Seit Anfang Jahr und noch bis im Herbst läuft am Staatsarchiv Uri in Zusammenarbeit mit dem Verein Memoriav ein Inventarisierungsprojekt zur Erhebung von Informationen zum audiovisuellen Kulturerbe des Kantons. Das Projekt trägt Früchte – auch abseits seines eigentlichen Zwecks.
Der Kanton Uri und der Verein Memoriav, der im Bundesauftrag das nationale Kompetenzzentrum für historisches Foto-, Film-, Video- und Tonmaterial bildet, wollen einen Überblick über das entsprechende Material in Uri gewinnen. Tatsächlich kann das Staatsarchiv bereits einiges an Zuwachs verzeichnen, dank Personen, die durch das Projekt sensibilisiert wurden und Unterlagen im Staatsarchiv abgegeben haben. «Dabei geht es primär nicht einmal darum, dass die Leute ihre Sachen bei uns abgeben, sondern darum, dass wir sowohl bekannte als auch bisher unbekannte Bestände von historisch bedeutsamem audiovisuellem Material erfassen und deren Erhaltung sicherstellen können», erklärt Tamara Fullin, stellvertretende Staatsarchivarin und Projektleiterin. Auch sehr kleine Bestände könnten hierbei bereits interessant sein, wie sie ergänzt.
Josef Dittlis bemerkenswertes Privatarchiv
Viele Leute verfügen im Estrich oder Keller noch über alte Fotos, Filme, Video- oder Tonaufnahmen. In Uri wie auch sonst vielerorts gibt es zudem zahlreiche Sammlerinnen und Sammler, deren Unterlagen teilweise von grossem Wert für die Geschichtsforschung sein können. Einer dieser Sammler ist der Amsteger Josef Dittli, der unter anderem über den wohl grössten Fundus an historischen Postsachen im Kanton Uri verfügt. Für das audiovisuelle Übersichtsinventar ist diese Sammlung deswegen interessant, weil sie auch rund 6’500 Ansichtskarten ab ca. 1890 beinhaltet. Die teilweise sehr kunstvollen Karten sind einerseits schön anzuschauen, vor allem aber geben sie Zeugnis darüber ab, wie sich die Urner Landschaft in den letzten 130 Jahren entwickelt hat. Daneben besitzt Josef Dittli einige Fotografien, die etwa die alte Stäger Fasnacht oder ein Schützenfest zeigen.
Nur die Spitze des Eisbergs
Trotz ihrer enormen Menge machen die Ansichtskarten nur einen Bruchteil von Josef Dittlis Sammlung aus. Bei ihm lagern beispielsweise auch hunderte, wenn nicht tausende alte Firmen- und Behördencouverts aus dem Kanton Uri, eine Pro-Juventute-Sammlung sowie diverse Einzeldokumente. Besonders interessant sind oft nicht nur die Briefe selbst, sondern auch die Poststempel. Die Entwicklung der Urner Ortsnahmen kann man ebenfalls anhand der Postsachen verfolgen. So hiess etwa Erstfeld früher «Erstfelden», und Altdorf wurde «Altorf» geschrieben. Weiter sind auch die Einzeldokumente in Josef Dittlis Sammlung bemerkenswert, etwa sein Original-Notenblatt des «Zogä am Bogä» von Bärti Jütz.
Der «Generalsammler»
Aber woher kommt Josef Dittlis Sammeleifer? «Angefangen hat es mit der Philatelie. Seit ich zehnjährig bin, habe ich Briefmarken gesammelt», erzählt der Amsteger. Er sei aber eigentlich schon immer ein «Generalsammler» gewesen. «Als ich dann einmal eine Ausstellung von Frank Molenaar gesehen habe (ein Holländer, der eine Heimatsammlung zu Uri hatte) ging mir eine Art Licht auf», so Josef Dittli weiter. Seine eigene Heimatsammlung wurde mittlerweile ebenfalls schon mehrfach ausgestellt. Zu Recht ist Josef Dittli daher stolz auf seine Bestände und zeigt sie gerne. Bereits einige Male hatte er Besuch, sowohl von professionellen Forschenden als auch von Schülerinnen und Schülern, die eine Abschlussarbeit verfassten.
Wissen um Bestände wichtiger als ihr Besitz
Zwar freut sich das Staatsarchiv Uri immer über Zuwachs, im aktuellen Inventarisierungsprojekt geht es aber in erster Linie darum, überhaupt von existierenden Beständen zu erfahren, auch wenn diese in privater Hand bleiben wie im Fall von Josef Dittli. Das audiovisuelle Kulturgut aus allen Kantonen soll durch Memoriav in einer Kartografie über die gesamte Schweiz zusammengefasst werden. «Für das Staatsarchiv Uri und die Wissenschaft ist aber letztlich auch interessant, was aufgrund der Inventarisierung des audiovisuellen Kulturerbes zusätzlich an nicht-audiovisuellem Material zum Vorschein kommt», sagt Tamara Fullin. So dient das Gemeinschaftsprojekt mit Memoriav schliesslich der Geschichtsschreibung in und über Uri insgesamt.