Inszenierung und Besetzung
Szenarium von Cathy Marston und Edward Kemp
Musik von Philip Feeney nach Edward Elgar, Ludwig van Beethoven, Gabriel Fauré, Felix Mendelssohn Bartholdy, Alfredo Piatti, Sergej Rachmaninow und Franz Schubert
Choreografie Cathy Marston Musikalische Leitung Paul Connelly Bühnenbild Hildegard Bechtler Kostüme Bregje van Balen Lichtgestaltung Jon Clark Dramaturgie Edward Kemp, Michael Küster
‚The Cellist‘ ist ein Ballett von Cathy Marston, die früher Associate Artist am Royal Opera House, im 1994 Tänzerin im Opernnhaus Zürich und von 2007 bis 2013 Direktorin des ‘Bern Ballett’ war. Die international bekannte Choreographin wird nächsten Herbst als Nachfolgerin von Christian Spuck die Leitung des ‘Ballett Zürich’ übernehmen.
Die tragische Geschichte einer Cellistin
Die sehr involvierende Choreographie, die 2020 für das Londoner Royal Ballet kreiert wurde, setzt die tragische Geschichte der Cellistin Jacqueline Du Pré im Mittelpunkt, und insbesondere deren tiefe Verbindung zu ihrem Instrument. Marstons Ballett konfrontiert uns mit einem höchstbegabten Mädchens, das schon als vierjährige vom Klang eines Cellos so fasziniert ist, dass ihre Mutter entscheidet, ihr sofort den ersten Unterricht zu erteilen. Verschiedene Lehrer werden folgen, bis die junge Du Pré in den 60er Jahren den auch noch jungen Dirigenten Daniel Barenboim kennenlernt und heiratet. Die Zeit des perfekten privaten und beruflichen Glücks beginnt, und die Cellistin wird überall in der Welt ein gefeierter Star. Aber, so wie es im Leben oft geht, das Glück dauert nicht ewig. Für die britische Künstlerin besonders, der plötzlich Multiple Sklerose diagnostiziert wird. Dies zwingt sie, nach einem vergeblichen Kampf, ihre Karriere zu beenden. Viel zu früh; viel zu tragisch. Alles zerbricht, auch die Ehe mit Barenboim; die schreckliche Krankheit gibt keine Ruhe, sie schreitet weiter fort; bis dass der Tod die Künstlerin erlöst.
Eine Schweizerische Erstaufführung, die dem Publikum das Herz stiehlt
Das Schicksal der Jahrhundertkünstlerin wird von Cathy Marston mit poetischen, melancholischen aber sehr packenden choreographischen Bildern erzählt. Zuerst mit grosser Behutsamkeit, dann mit expressiven, kraftvollen Bildern. Alles wird mit einer sehr menschlichen Sprache choreographisch nachgezeichnet: die ersten Jahre des ‘enfant prodige’, die stürmische Energie der erfolgreichen Jahre, die unerklärliche Müdigkeit, die zerstörten Nerven und Muskeln, den harten Weg in die Katastrophe bis zum tragischen Ende, das heisst bis 1987, als Jacqueline Du Pré in London im Alter von 42 Jahren stirbt. Marstons Ballett hinreisst, geht unter die Haut, bricht das Herz.
Die grosse Leistung der Solotänzer
Einfach grossartig die Leistung von Giulia Tonelli in der Titelrolle, von Wei Chen als das Instrument (ja, das Cello wird auch von einem Tänzer perfekt und plausibel verkörpert) und von Esteban Berlanga als der Dirigent: mit ihnen wird die Musik Tanz und umgekehrt wird der Tanz Musik. Mit einer Körpersprache, die nicht nur narrativ, sondern Ausdruck jeder Emotion, Spiegel der Seele ist; Jacqueline Du Pré perfekte, totale Musikalität und ihre Menschlichkeit werden auch choreographisch verewigt.
Die Musik
Einige der schönsten Werke für Cello von Elgar, Beethoven, Fauré, Mendelssohn, Piatti, Rachmaninoff und Schubert – insbesondere jene aus dem Repertoire der Cellistin – wurden vom britischen Komponisten Philip Feeney in eine hervorragende Partitur integriert, die von Solocellist Lev Sivkov, von Kateryna Tereschenko am Klavier und von der Philarmonia Zürich unter der brillianten Leitung von Paul Connelly meisterhaft ausgeführt wurden.
Bedeutende Biographien bewegen immer
Die sehr eloquente Choreographie erklärt auch vollkommen, wieso Cathy Marston vom Leben der legendären Cellistin so bewegt wurde: abgesehen davon, dass Biographische Ballette sehr abendfüllend sind, tragische Schicksale oder ausserordentliche Lebensgeschichten haben Künstler im Grunde immer inspiriert. Biographische Werke haben eine lange Tradition und werden auch heute vom Publikum besonders geschätzt, mehr, man merkt ein starkes Bedürfnis nach grossartigen biographischen Beispielen, auch wenn diese aus einer anderen Perspektive erzählt werden.
‘The Cellist’, das noch bis 22.Juni und im Opernhaus Zürich aufgeführt wird, überzeugte total, und das Premièrenpublikum spendete einen lautstarken Beifall.
Text: https://marinellapolli.ch/
Fotos: www.opernhaus.ch
Homepages der andern Kolumnisten: www.gabrielabucher.ch www.herberthuber.ch www.maxthuerig.ch www.leonardwuest.ch