LAC Lugano Arte e Cultura , Anna Bolena von Gaetano Donizetti, besucht von Marinella Polli

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Anna Bolena Szenenfoto von Luca del Pia

Anna Bolena Szenefoto von Guido Buganza

Produktion und Besetzung:
Diego Fasolis Musikalisdche Leitung
Carmelo Rifici Regie
Guido Buganza Bühnrnbild
Alessandro Verazzi Lichtdesign
Margherita Baldoni Kostüme
Carmela Remigio Anna Bolena
Marco Bussi Enrico VIII
Arianna Vendittelli Giovanna Seymour
Luigi De Donato Lord Rochefort
Ruzil Gatin Lord Riccardo Percy
Paola Gardina Smeton
Marcello Nardis Sir Hervey

Das Schicksal der Anna Bolena, der zweiten Frau Heinrichs VIII, – die vom englischen König verlassen wird, weil sie ihm keinen Sohn gebärt, aber auch weil er sich in eine andere verliebt – hat viele Dichter, Maler, Musiker und Filmregisseure inspiriert: das Leben und das tragische Ende dieser sicher aussergewöhnlichen Frau wurden oft in Literatur, Kunst, Musik und manchmal leider auch in billigeren Spielfilmen thematisiert.

Gaetano Donizettis Belcanto-Oper am LAC

Anna Bolena Szenenfoto von Guido Buganza

Am LAC (= Lugano Arte e Cultura, das den bildenden und darstellenden Künsten gewidmete Kulturzentrum in Lugano) hat am letzten 4. September eine neue Inszenierung von Gaetano Donizettis Belcanto-Oper ‚Anna Bolena’ viel Erfolg gehabt. Die Tragedia Lirica in 2 Akten, sicher eines der Meisterwerke des sehr produktiven Komponisten, wurde sofort nach der Uraufführung 1830 in Mailand ein richtiger Sensationserfolg. Die Oper erzählt nur von den letzten Tagen der Titelheldin: wie sich Heinrich VIII ihr gegenüber benimmt, nachdem er Jane Seymour als seine dritte Ehefrau wählt, und wie er Anna mit einer absurden Intrige schliesslich enthaupten lässt.

Diego Fasolis und die Classicisti

Dem weltberühmten Tessiner Maestro Diego Fasolis, einem Experten der Barockmusik, gelang es zusammen mit seinen Classicisti (bestehend aus Mitigliedern seiner ebenfalls International berühmten Barocchisti), die vielen Kostbarkeiten der leider oft unterschätzten Donizetti-Partitur perfekt zu entschleiern. Alle Musiker spielten wie immer präzis, mit grosser Transparenz, ohne jedoch auf intensive Farben und kontrastreiche Akzente zu verzichten. Auch die Sänger, die Fasolis streng aber immer rücksichtsvoll  begleitete, schenkten den zahlreichen Zuschauern ein Feuerwerk der Emotionen. Ebenfalls wirklich unvergesslich die Leistung des Coro della Radiotelevisione svizzera (Maestro del coro: Donato Sivo), dessen Mitglieder auf der Bühne in verschiedenen eindrucksvollen ‘tableaux vivants’ erschienen.

Carmela Remigio in der Titelrolle: eine grossartige Leistung

Anna Bolena Szenenfoto von Guido Buganza

Man weiss, wie die Titelrolle dieser Oper nicht zuletzt für einen wirkungsvollen Auftritt einer Primadonna gedacht wurde. Bei der Uraufführung war es Giuditta Pasta, in den 50. Jahren Maria Callas. Diese bemühte sich unaufhörlich für das Revival der lange vergessenen Oper. Aber zurück zu Namen unserer Zeit: Diana Damrau am Opernhaus Zürich, oder Anna Netrebko, zum Beispiel. Am LAC war Carmela Remigio als Anna zu hören; sie sang mit ihrem strahlenden Sopran ganz natürlich, und zeigte mühelos, dass diese ‘Belcanto’-Oper wirklich auch ‘Schöngesang’ ist. Die Sopranistin zeigte auch, wie ihre schöne Stimme sehr differenziert  klingen kann, wie ihre Koloraturen perlend aber auch dramatisch sein können, und wie die Virtuosität für sie niemals eine Priorität per sé ist, sondern Ausdruck, eloquenter Klang und Farbe. Die Sängerin war immer tief in ihrer Rolle verwurzelt, aber beschränkte ihr Spiel auf sparsame und genaue Gesten, die dadurch umso intensiver wirkten. Es gelang ihr problemlos, ihre grosse Verzweiflung zu vermitteln: jene wegen des Benehmens des Königs, und nicht zuletzt auch jene wegen des Verrats ihrer Freundin und Kammerzofe Jane Seymour.

Weltklasse auch die anderen Sängerinnen

Anna Bolena Szenenfoto von Guido Buganza

Für die Rollen der rivalisierenden Königinnen Anna und Giovanna waren für diese neue Produktion zwei Interpretinnen zu Verfügung, die glänzend ihre Rolle beherrschten. Arianna Vendittelli stellte eine Giovanna Seymour dar, die zwischen starken Gewissensbissen, grosser Verliebtheit und Ehrgeiz schwankte. Ihre Stimme steigerte sich sogar nach der Pause und passte sich flexibel allen Empfindungen an, Liebe, Machtgier, Reue und Schmerz. Die Sopranistin war einfach Giovanna Seymour, Annas Gegenspielerin voll und ganz: eine fesselnde, intensive Interpretation, die das ganze Publikum emotional total bewegte. Paola Gardina stürzte sich auch leidenschaftlich in die Rolle des Pagen Smeton, und ihr gelang es tadellos, ihrer Rolle ein präzises psychologisches Profil zu geben. Die Mezzosopranistin sang ebenfalls differenziert: weich und amüsiert zu Beginn, entmutigt und verzweifelt, als sie begriff, dass sie Ursache und Opfer einer Intrige gewesen war.

Grossartige und den Damen ebenbürtige Sänger

Anna Bolena Szenenfoto von Guido Buganza

Die Männer standen den Frauen szenisch und sängerisch in nichts nach, Besonders Ruzil Gatin als Lord Riccardo Percy, Annas Jugendliebe, beherrschte alle Register und gab dem ehemaligen Liebhaber der Königin ein adequates Profil. Erstaunlich wie er in den hohen Lagen absoluter Meister jener für Donizetti so typischen Belcanto-Technik war. Ohne Zweifel war er der Star des Abends. Auch der Bass Marco Bussi als Heinrich VIII steigerte sich – sängerisch mehr als szenisch –  bis er aus seiner Figur ein machtvolles Rollenporträt machte.

Eine Inszenierung, die dem Publikum gefiel

Anna Bolena Szenenfoto von Guido Buganza

Genau wie Gaetano Donizetti in seiner romantischen Oper, achtete auch der Regisseur Carmelo Rifici eher auf Eifersucht und Intrige, als auf den historischen Aspekt. Dem Komponisten ging es im Grunde auch nur um die emotionale Bedeutung der Ereignisse und um die psychologische Entwicklung der Protagonisten und weniger um den geschichtlichen Hintergrund, der sogar die Loslösung der englischen Kirche von Rom verursachte. Die Solisten wurden mit wenigen Gesten charakterisiert und ein richtiges Regiekonzept war eigentlich nicht sichtbar. Rifici konzentrierte sich hauptsächlich auf diese minimalen Gesten, auf die charismatische Präsenz der Hauptdarsteller, auf das Bühnenbild und auf das perfekte Light Design von Alessandro Verazzi. Auch die Anwesenheit auf der Bühne von Elisabetta I als Kind – keine neue Idee – brachte keine neue interessante Perspektive ans Licht.

Ein (psychologisches) Labyrinth als Bühnenbild

Diego Fasolis Musikalisdche Leitung

Guido Buganzas Bühnenbild bestand aus einer Drehbühne mit einem  überdimensionalen, düsternen, gefängnisähnlichen Labyrinth von Türen und dunklen Wänden, an welchen ab und zu Porträts gezeichnet wurden. Dazu nur ein paar andere Requisiten: ein lebendiger Hund, ein grosses Plastikpferd. Dem Luganese Publikum gefiel alles, auch die zum Teil historisierenden Kostüme, streng für die Herren eher schlicht für die Damen.

Alle Beteiligten an diesem hochkarätigen Abend ernteten Ovationen.

(Noch auf dem Spielplan bis 10. September)

Text: https://marinellapolli.ch/

Fotos    Marinella Polli  Guido Buganza und Luca del Pia :https://www.luganolac.ch/it/lac/home

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Coro della Radiotelevisione svizzera

I Classicisti

Maestro Diego Fasolis am Ende der Aufführung

Die Ausführenden geniessen den Schlussapplaus

 

Maestro Diego Fasolis am Ende der Aufführung

Anna Bolena Szenefoto von Guido Buganza

Anna Bolena Szenefoto von Guido Buganza

 

Dieser Beitrag wurde am von unter kolumnen meiner gastkolumnisten, musik/theater/ausstellungen, schweizweit veröffentlicht.

Über Leonard Wüst

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