Das Interesse an Kleinwohnformen ist in der Schweizer Bevölkerung hoch. Es gibt jedoch klare Unterschiede zwischen jenen Personen, die bereits in einer solchen Wohnform wohnen oder gewohnt haben und jenen, die es sich prinzipiell vorstellen können. Dies zeigt eine Studie der Hochschule Luzern.
Einerseits sind die Bodenressourcen in der Schweiz knapp, andererseits prägt der Nachhaltigkeitsgedanke die persönliche Lebensgestaltung von immer mehr Menschen. Kleinwohnformen wie Tiny Houses, Mikro-Appartements, Hallenwohnen oder Wohnen im Container beziehungsweise Fahrzeug scheinen drauf eine naheliegende Antwort zu sein. Eine Studie der HSLU untersucht erstmals wie hoch die Nachfrage und das Marktpotential von Kleinwohnformen in der Schweiz ist, und welche Interessen, Präferenzen und Bedürfnisse bei (zukünftigen) Bewohnerinnen und Bewohnern bestehen. Die HSLU-Expertinnen befragten dazu 1’254 Personen der Schweizer Bevölkerung mithilfe einer re-präsentativen Online-Befragung.
Grosser Unterschied zwischen Wunschvorstellung und Realität
Kleinwohnformen stossen in der Schweiz auf Interesse: Rund die Hälfte der Befragten hat bereits Erfahrungen mit Kleinwohnformen (als «Expert:innen» bezeichnet – 22 Prozent) oder kann sich vorstellen, in einer solchen zu wohnen (als «Interessierte» bezeichnet – 30 Prozent). Die andere Hälfte kann sich dies dagegen nicht vorstellen (als «Nichtinteressierte» bezeichnet – 48 Prozent). Diese sind in der Tendenz eher besserverdienende Personen mit einem höheren Haushaltsvermögen.
Interessant sei, dass sich die Antworten zwischen den Expert:innen und den Interessierten teilweise deutlich unterschieden, erklärt Projektleiterin Selina Lutz. «Ein Grund dafür dürfte insbesondere sein, dass Expert:innen die jeweilige Frage in Bezug auf ihre tatsächliche Wohnsituation bzw. Erfahrungen mit Kleinwohnformen beantworten, während sich die Interessierten auf ein hypothetisches oder Wunschszenario beziehen. Es besteht somit ein Gap zwischen Wunschvorstellung und Realität.»
Die Untersuchung zeigt, dass mit 43 Prozent die Mehrheit der Interessierten das Wohnen in einem festen Haus, wie beispielsweise einem Mini- oder ein Kleinsthaus, bevorzugen würde, während weniger als 10 Prozent der Expert:innen bisher in dieser Kleinwohnform lebte. Die überwiegende Mehrheit von 84 Prozent der Expert:innen gibt an, in einem Apartment zu leben, beziehungsweise gelebt zu haben. Weiter fällt auf, dass für Fahrzeuge und vorgefertigte Module zwar eine Nachfrage besteht, diese von Expert:innen als ständiger Wohnsitz bisher jedoch kaum genutzt werden. Mehr als die Hälfte der Kleinwohnformen von Expert:innen befindet sich an einer urbanen Lage. Bei den Interessierten wird dieser Standort hingegen deutlich weniger häufig genannt. Nur rund ein Drittel der Interessierten bevorzugt eine Stadt als Standort für die Kleinwohnform, während die anderen einen Wohnort auf dem Land oder in einer Agglomerationsgemeinde vorziehen.
Nachhaltigkeit ist vor allem für Interessierte wichtig
Für die Interessierten steht die Nachhaltigkeit deutlich im Vordergrund, während Expert:innen eher auf die Kosten achten. So legen Interessierte etwa bei der Strom-, Wasser- und Wärmeversorgung der Kleinwohnform tendenziell mehr Wert auf lokal produzierte und erneuerbare Energien. Eine geringe Umweltbelastung steht ebenfalls im Vordergrund. Demgegenüber stehen bzw. standen bei Expert:innen häufiger geringe Kosten und hoher Komfort im Vordergrund. Zudem geben 43 Prozent der Expert:innen an, dass eine finanzielle Notlage ein entscheidendes Motiv für die Wahl einer Kleinwohnform darstellte. Bei den Interessierten ist das wichtigste Motiv neben der Nachhaltigkeit, mehr in Freiheit und Autonomie zu leben.
Im Hinblick auf die gewünschten Wohnqualitäten ist eine natürliche Belichtung und Belüftung der Immobilie für beide Interessensgruppen wichtig. Darüber hinaus legen Expert:innen häufiger Wert auf eher praktische Eigenschaften wie Stauraum und Rückzugsmöglichkeiten, während Interessierte eher naturbezogene Wohnqualitäten wie Ausblick und Zugang zur Natur sowie natürliche Materialien als wichtig erachten. «Die Resultate der Studie deuten darauf hin, dass ein Angebot von Kleinwohnformen einen Beitrag zum nachhaltigen Wohnen bieten kann; dabei sollte allerdings der Kostenaspekt verstärkt beachtet werden, damit es in der Praxis Anwendung findet», fasst Selina Lutz zusammen.
Die Studie ist im Rahmen eines Innovationsprojektes (54769.1 IP-SBM) von der Hochschule Luzern als Forschungspartnerin und unter Mitfinanzierung der Innosuisse – Schweizerische Agentur für Innovationsförderung und der interdisziplinären Themencluster ITC der HSLU entstanden. Es handelt sich um ein interdisziplinäres Projekt der Departemente Technik & Architektur (Projektleitung), Soziale Arbeit und Wirtschaft, zusammen mit den folgenden 13 Umsetzungspartnern:
- Hawa Sliding Solutions AG
- Genossenschaft Kalkbreite
- Bau- und Wohngenossenschaft Kraftwerk1
- Stadt Zürich
- Maria und Heinrich Th. Uster-Stiftung
- Acht Grad Ost AG
- Uster AG Planer Architekten Immobilientreuhänder
- Metron Architektur AG
- Verein Kleinwohnformen Schweiz
- Bundesamt für Wohnungswesen
- Basellandschaftliche Kantonalbank
- Marion Burkhardt Architektin + Baubiologin
- René Hodel und Flavia Fluor[content_block id=45503 slug=unterstuetzen-sie-dieses-unabhaengige-onlineportal-mit-einem-ihnen-angesemmen-erscheinenden-beitrag]