Postdienste mit hoher Legitimation, öffentlich-rechtliche Medien haben geringsten Rückhalt

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In einer internationalen Studie haben das Meinungsforschungsinstitut Gallup AG Schweiz und die Hochschule Luzern die Legitimation von 25 Organisationen der Grundversorgung in der Schweiz, Deutschland und Österreich untersucht. Während Postdienste in der Bevölkerung besonders hoch angesehen sind, haben öffentlich-rechtliche Medien aller drei Länder den geringsten Rückhalt.

Organisationen mit öffentlich-rechtlichem Auftrag sind den Interessen der Bevölkerung verschrieben. Im Sinne eines Service public müssen sie grundlegende Dienstleistungen oder Güter zur Verfügung stellen. Entsprechend hoch ist der öffentliche Anspruch, dass sie diese Aufgabe in hoher Qualität und effizient erfüllen.

Wie es um die Legitimation solcher Grundversorgungs-Organisationen in der Schweiz, Deutschland, und Österreich steht, haben das Meinungsforschungsinstitut Gallup AG, Schweiz als Auftraggeber und die Hochschule Luzern als wissenschaftliche Partnerin in einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage untersucht. «Die Legitimation von Organisationen der Grundversorgung wird in einer zunehmend digitalen und polarisierten Gesellschaft immer stärker hinterfragt. Unsere Studie hat zum Ziel, einen Beitrag zu der aktuellen Debatte über die Existenzberechtigung dieser Organisationen zu leisten. Im öffentlichen Diskurs über den Nutzen für die Bevölkerung helfen die Erkenntnisse zur objektiven Einordnung – zudem wollen wir das diesbezügliche Bewusstsein innerhalb der untersuchten Organisationen schärfen», erklärt Oliver Zügel, Verwaltungsratspräsident der Gallup AG, Schweiz.

Im Fokus standen 25 Organisationen aus den Bereichen Post, öffentlich-rechtliche Medien, Telekommunikation, Bahn und Energie. Sie wurden in Bezug auf Kundennutzen und -orientierung, volkswirtschaftlichen Nutzen, ökonomische Verantwortung, Umwelt- und Sozialverantwortung sowie Sympathie bewertet. Das Legitimationsverständnis der Studie mit diesen fünf Dimensionen wurde an der Hochschule Luzern erarbeitet: «Es ist wissenschaftlich fundiert und findet sich auch in gesetzlichen Anforderungen wieder, in der Schweiz zum Beispiel in den Prinzipien des Service public aus Perspektive des Bundesrats», so Dr. Philipp Bachmann, der das Projekt seitens HSLU verantwortet.

Schweiz vertraut stärker in Service public

Übergreifend zeigen die Ergebnisse ein vielschichtiges Bild und machen im Ländervergleich deutlich: In der Schweiz haben Service public Organisationen einen stärkeren Rückhalt in der Bevölkerung als in Deutschland und Österreich. Sie befinden sich alle in den Top Ten des Legitimationsrankings. Während die Schweizerische Post gesamthaft den ersten Platz belegt, bildet die SRG mit dem zehnten Platz das Schweizer Schlusslicht. In Österreich ist das Spektrum der Legitimationswerte grösser: Die Österreichische Post und die ÖBB schneiden im Vergleich international gut ab, die Energieversorger befinden sich im Mittelfeld und der ORF am Ende der Rangliste. Die Legitimationswerte in Deutschland sind insgesamt niedriger als in den beiden anderen Ländern. Von den Unternehmen, die in dieser Untersuchung bewertet wurden, schafft es nur die Deutsche Post in die Top Ten. Von den fünf letzten Rängen im Gesamtranking sind vier von deutschen Unternehmen belegt.

Postunternehmen geniessen eine sehr hohe Legitimation

Die Schweizerische und die Österreichische Post belegen Plätze 1 und 2 – mitunter gelten sie als besonders kundenorientiert –, die Deutsche Post landet auf Rang 8. Darüber hinaus wird die Schweizerische Post gesamthaft mit der höchsten Sympathie und dem höchsten volkswirtschaftlichen Nutzen bewertet. Generell werden die Postunternehmen mit ihrem Kerngeschäft für die Bevölkerung als relevant und unverzichtbar wahrgenommen. Auch in Bezug auf ihre ökonomische Verantwortung erzielen sie in allen Ländern Spitzenwerte: Sie gehen laut der Umfrage umsichtig mit den Privilegien um, die ihnen zustehen.

Öffentlich-rechtliche Medien haben einen schweren Stand

Die geringste Legitimation in allen untersuchten Ländern wird den öffentlich-rechtlichen Medien zugesprochen. Die SRG gehört zwar zu den Top Ten im Drei-Länder-Vergleich, ist aber in der Schweiz die am tiefsten bewertete Organisation. ARD und ZDF landen im Gesamtranking auf Rang 22 und 23, mit engem Abstand vor dem ORF auf Rang 24. Im Vergleich zu anderen Branchen wird den öffentlich-rechtlichen Medien ein geringerer volkswirtschaftlicher Nutzen zugeschrieben.

Unter den Anbietern sind einige Unterschiede sichtbar. Laut Umfrage erzielt die SRG mit ihrem Programm einen hohen Kundennutzen und adressiert die Bedürfnisse der Bevölkerung; damit hebt sie sich von den Rundfunkanstalten der Nachbarländer ab. Besonders negativ werden die öffentlich-rechtlichen Medien in allen untersuchten Ländern im Umgang mit ihrer ökonomischen Verantwortung eingestuft. In Hinblick auf die Erfüllung ihres Auftrags werden die ARD, der ZDF und der ORF insbesondere für die Verschwendung öffentlicher Gelder und das Ausnutzen ihrer Privilegien kritisiert. Die SRG erzielt innerhalb der Branche etwas bessere Werte, liegt jedoch auch hier im unteren Drittel des Gesamtrankings. Auch hinsichtlich der Umwelt- und Sozialverantwortung wird die SRG deutlich höher bewertet als die ARD, der ZDF und ORF.

SBB und ÖBB top – Deutsche Bahn weit zurück

Die Deutsche Bahn landet auf dem 21. Platz und fällt damit weit hinter die gut bewerteten Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) und Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) zurück.
Letztere leisten in den Augen der Befragten einen bedeutenden Beitrag zur Volkswirtschaft.
Während die ökonomische Verantwortung von ÖBB und SBB branchenübergreifend im Durchschnitt liegt, erreicht die Deutsche Bahn hier einen sehr niedrigen Wert. Die Deutsche Bahn gehe unsorgfältig und ineffizient mit öffentlichen Geldern um und sollte reformiert werden, so das Verdikt der Umfrage.
Den ÖBB und SBB wird eine hohe Umwelt- und Sozialverantwortung zugeschrieben. Auffallend sind auch die Verbundenheit und Sympathie der Bevölkerung für die beiden Organisationen. Die Deutsche Bahn hat hingegen einen deutlich niedrigeren Sympathiewert.

Durchzogenes Bild bei Energieversorgern und Telekom

Der drittgrösste Schweizer Stromkonzern, die BKW, erreicht den dritten Platz des länderübergreifenden Legitimationsrankings. Auch insgesamt schneiden Schweizer Stromkonzerne gut ab. Deutsche und österreichische Energieunternehmen landen meist im Mittelfeld, auf den Rängen 11 bis 20. Darunter die grossen Vier in Deutschland: Vattenfall, EnBW, E.ON und RWE. Weiter zeigt sich, dass die schweizerischen Unternehmen Axpo, BKW und Alpiq von der Bevölkerung mit sehr starker Umwelt- und Sozialverantwortung assoziiert werden. Auch der Verbund und die EVN in Österreich erreichen in dieser Kategorie hohe Werte.  Ein Ausreisser ist der Energieversorger Uniper der Bundesrepublik Deutschland – über alle Organisationen wird seine Legitimation am meisten in Frage gestellt. Er erzielt zudem den niedrigsten gemessenen Sympathiewert.

Im Bereich Telekom hat die Schweizer Swisscom mit Platz 6 die Nase vorn, während die Deutsche Telekom und Telekom Austria erst auf Platz 14 und 16 folgen. Swisscom wird besonders mit einem hohen volkswirtschaftlichen Nutzen in Verbindung gebracht. Generell bewegen sich die drei Anbieter im soliden Durchschnitt.

Abbildungen

Untenstehend finden Sie eine Abbildung des Legitimations-Gesamtrankings über alle Länder und Branchen hinweg (zum Vergrössern anklicken).

Länderspezifische Grafiken:

  • Legitimations-Ranking für die Schweiz
  • Legitimations-Ranking für Deutschland
  • Legitimations-Ranking für Österreich
  • Erläuterungen zum Legitimationsverständnis

    Dem Projekt liegt ein wissenschaftlich fundiertes Legitimationsverständnis zugrunde, das an der Hochschule Luzern entwickelt wurde. Das Projektteam um Dr. Philipp Bachmann verfügt über viel Erfahrung in der Messung von Einstellungen über Organisationen und Medien. Durch die Entwicklung und Anwendung einer wissenschaftlichen Skala konnten fünf Schlüsseldimensionen identifiziert werden. Diese bieten ein umfassendes Bild der Legitimation einer Organisation aus unterschiedlichen Perspektiven.

    1. «Kundennutzen und -orientierung» betrachtet, wie gut eine Organisation Kundenbedürfnisse erfüllt.
    2. «Volkswirtschaftlicher Nutzen» bewertet die wirtschaftliche Bedeutung einer Organisation für das gesamte Land.
    3. «Ökonomische Verantwortung» bezieht sich darauf, wie eine Organisation ihre Privilegien nutzt und mit öffentlichen Geldern umgeht.
    4. «Umwelt- und Sozialverantwortung» betrachtet die Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit einer Organisation.
    5. «Sympathie» misst die emotionale Bindung und Sympathie, die Befragte gegenüber einer Organisation empfinden.

    Methodisches Vorgehen

    Die Untersuchung dauerte von 9. bis 15. Mai 2023 und wurde von der Gallup AG, Schweiz gemeinsam mit dem österreichischen Gallup Institut mithilfe von CAWI-Interviews (Computer Assisted Web Interviews) durchgeführt. In der Schweiz lag der Fragebogen zusätzlich in französischer Sprache vor. Die repräsentative Stichprobe umfasste 3’000 Befragte (jeweils 1’000 Befragte pro Land), die insgesamt 8’901 Bewertungen für verschiedene Organisationen abgaben. Bewertet wurden jeweils nur Organisationen aus dem eigenen Land, die den Befragten bekannt waren.

    Die Fragen bezogen sich auf insgesamt 25 Organisationen aus fünf Bereichen der öffentlichen Grundversorgung: Postwesen, öffentlich-rechtliche Medien, Telekommunikation, Bahngesellschaften und Energieversorger. Sieben davon aus der Schweiz, acht aus Österreich und zehn aus Deutschland.

    Die Hochschule Luzern hat den Fragebogen entwickelt und die Antworten ausgewertet. Die Durchführung der repräsentativen Befragung verantwortete die Gallup AG, Schweiz.

    Weitere Details zur Studie, den Resultaten und dem methodischen Vorgehen auf Anfrage via office@gallup.swiss.  [content_block id=45503 slug=unterstuetzen-sie-dieses-unabhaengige-onlineportal-mit-einem-ihnen-angesemmen-erscheinenden-beitrag]