2020 kamen im Seebecken erste Funde zum Vorschein, welche die früheste nachgewiesene Besiedlung des Stadtgebiets von Luzern in die Bronzezeit um 1000 v. Chr. datierten. Nun darf noch einmal zurückgerechnet werden, und zwar auf 3400 v. Chr. Damit ist die älteste bislang bekannte Siedlung im Luzerner Seebecken 5400 Jahre alt und damit 2400 Jahre älter als bisher angenommen. Diese Entdeckung im Bereich des geplanten Seetunnels des künftigen Durchgangsbahnhofs DBL wird dessen Bauphase zwar beeinflussen, aber weder verzögern noch verhindern. Weitere Untersuchungen werden den genauen Umfang der Rettungsgrabungen bestimmen.
Kantonsarchäologe Jürg Manser spricht bei archäologischen Funden ungern von Sensationen. Diesmal macht er eine Ausnahme: «Wir können mit den jetzigen, neuen Erkenntnissen eindeutig belegen, dass die Geschichte Luzerns mit einer jungsteinzeitlichen Pfahlbausiedlung beginnt. Das ist wirklich eine Sensation – und bedeutet, dass schon vor 5400 Jahren Menschen im Gebiet der heutigen Stadt siedelten!» Die Stadt Luzern ist also um 2400 Jahre älter, als bisher angenommen und beginnt im Jahr 3400 v. Chr. Zutage gebracht hat dies eine erneute archäologische Untersuchung – nachdem bereits 2020 im Luzerner Seebecken erstmals Reste einer bronzezeitlichen Pfahlbausiedlung aus der Zeit um 1000 v. Chr. entdeckt worden waren. Die aktuelle Überprüfung fand im Rahmen des Vorprojektes für den Durchgangsbahnhof Luzern (DBL) im Herbst 2021 statt. Man wollte erforschen, ob auch im Bereich des geplanten Seetunnels mit archäologischen Befunden zu rechnen ist.
Keramik, Getreidekörner und Feuerstein
Umfangreiche archäologische Untersuchungen haben eindeutige Resultate geliefert. 1.5 Meter unter dem Seegrund befindet sich eine dunkle Schicht mit hohem organischem Anteil und Holzkohle, die auf 3400 v. Chr. datiert werden kann. Mit Kernbohrungen wurde die Ausdehnung dieser Schicht bestimmt und erste Funde geborgen, so für diese Zeit typische Keramikfragmente und verbrannte Getreidekörner. Messungen mit einem für den Unterwassereinsatz entwickelten Sonargerät bestätigten mit dem Nachweis von Pfahlstellungen und Geräten aus Feuerstein den Befund, dass im Luzerner Seebecken die Reste eines oder mehrerer jungsteinzeitlicher Dörfer liegen. Diese Entdeckungen belegen auch einmal mehr, dass der Seewasserspiegel in früheren Jahrtausenden deutlich tiefer lag als heute und sich der See erst seit dem Mittelalter so präsentierte, wie wir ihn heute kennen.
Vorbereitungen für die Rettungsgrabungen starten jetzt
Durch die Entdeckung dieser jungsteinzeitlichen Fundstelle muss die Geschichtsschreibung für den Siedlungsplatz Luzern neu verfasst werden und ist wissenschaftlich von höchster Bedeutung. Nach den ersten Untersuchungen ist klar, dass vor Baubeginn im Luzerner Seebecken archäologische Rettungsgrabungen erforderlich sind, um die wichtigen kulturgeschichtlichen Zeugen zu dokumentieren. Diese sind vor dem offiziellen Baustart des DBL eingeplant, so dass keine Verzögerungen des Bauprojekts zu erwarten sind.
Auf die archäologischen Fachleute des Kantons wartet viel Arbeit. In den kommenden Jahren sind folgende Fragen im Rahmen diverser Voruntersuchungen zu klären:
1. In der Schweiz fehlt die Erfahrung, wie eine prähistorische Siedlungsstelle, die unter einer Schicht von Seesedimenten und in der Strömung im Bereich des Ausflusses der Reuss aus dem See liegt, mit einer Unterwassergrabung dokumentiert werden kann.
2. Die bisherigen Untersuchungen haben auch im nördlichen Teil des künftigen Seetunnels Hinweise auf archäologische Befunde ergeben. So zeigten sich dichte Pfahlstellungen, die in unterschiedlicher Tiefe stehen und mit den bisher angewandten Methoden weder interpretiert noch datiert werden können. Es ist nicht auszuschliessen, dass hier nebst den ur- und frühgeschichtlichen weitere Epochen wie etwa die römische Zeit belegt sein könnten.
3. Erst wenn die weiteren Untersuchungsergebnisse vorliegen, können die Befunde priorisiert, die Grabungsdauer bestimmt und die Grabungskosten berechnet werden. Die finanziellen Verpflichtungen werden dann Gegenstand weiterer Abklärungen zwischen dem Kanton und der SBB bilden.
Wissenschaftliche Untersuchung ist breit abgestützt
Die Entdeckung der ersten jungsteinzeitlichen Pfahlbaufundstelle im Luzerner Seebecken ist wissenschaftlich von grosser Bedeutung. Im Auftrag der beiden betroffenen Departemente BUWD und BKD war 2021-2022 ein Team von international renommierten, in Unterwasserarchäologie spezialisierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern an den archäologischen Voruntersuchungen beteiligt. Namentlich sind dies:
- Stadt Zürich, Amt für Städtebau, Unterwasserarchäologie und Dendroarchäologie UWAD, schweizerisches Kompetenzzentrum für Unterwasserarchäologie (Koordination, Projektleitung)
- Universität Bern, Institut für Pflanzenwissenschaften & Oeschger Zentrum für Klimaforschung, Abteilung Paläoökologie
- Universität Basel, Departement Umweltwissenschaften, Forschungsgruppe Geoökologie
- Universität Kopenhagen, Department of Geosciences and Natural Resource Management, seismische Analyse
Strategiereferenz
Diese Botschaft/Massnahme dient der Umsetzung des folgenden Leitsatzes in der Luzerner Kantonsstrategie:
Luzern steht für Innovation
Luzern steht für NachhaltigkeitAnhang
Bilder stehen hier zum Download bereit
Medienmitteilung vom 22. April 2021: Reste einer Pfahlbausiedlung beweisen: Luzern ist 2000 Jahre älter als bisher angenommen
Medienmitteilung 20. August 2021: Durchgangsbahnhof Luzern: Nun starten die archäologischen und geologischen Untersuchungen im Luzerner Seebecken[content_block id=45503 slug=unterstuetzen-sie-dieses-unabhaengige-onlineportal-mit-einem-ihnen-angesemmen-erscheinenden-beitrag]