Am 26. November 2023 stimmt die Luzerner Stimmbevölkerung über die Initiative Attraktive Zentren der Jungen Grünen und Grünen sowie über die Anti-Stauinitiative der Jungen SVP mit Gegenvorschlag ab. Der Regierungsrat lehnt in Übereinstimmung mit einer Mehrheit des Kantonsrats beide Initiativen ab, weil sie jeweils zu weit gehen. Bei der Anti-Stauinitiative empfehlen Regierung und Kantonsrat, den Gegenvorschlag anzunehmen.
Mobilität bewegt die Luzernerinnen und Luzerner. Am 26. November 2023 kommen zwei Initiativen zur Abstimmung, welche Anpassungen am Strassengesetz fordern. Die Initiative «Attraktive Zentren» der Grünen verlangt siedlungsverträgliche Ortsdurchfahrten in den Städten und Dörfern. Statt nur dem Durchgangsverkehr zu dienen, sollen die Strassen in den Ortszentren wieder sichere und attraktive Orte der Begegnung werden. Die «Anti-Stauinitiative» der Jungen SVP will, dass die Kantonsstrassen im Gleichschritt mit der wachsenden Nachfrage des motorisierten Individualverkehrs ausgebaut werden. So sollen Staus vermieden und die Erreichbarkeit sichergestellt werden. Regierungsrat und Kantonsrat lehnen die beiden Initiativen ab. Zur Anti-Stauinitiative empfehlen sie den Gegenvorschlag zur Annahme.
Attraktive Zentren: Ziel auch ohne neue Vorgaben gesetzt
Die Gestaltung des Strassenraumes in Ortszentren ist wichtig für die Wohn- und Aufenthaltsqualität in den Gemeinden und Städten. Dabei sind die Bedürfnisse aller Verkehrsteilnehmenden, der Anwohnerinnen und Anwohner, des Gewerbes sowie Verkehrs-, Sicherheits- und Umwelt-Überlegungen zu berücksichtigen. «Die Stossrichtung einer umfassenden Planung von Ortsdurchfahrten verfolgen wir, zusammen mit den Gemeinden, schon heute, deshalb sind keine neuen Vorgaben nötig», hält Regierungspräsident Fabian Peter als zuständiger Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdirektor fest. «Die Initiative ist in ihrer Absolutheit aber für die Mobilitätsentwicklung im Kanton Luzern nicht zweckmässig und schwierig umsetzbar», so Fabian Peter weiter.
Folgende Hauptgründe sprechen gegen die Initiative:
- Die Initiative gilt für alle Ortsdurchfahrten, unabhängig von der Strassenkategorie. Ihre Vorgaben betreffen somit auch Gemeindestrassen, Privatstrassen und Güterstrassen. Dies stellt einen Eingriff in die Autonomie der Gemeinden dar und schränkt die Privaten bei der Realisierung von Strassenprojekten ein. Die Gemeinden kennen ihr Gemeindegebiet beziehungsweise ihre Nachbarschaft am besten. Strassen mit hoher Wohn- und Aufenthaltsqualität liegen in deren ureigenem Interesse. Wie diese zu erreichen und mit anderen Strassenfunktionen zu vereinbaren ist, soll den Gemeinden überlassen bleiben, ohne hierzu kantonale Vorgaben zu erlassen.
- Die Siedlungsverträglichkeit ist nicht das einzige Kriterium bei der Strassenplanung. Strassen müssen für alle Verkehrsteilnehmenden Mobilität bewältigen können. Gleichzeitig leben und arbeiten Menschen entlang der Strassen. Deshalb sind in jedem Einzelfall sorgfältige Interessenabwägungen und ein politischer Aushandlungsprozess der beste Weg zum Ziel, den verschiedenen Funktionen des Strassenraums gerecht zu werden.
Der Regierungsrat empfiehlt den Stimmberechtigten in Übereinstimmung mit der Mehrheit des Kantonsrates (70 gegen 30 Stimmen), die Volksinitiative «Attraktive Zentren» abzulehnen.
Anti-Stauinitiative löst das Stauproblem nicht
Leistungsfähige Strassen sind zentral für den Lebens- und Wirtschaftsraum im Kanton Luzern. Der Regierungsrat strebt eine für alle Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer sichere, zuverlässige und attraktive Mobilität an. Regierungspräsident Fabian Peter: «Der alleinige Fokus der Initiative auf die Leistungsfähigkeit der Kantonsstrassen für den Autoverkehr steht der heutigen Mobilitätsplanung des Kantons diametral entgegen. Mobilität muss gesamtheitlich unter Einbezug aller Verkehrsmittel funktionieren. Dazu gehört auch, dass wir die knappen Ressourcen, einerseits finanziell und andererseits in Sachen Landverbrauch und Kulturland, schonend einsetzen.»Die Initiative ist aus den folgenden Gründen nicht zweckmässig:
- Wenn sich die Leistungsfähigkeit der Strassen mit übergeordneter Bedeutung nur noch nach dem motorisierten Individualverkehr bemessen würde, hiesse das, dass der öffentliche Verkehr, der Fuss- und Veloverkehr und die übrigen Verkehrsmittel für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Strassen keine massgebende Rolle mehr spielen dürften.
- Die Strassen müssten ohne Einbettung in die kantonale Richtplanung, ohne Berücksichtigung der umweltrechtlichen, raumplanerischen Rahmenbedingungen und mit den damit verbundenen Eingriffen in das Privateigentum stark ausgebaut werden. Ob das rechtlich möglich ist, bleibt offen.
- Eine konsequente Umsetzung der Initiative wäre nicht finanzierbar, bereits heute sind die Mittel knapp und müssen priorisiert werden. Für Infrastrukturausbauten müsste viel Land für neue Strassen erworben werden – mit dem damit verbundenen Eingriff in das private Eigentum. Das für Ausbauten von Kantonsstrassen und neue Umfahrungen benötigte Land ist zudem erfahrungsgemäss oft Kulturland mit Fruchtfolgeflächen.
- Die Initiative widerspricht den Zielen der vom Kantonsrat zustimmend zur Kenntnis genommenen Planungsberichte über die Klima- und Energiepolitik 2021 und über die Zukunft der Mobilität im Kanton Luzern 2023. Die Verlagerung von Verkehr auf «fossilfreie», energie- und flächeneffiziente Verkehrsträger entspricht nicht nur den Zielen unserer Klima- und Energiepolitik, sondern dient letztlich auch einem effizienten Gesamtverkehrssystem.
Der Gegenvorschlag von Kantonsrat und Regierungsrat nimmt die berechtigten Anliegen (Erreichbarkeit als Grundlage für die Wirtschaft; Reduktion der volkswirtschaftlichen Kosten von Staus) der Initiantinnen und Initianten auf und stellt zugleich sicher, dass sie mit den bewährten Grundsätzen und den umfassenden Planungen, unter anderem mit dem breit abgestützten, vom Kantonsrat am 20. März 2023 zustimmend zur Kenntnis genommenen Planungsbericht Zukunft Mobilität im Kanton Luzern, vereinbar bleiben. Der Gegenvorschlag stellt sicher, dass die Leistungsfähigkeit der Kantonsstrassen für den strassengebundenen Privat- und Wirtschaftsverkehr erhalten bleibt und dass im Fall einer Verminderung der Kapazität einer Strecke dies im umliegenden Strassennetz kompensiert wird.
In Übereinstimmung mit der grossen Mehrheit des Kantonsrates (83 gegen 27 Stimmen) empfiehlt die Regierung die «Anti-Stauinitiative » abzulehnen und den Gegenvorschlag (74 gegen 34 Stimmen) anzunehmen.
Anhang
Präsentation Medienkonferenz
Volksbotschaft Abstimmung vom 26. November 2023
Video Attraktive Zentren
Video Anti-Stauinitiative[content_block id=45503 slug=unterstuetzen-sie-dieses-unabhaengige-onlineportal-mit-einem-ihnen-angesemmen-erscheinenden-beitrag]