Besetzung: Elvis Costello, Vocals/Guitar – Steve Nieve, Piano
Die zwei Schweizer Konzerte absolvierte Costello, dabei befindet er sich eigentlich im Streik. Als Mitglied der amerikanischen Schauspieler- und Autorengewerkschaft SAG-AFT unterstützt der Musiker den aktuellen Arbeitskampf gegen die grossen Filmstudios und Fernsehgesellschaften. «Ich habe gesehen, wie die Plattenfirmen tatenlos zugeschaut haben, als zuerst das Filesharing und dann das Streaming den Musikerinnen und Musikern die Lebensgrundlage genommen hat», sagt Costello. «Etwas Vergleichbares soll den Schauspielenden und Drehbuchautoren im Zeitalter der künstlichen Intelligenz nicht passieren.»
Der Brite Elvis Costello, Rock ’n‘ Roll-Legende, hat zusammen mit seinem Langzeit-Pianisten Steve Nieve im Luzerner KKL eine Wundertüte spendiert – und gezeigt, dass er eben einer der ganz Großen ist. Doch manchmal musste man auch weghören, wenn er sich in Rage redete und den unbeugsamen Weltverbesserer markierte.
Seit rund 50 Jahren steht Elvis Costello auf der Bühne und die einzige Sache, bei der man sich bei diesem Mann immer sicher sein kann, ist, dass nichts sicher ist: Macht er jetzt Blues? Rock ’n‘ Roll? Schmuse-Pop? Dub? New Wave Krach? Das Konzert im Luzerner KKL steht ganz in dieser wundertütigen Tradition, denn Costello, der doch am bekanntesten für seinen großen Balladen ist, und sein Partner Steve Nieve an Klavier, Keyboard und auf der Melodica starten experimentell: mit kreischender Gitarre und sumpfigen Trip Hop Beat, einer zähnefletschenden Bearbeitung des Costello-Songs „When I Was Cruel No. 2“.
Mikrofon? Na, wenn’s sein muss.
Und natürlich mit der Stimme von Elvis Costello, die so einzigartig daherkommt: Flehend, tremolierend, schmeichelnd, zärtlich verzagend, brüchig, aber, und das ist Faszinierende, trotzdem so unglaublich druckvoll. Der Kerl ist 69, aber es drängt sich der Verdacht auf: Man könnte das Mikro ausmachen und Elvis Costello wäre trotzdem noch in der letzten Reihe zu hören. Wahnsinn.
Iam Legend
Wie zu erwarten, wechselt die Stimmung im Song-Takt. Auf den krachigen Anfang folgen schon bald die ersten Balladen und trotz der Experimentierfreude des Abends sind doch Songs wie das wunderschöne „God’s Comic“, schlicht instrumentiert, nur Gitarre, Klavier und Gesang, die Höhepunkte.
Früh hat Costello außerdem eine Verbindung zum Publikum. Der braucht keine Aufwärmzeit, der tänzelt zum Intro schon stilsicher wie immer in Anzug und Hut auf die Bühne. Der erzählt in großer Show-Man-Manier Anekdoten aus 50 Jahren Musikerleben. Der hat das Selbstbewusstsein, das Publikum schon im vierten Song zum Mitsummen zu dirigieren.
Elvis Costello kommt nicht unbedingt arrogant daher. Aber er weiß um seinen Legendenstatus und kostet diesen auch aus. Ein bisschen seltsam ist allerdings die Interaktion mit seinem – so heißt es – guten Freund und Mitmusiker Steve Nieve. Der schaut manchmal so aus, als würde er sich zumindest ein paar Zeichen von Costello wünschen, der seinen Blick meistens Richtung Fans gewandt hat. Elvis, welchen Song spielen wir denn jetzt als nächstes? Wann hören wir mit diesem auf? Nieve ist ein so fantastischer Musiker, dass er nie wirklich aus dem Takt kommt, trotzdem, etwas mehr gemeinsame Bühnen-Chemie zwischen ihm und Costello könnte man nach all der gemeinsamen Zeit schon erwarten.
Ein bisschen grauer Soundbeton
Elvis Costello ist tatsächlich so eine Legende, der Mann könnte, sorry, furzen und irgendwer würde es abfeiern. Insofern ist es umso schöner, dass er sich hier sichtlich reinhängt, neue Sachen ausprobiert, wenige Hits spielt, ausser natürlich einige von Burt Bacharach, dem grossen, am 8. Februar 2023 94-jährig verstorbenen amerikanischen Songwriter, und zusammen mit Steve Nieve immer wieder in eine Art Jam verfällt und seine Songs verfremdet.
Nur: Die Experimente sind nicht sonderlich überzeugend. Um den Zwei-Mann-Sound aufzupeppen, spielt Costello immer wieder Drum-Beats ein. Die haben im besten Fall schöne Trip-Hop-Vibes, im schlechtesten Fall klingen sie wie mal eben in fünf Minuten am PC zusammengebastelt. Darüber sägt dann Costello auf seiner Gitarre herum und Nieve versucht mit allerlei Tasten und der Melodica Basis zu geben und Akzente zu setzen, nur geht das im Sound häufig unter. Und ja, Elvis Costello will nicht immer nur gefallen, sondern herausfordern, provozieren. Aber das Ergebnis ist dann halt indifferenter, aber nicht sonderlich aufregender grauer Soundbeton.
Zumal die Art, wie Elvis Costello singt und Musik schreibt, sich nicht so sonderlich gut in einen erbarmungslosen elektronischen 4/4-Takt zwängen lässt. Eigentlich ist Costello ein Crooner. Er lässt sich Zeit, kostet die Melodiebögen aus. Statt strenge Zählzeiten einzuhalten wird beschleunigt und gebremst. In dem Korsett des elektronischen Metronoms allerdings klingen die beiden manchmal regelrecht gehetzt. Und nur mittelgut.
Die Stimme – ein Hit and Miss
Außerdem – es lässt sich nicht wegdiskutieren – die Stimme von Elvis Costello ist eine Hit-und-Miss-Angelegenheit. Gerade am Anfang ist es eine Wonne, wenn sich Costello in die Höhe reckt, in die Kopfstimme fliegt, mit seinem Tremolo die Töne umschmeichelt und immer am Ziel angelangt. Aber je länger die Show, desto häufiger liegt er manchmal etwas daneben. Und das kann trotz allen Charismas und aller Aura dann beim zu Hören einfach frustrieren. Man weiß ja, was diese Stimme eigentlich konnte – und ja auch immer noch kann.
Imagepflege des Altmeisters
Mit seinen Speeches, wird man den Eindruck nicht los, betreibt er etwas Imagepflege, besonders wenn er sich, den ewigen Rebellen markierend, in Rage redet.
Umso eindrücklicher und sensationell wie er danach Charles Aznavours «She» covert, gefolgt von «I want you», die ein grosser Teil des Publikums stehend miterlebt.
Es folgt ein Rock n Roll, bei dem sogar Pianist Nieve wacker mitsingt, manchmal gar, erstaunlich gut, die Leadstimme übernimmt.
Funkelnde Höhepunkte wechseln sich also ab mit Momenten des Lieber-Mal-Kurz-Weghörens. Und Elvis Costello-Konzerte bleiben in allen Belangen Wundertüten, wenn auch ausserordentliche, so einmal mehr auch im Luzerner KKL an diesem Abend, das mit einer langanhaltenden +Standing Ovation» endete.
Text: www.leonardwuest.ch Fotos Léonard Wüst und www.allblues.ch