopart des Pianos als Intro
Das Konzert beginnt in der Grundtonart G-Dur. Was hier aber so zart daherkommt und sogleich in ätherisches H-Dur hinüberträumt, das bedeutete bei der Uraufführung nichts desto weniger eine Revolution. „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“, dichtete einst Hermann Hesse in seinem Stufengedicht. Recht hatte er. Nie zuvor in seiner Geschichte hatte ein Klavierkonzert ohne Orchestervorspiel direkt mit einem Solo des Klaviers angefangen
Beethoven hielt nicht viel von Konventionen
Nicht dass der Feuerkopf Beethoven jemals ein Problem damit gehabt hätte, gegen Regeln zu verstoßen, aber wenn er es tat, dann immer, um eine außergewöhnliche Idee zu verwirklichen. Dass diesem Konzert so eine solch außergewöhnliche Idee zugrunde lag, das ahnte bereits die Zeitgenossen. Schon Robert Schumann pries das Stück als „Beethovens vielleicht größtes Klavierkonzert“. Die Begeisterung hält bis heute an.
Zitat Jewgenij Kissin über Beethovens Opus 58: „Von allen Beethovenkonzerten finde ich das Vierte das Schönste. Wenn man sagt, der Kopfsatz des fünften Klavierkonzertes zeichne sich durch Erhabenheit und Größe aus, der des Dritten durch Dramatik, dann herrschen im ersten Satz des vierten Klavierkonzertes lyrischer Atem und Schönheit.“.
Geheime Botschaften des Komponisten?
Immer wieder sind es Worte wie „Schönheit“ und „lyrisch“, die im Zusammenhang mit dem Konzert auftauchen. Und immer wieder ist auch von der Rätselhaftigkeit des Stückes die Rede, vor allem im Zusammenhang mit dem zweiten Satz. Was hat es auf sich mit diesen bedrohlich gezackten Unisono-Figuren der Streicher, was mit der feierlich besänftigenden Antwort des Klaviers?
Die Hörer des Jahres 1808 fühlten sich sogleich an die Musik in Christoph Willibald Glucks Oper „Orfeo e Euridice“ erinnert. Mit dem Spiel seiner Leier besänftigt der tragische Sänger Orpheus die Furien der Unterwelt. Davon ausgehend hat der Musikwissenschaftler Owen Landers das gesamte Klavierkonzert als „Musik mit einem geheimen Programm“ gedeutet.
Beethovens „Orpheus-Konzert“
„So beruhigend schön sang und spielte der mythische Sänger, dass die Tiere des Waldes sich zu ihm gesellten und sogar Flüsse ihren Lauf änderten, um ihm zu lauschen. Die Musik verzaubert den gesamten Kosmos.“ Eine Vorstellung die so recht zu dem Idealisten Beethoven passt. Doch die Orpheusgeschichte geht nicht gut aus. Nach der gescheiterten Rückholung Eurydices aus der Unterwelt habe der Sänger zukünftig den Frauen abgeschworen, berichtet der römische Dichter Ovid in seinen „Metamorphosen“. Wodurch sich besonders wilde Weiber, die Mänaden, so beleidigt gefühlt hätten, dass sie den Künstler in Stücke rissen.
Bleibendes Denkmal für die Macht der Musik
Eine Aura des raserisch Gewaltsamen lässt sich dem Einsatz von Pauken und Trompeten im Rondo des G-Dur Konzertes nicht absprechen. Aber reicht die Vorstellung von der Ermordung des Orpheus tatsächlich, um die auch hier reichlich vorhanden lyrischen Passagen zu erklären? Immerhin habe sich Orpheus, so die Sage, im Schattenreich endlich wieder und nun für immer mit seiner Eurydice vereint. Seine Leier aber sei als Sternenbild an den Himmel versetzt worden. Als bleibendes Denkmal für die Macht der Musik, die alles in Schönheit versöhnt. Und gleichgültig, ob man sich nun auf das Orpheus-Programm einlassen mag oder nicht: Daran jedenfalls lässt Beethovens schönstes Klavierkonzert keinen Zweifel.
Dass dem so ist, demonstrierten der quirlige Solist und die einmal mehr gut aufgelegten, vollmotivierten «Strings» wirklich zweifellos.
Jan Lisiecki kann resolut, aber auch sanft
Lisiecki, ob energisch beim Hinknallen von Harmonien, fulminanten Läufen oder sanft bei filigranen Verzierungen, demonstrierte sein ganzes Können in sämtlichen geforderten Variationen, unterlegt von satten, aber nie sich vordrängenden Klangteppichen des Orchesters, auf denen sich der Solist ebenso stil- wie selbstsicher bewegte. Kraftvoll energisch wo gefordert, zurückhaltend selbstvergessen, wenn geboten.
Den langanhaltenden stürmischen Applaus verdankte der Pianist schlussendlich mit einer kurzen Zugabe, beginnend mit einer ähnlichen Tonabfolge wie bei Chopins «valse triste», die er dann aber in eigenem, ähnlichem Stil vervollständigte. Eine Hommage des polnisch stämmigen Pianisten an seinen grossen Fast Landsmann.
Einmal mehr bewiesen die Verantwortlichen der «Strings» mit dem Engagement dieses Solisten ein gutes Näschen und hatten auch mit der Werkauswahl ein glückliches Händchen.
Text: www.leonardwuest.ch
Fotos: Angela Henzi und Fabrice Umiglia www.fsl.swiss
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