Opernhaus Zürich, Carmen von Georges Bizet, besucht von Marinella Polli

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Carmen Szenenfoto von Monika Rittershaus

Carmen Szenenfoto von Monika Rittershaus

 

Produktionsteam:
Musikalische Leitung Gianandrea Noseda Inszenierung Andreas Homoki Co-Regie, Choreografie Arturo Gama Bühnenbild Paul Zoller Kostüme Gideon Davey Lichtgestaltung Franck Evin Choreinstudierung Janko Kastelic Dramaturgie Kathrin Brunner
Darsteller*innen:
Carmen Marina Viotti
Micaëla Natalia Tanasii
Mercédès Niamh O’Sullivan
Frasquita Uliana Alexyuk
Escamillo Łukasz Goliński
Don José Saimir Pirgu
Le Remendado Spencer Lang
Le Dancaïre Jean-Luc Ballestra
Moralès Aksel Daveyan
Zuniga Stanislav Vorobyov
Philharmonia Zürich
Chor der Oper Zürich
Kinderchor der Oper Zürich
SoprAlti der Oper Zürich
Statistenverein am Opernhaus Zürich

Carmen Szenenfoto von Monika Rittershaus

Bei der neuen, packenden Produktion am Opernhaus Zürich handelt es sich um die von Andreas Homoki im April 2023 an der Pariser Opéra Comique inszenierte ‘Carmen’. Georges Bizets Opéra comique in 4 Akten – in französischer Sprache mit deutscher und englischer Übertitelung – begeisterte letzten Sonntag das Zürcher Publikum und wird sicher ein Höhepunkt dieser Saison sein. Bis zum 15. Juni sind noch zahlreiche weitere Aufführungen vorgesehen.

Inszenierung und Bühnenbild

Carmen Szenenfoto von Monika Rittershaus

Für Andreas Homocki (Co-Regie und Choreografie von Arturo Gama) ist der Ort der Handlung die Salle Favart der Pariser Opéra Comique (genau wo die Oper 1875 uraufgeführt wurde). Eine Perspektive, die sicher anders ist, ohne aber bahnbrechendes Regietheater zu sein. Das Ganze beginnt in einem Theater-Foyer der Belle Époque, wo sich gut angezogene Herren mit erkennbaren Zwecken treffen. Das Konzept ist wie gesagt aussergewöhnlich, aber Situationen und Figuren entwickeln sich gut und gewinnen mehr und mehr an Plausibilität. Von einem bunten Flamenco-Andalusien bleibt der Bühnenbildner Paul Zoller weit entfernt, aber der realistische Rahmen und die farbigen Theatervorhänge, so wie auch Franck Evins Light Design und Gideon Daveys Kostüme passen total zum Konzept des Regisseurs. Damit wird auch eine mal fast leere, und paradoxerweise sehr dramatische, mal sehr chaotische Atmosphäre geschaffen. Am Ende der Aufführung verlässt man aber das Theater hauptsächlich mit der Schlussszene der Oper im Kopf, nähmlich mit etwas, was heute auch sehr aktuell ist, und das man Femizid nennt. Man denkt nur an sie, an Carmen; an die Frau, der Don Josè ganz erschreckend ein Messer in den Bauch stösst. Naja, verzweifelt ruft er nachher schon ihren Namen, aber damit bestätigt er nur noch seine kranke, toxische Liebe.

Musikalisch eine atemberaubende Oper

Carmen Szenenfoto von Monika Rittershaus

‘Carmen’ ist Georges Bizets letzte Oper und auch sein grösster Publikumserfolg. Gianandrea Noseda nähert sich dem Meisterwerk mit grossem Elan, und dies nicht nur während der sehr bekannten Ouverture, sondern auch in den nicht wenigen lyrischen Momenten. Unter der aufmerksamen Stabführung des italienischen Maestros spielt  die ‘Philarmonia Zürich’ geschmeidig, mühelos und mit sichtbarer Konzentration, um alle Farben und Nuancen der reichen Partitur differenziert  umzusetzen, und – was sehr wichtig für eine Oper wie ‘Carmen’ ist – ohne zuviel Pathos.

Drei grossartige Protagonisten

Carmen Szenenfoto von Monika Rittershaus

In der facettenreichen Titelrolle debütiert die in Lausanne geborene Mezzosopranistin Marina Viotti (die Tochter des verstorbenen und in Zürich sehr geliebten Maestro Marcello Viotti). Mit ihrem agilen, mal leichten mal dunklen Mezzosopran überzeugt sie stimmlich mit der berühmten Habanera ‘L’amour est un oiseau rebelle’ und mit der Seguidilla ‘Près des remparts de Seville’ im I Akt, sowie im Kartenterzett zusammen mit den Freundinnen Frasquita und Mercedes im III. Akt. Auch schauspielerisch begeistert Marina Viotti nicht nur mit ausserordentlichem Einfühlungsvermögen, sondern auch mit Sex-Appeal: als Arbeiterin in einer Tabakfabrik, als Schmugglerin, als Traum aller Männer, Verführerin und leidenschaftliche Liebhaberin, so wie auch als die emanzipierte Frau, die alle Konventionen sprengt und das Recht zu Freiheit und Selbstbestimmung beansprucht. Gerade die unmögliche Verbindung von Liebe und Freiheitsdrang wird für sie fatale Folgen haben. Ihr ebenbürtig in seiner nicht einfachen Rolle, stimmlich ohne Schwächen und schauspielerisch immer plausibel ist der Star-Tenor Saimir Pirgu als der einfache, sensible, zwischen Pflicht und Liebe ständig hin und her gerissene Soldat Don José. Der italo-albanische Sänger, der mit dem Opernhaus Zürich eng verbunden ist, überzeugt sowohl am Anfang, als er noch ahnungslos herumläuft, als auch wenn er für Carmen den Kopf verliert und ihr zuliebe alles hinter sich lässt: das Soldatenleben, die Verlobte, das Andenken an die Mutter. Pirgu identifiziert sich total mit seiner Rolle, und ist wirklich unvergleichlich mit der Blumenarie ‘La fleur que tu m’avais jetée’ im II. Akt, so wie mit dem letzten, verzweifelten Schrei am Schluss. Ein grosses Einfühlungsvermögen zeigt auch Natalia Tanasii als Micaëla; sie interpretiert ihre Rolle sehr lyrisch und mit einer makellosen Stimme, sowohl im Duett mit Don José ‘Parle-moi de ma mère’ im I. Akt als auch mit der Arie ‘Je dis que rien ne m’épouvante’ im III. Akt.

Die anderen Sänger

Carmen Szenenfoto von Monika Rittershaus

Etwas farblos bleibt hingegen Lukasz Goliński als der Stierkämpfer Escamillo, stimmlich und szenisch nicht sehr imposant, eher ein Träumer als ein explosiver Torero. Man kann kaum begreifen, wieso Carmen an ihm interessiert ist, und noch weniger kann man verstehen, dass Don José aus Eifersucht zum Mörder wird. Gut hingegen die anderen Sänger: Niamh O’Sullivan als Mercédes, Uliana Alexyuk als Frasquita, Spencer Lang als Remenado, Jean-Luc Ballestra als Schmuggler Le Dancaire, Aksel Daveyan als Morales und Stanislav Vorobyov als Leutnant Zuniga. Präzis und farbig ist auch der von Janko Kastelic meisterhaft vorbereitete Chor (Chor der Oper Zürich, Kinderchor der Oper Zürich, SoprAlti der Oper Zürich).

Das Zürcher Premierenpublikum spendete dem Maestro, dem Orchester, den Protagonisten und ins besondere auch dem Kinderchor einen langen Applaus.

Text: https://marinellapolli.ch/

Fotos: Monika Rittershaus  www.opernhaus.ch 

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Carmen Szenenfoto von Monika Rittershaus

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Dieser Beitrag wurde am von unter kolumnen meiner gastkolumnisten, musik/theater/ausstellungen, schweizweit veröffentlicht.

Über Leonard Wüst

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