LAC Lugano, Arthur Millers Blick von der Brücke’, besucht von Marinella Polli

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Massimo Popolizio, Regisseur und Protagonist in Blick von der Brücke

Szenenbild der Vorstellung am LAC

Produktion und Besetzung:
Compagnia Umberto Orsini,
Teatro di Roma – Teatro Nazionale,
Emilia Romagna Teatro ERT / Teatro Nazionale
Regie Massimo Popolizio
Bühnenbild Marco Rossi Licht Gianni Pollini
Kostüme Gianluca Sbicca Ton Alessandro Saviozzi
Eddie Carbone, Massimo Popolizio
Beatrice Carbone, Valentina Sperlì
Avvocato Alfieri, Michele Nani
Marco, Raffaele Esposito
Rodolfo, Lorenzo Grilli
Catherine, Gaja Masciale
Tony, Felice Montervino
I Agente, Gabriele Brunelli
II Agente, Adriano Exacoustos
Louis, Marco Parlà

Am LAC ist in diesen Tagen ‘Uno sguardo dal ponte’ (,Ein Blick von der Brücke’, ‘A View from the Bridge’) über die Bühne gegangen. Dieses Drama von Arthur Miller ist weniger bekannt als sein ‘Tod eines Handlungsreisenden‘ aber sicher nicht weniger tief.

Von Titeln und Brücken 

Massimo Popolizio, Regisseur und Protagonist in Blick von der Brücke

Die Brücke, auf die der Titel des Stücks anspielt, ist die New Yorker Brooklyn-Bridge. In einer Szene denkt der Rechtsanwalt Alfieri gerade dort über die Geschehnisse. Alfieri, den von Eddie zu Rate gezogen wird, ist der Erzähler, eine direkte Beziehung (eine Brücke?) zum Publikum, eigentlich auch eine Art Chor wie in den griechischen Tragödien.

Die Tragödie eines Mannes

Ein grossartiger Massimo Popolizio als Eddie Carbone

Der Protagonist Eddie Carbone, ein italoamerikanischer Hafenarbeiter, lebt mit seiner Frau Beatrice und seiner Nichte Catherine in Brooklyn, wo viele Einwanderer aus Sizilien leben. Als sich die Nichte in einen von diesen verliebt………
Miller verbindet in einem literarisch grossartigen Werk Gesellschaftskritik und Psychoanalyse, aber es geht hier im Grunde eher um die Tragödie eines einzelnen Mannes, um kranke Liebe und Eifersucht, und weniger um Migration und die damalige Situation der Italiener in NYC.

Eine total packende Inszenierung

Massimo Popolizio und Valentina Sperlì als Beatrice Carbone

Der Regisseur Massimo Popolizio konzentriert sich nicht auf die soziale Situation der Migranten aus Sizilien, sondern sehr figurennah auf den Charakter und auf die Gefühle des Hafenarbeiters Eddie. So wie auch auf dessen dramatische private Geschichte, auf die emotionale Entfremdung des Protagonisten von seiner Frau Beatrice, und auf die immer krankhaftere Anziehung für seine Nichte. Die Tragödie wird vom Regisseur sehr schlüssig gezeichnet, dank auch der perfekten Charakterisierung des Anwalts, welcher, wie schon gesagt, nicht nur Erzähler ist, sondern Mediator, Moderator, mehr:  er hat sozusagen die gleiche Funktion des Chors in der antiken Tragödie. Obwohl die Psychoanalyse, die so typisch für die amerikanischen Autoren des 20. Jahrhunderts ist, sehr wichtig in diesem Stück ist, lässt das Ende aber sofort an das Schicksal, an das blinde Fatum denken, das man leider immer hinnehmen muss.

Eine Klasse Besetzung

Massimo Popolizio als Eddie Carbone und Gaia Masciale als Catherine

Der Regisseur Massimo Popolizio selber in der Rolle von Eddie Carbone ist einfach grossartig. Und das, besonders wenn er eifersüchtig wie ein Adoleszent reagiert, nachdem er die Liebe zwischen Catherine und dem Migranten Rodolfo erfährt. Zuerst grotesk, dann wahnsinnig bis zum tragischen Rache-Schuss, dennoch immer plausibel. Ebenso wie Gaja Masciale in der Rolle der Nichte Catherine, die Eddie als Waise aufgenommen hat. Glaubwürdig in ihrer harmlosen, naiven Zuneigung  für den Onkel, sowie auch als Objekt der Begierde, und wirklich rührend, wenn sie am Schluss versteht, dass es sich für ihn um eine ganz andere Art von Liebe handelt. Typengerecht besetzt und ebenfalls plausibel Valentina Sperlì als Beatrice, die duldsame, unterwürfige Ehefrau, die aber versucht, das Mädchen zu mehr Distanz zu bewegen, sobald sie die Gefährlichkeit der Situation erkennt. Den drei Schauspielern ebenbürtig sind Lorenzo Grilli als immer fröhlicher Rodolfo, Beatrices Cousin, in den sich Catherine verliebt, so wie Raffaele Esposito als Marco. Ideal besetzt Michele Nani als Rechtsanwalt Alfieri, der die furchtbare Tragödie kommen sieht.

Das Bühnenbild und die Kostüme 

Szenenbild der Vorstellung am LAC

Nicht zuletzt dank Marco Rossis Bühnenbild sehen wir eine freie, zeitlose und fast abstrakte Inszenierung. Die mit den sparsamen aber eloquenten Details ausstaffierte Bühne besteht aus einer kleinen und klaustrophobischen Wohnung, in welcher man sich ziemlich eng bewegt,  und aus trostlosem, billigem Mobiliar, das typisch für die Wohnverhältnisse eines Hafenarbeiters ist. Im Hintergrund schwarze Silhouetten von Laufstegen und Containern. Gianni Pollinis Light Design, betont jedes psychologische Register. Sehr eloquent sind auch die Kostüme von Gianluca Sbicca: ein aufreizender Minirock und leichte, kokette Frühlingskleider für eine Catherine, die mehr und mehr Selbstbewusstsein und erste Emanzipationszeichen zeigt; schwarz für die aus Süditalien stammende Ehefrau; dunkle Anzüge aus den 50er Jahren für den Protagonisten und für den Rechtsanwalt Alfieri.

Text: https://marinellapolli.ch/

Fotos    Marinella Polli  Yasuko Kageyama :https://www.luganolac.ch/it/lac/home

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Ein grossartiger Massimo Popolizio als Eddie Carbone

Massimo Popolizio als Eddie Carbone und Gaia Masciale als Catherine

OSI LAC Lugano_Foto Kaupo Kikkas

 

 

Dieser Beitrag wurde am von unter kolumnen meiner gastkolumnisten, musik/theater/ausstellungen, schweizweit veröffentlicht.

Über Leonard Wüst

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