Vor mehr als 50 Jahren wurde der Auenwald im Gebiet Hinter Leitschach bei Erstfeld durch den Bau des Reussdammes von der natürlichen Dynamik der Reuss abgeschnitten. Mit dem Revitalisierungsprojekt Hinter Leitschach wurde dieser unnatürliche Zustand so weit wie möglich wieder rückgängig gemacht und wertvolle Auenlebensräume für einheimische Tiere und Pflanzen geschaffen.
Ein natürlicher Auenwald ist nicht statisch, sondern unterliegt einem ständigen Wandel. Dadurch bildet sich ein Mosaik mit vielfältigen Lebensräumen für Tiere und Pflanzen. Ein natürlicher Auenwald wird regelmässig durchflutet. Es wechseln sich nasse und trockene, nährstoffreiche und -arme Zonen ab. Unbewachsene Bereiche und solche mit krautiger oder verholzter Vegetation liegen unmittelbar nebeneinander. Holz, das eingeschwemmt wird oder von abgestorben Bäumen stammt, bleibt im und am Gewässer liegen. Ziel der Revitalisierung am Hinter Leitschach ist es, diese Dynamik in der verbliebenen Aue wieder zuzulassen und so der Aue neues Leben einzuhauchen.
Damit der Auenwald von der Reuss wieder durchflossen werden kann, wurde der alte Damm rückversetzt und ein Seitengerinne mit Verbindung zur Reuss gebaut. Um gezielte Überflutungsbereiche zu fördern und dynamische Prozesse zu initiieren, wurden an zwei Stellen punktuelle Dammdurchstiche erstellt. Für eine optimale Wasserführung und Anströmung wurden strömungslenkende Elemente in der Reuss und im Seitengerinne angelegt. Dabei wurde mit möglichst naturnahen Verbauungen (Holzkästen) gearbeitet, was dem Auencharakter gerecht wird.
Sämtliches Holzmaterial, das bei der Rodung angefallen ist, wurde auf verschiedenste Art und Weise in Form von punktuellen Kleinstrukturen eingesetzt. Das ökologisch sehr wertvolle Totholz kann von Insekten, Pilzen, Flechten und Moose besiedelt werden. Hohlräume in abgestorbenen Bäumen werden potenziell von Fledermäusen und Vögeln bewohnt. Im Wasser wurden mit Wurzelstöcken, Raubäumen, aber auch einzelnen Struktursteinen, Deckungs- und Nahrungsmöglichkeiten für Fische, insbesondere für die Bach- und Seeforelle, geschaffen. Abrissufer werden von einigen Vogelarten als Brutstätten genutzt, indem sie Bruthöhlen graben oder ihre Nester unter der überhängenden Vegetation anlegen. Mit dem vorhandenen Kies- und Geschiebematerial der Reuss wurden offene Sand und Kiesflächen geschaffen. Diese wärmen sich bei Sonnenschein auf und werden von Insekten, wie dem Laufkäfer oder von Wildbienen, Spinnen und anderen Kleintieren genutzt. Asthaufen werden von Igeln, Eidechsen, Blindschleichen und verschiedenen Insektenarten bewohnt. Sie geben Schutz und bieten Nahrung. Die angelegte Trockensteinmauer können von Reptilien, wie der Zauneidechse und der Ringelnatter, als Sonnenplatz und Versteck genutzt werden. Mit dieser Vielfalt an ökologischen Kleinstrukturen werden potenzielle Lebensräume, Verbindungen und Trittsteine zu anderen natürlichen und naturnahen Biotopen geschaffen.
Trotz Revitalisierung ist der Hochwasserschutz weiterhin gewährleistet und an einigen Stellen sogar verbessert worden. Der neue Damm am linken Ufer ist auf ein 100-jähriges Hochwasser ausgelegt. Damit sich der Abfluss des Schützenbrunnens in die Reuss gegenüber heute verbessert, wurde der Abflussquerschnitt der Reuss auf der gegenüberliegenden Seite des Mündungsbereichs mit einer Ufervorschüttung optimiert. Die grösseren Holzstrukturen im Gewässerbereich wurden befestigt. Zusätzlich wurde die rechtsseitige Erosionsrinne in der Reuss mit grobem Geschiebematerial gefüllt, um eine einseitige Eintiefung der Reuss zu verhindern und eine optimale Anströmung und Entwicklung des Auengebietes zu fördern.
Damit der Erfolg des Projektes sowie wertvolle Erkenntnisse für zukünftige Revitalisierungen sichergestellt werden kann, ist eine Erfolgskontrolle vorgesehen. Dabei sind Zustandsaufnahmen vor Ausführung sowie 6 und 12 Jahre nach Ausführung vorgesehen.
Die Gesamtkosten des Projekts können gegenüber der Kostenschätzung von 3 Millionen Franken auf voraussichtlich 2,5 Millionen Franken gesenkt werden (inkl. Projektierung, Umsetzung und Erfolgskontrolle). Neben einem Finanzierungsbeitrag des KW Erstfeldertals hat der Bund das Projekt zur Hälfte finanziell unterstützt. Die Restkosten werden sowohl durch den Kanton als auch dem Ökostromfond der Gemeinde Erstfeld getragen. Die erforderliche Landfläche wurde im Rahmen der Ausgleichs- und Ersatzmassnahmen des Kraftwerks Erstfeldertal zur Verfügung gestellt.
Die Bauarbeiten im Gewässer konnten frühzeitig per Ende Februar fertiggestellt werden. Das Terminprogramm für die Aufwertung kann voraussichtlich trotz des nassen Märzes eingehalten werden. Die restlichen Bauarbeiten werden auf Ende April 2024 abgeschlossen und der Reussdamm im Anschluss für die Bevölkerung wieder frei gegeben.
Amt für Umwelt[content_block id=45503 slug=unterstuetzen-sie-dieses-unabhaengige-onlineportal-mit-einem-ihnen-angesemmen-erscheinenden-beitrag]