Produktion:
Musikalische Leitung Ivan Repušic Inszenierung Calixto Bieito Bühnenbild Aida Leonor Guardia Kostüme Ingo Krügler Lichtgestaltung Franck Evin Video Adria Reixach Choreinstudierung Janko Kastelic Dramaturgie Beate Breidenbach
Besetzung:
La duchessa Elena Maria Agresta
Ninetta Irène Friedli
Guido de Monforte Quinn Kelsey
Giovanni di Procida Alexander Vinogradov
Arrigo Sergey Romanovsky
Il sire di Bethune Jonas Jud
Il conte Vaudemont Brent Michael Smith
Danieli Raúl Gutiérrez
Tebaldo Omer Kobiljak
Roberto Stanislav Vorobyov
Manfredo Maximilian Lawrie
Philharmonia Zürich
Chor der Oper Zürich
Chorzuzüger:innen
Zusatzchor Opernhaus Zürich
Statistenverein am Opernhaus Zürich
Die Oper ‘I Vespri siciliani’, ein in der französischen Originalsprache 1855 in Paris uraufgeführtes Werk, ist zur Zeit am Opernhaus Zürich zu sehen. Laut dem etwas komplizierten Libretto von Eugène Scribe (ursprünglich unter dem Titel ‘Le Duc d’Albe’ für Donizetti geschrieben), ist die Oper im von den Franzosen besetzten mittelalterlichen Sizilien angesiedelt. Calixto Bieito, spanischer Regisseur mit kastilianischen Wurzeln, weltbekannt für seine brutal realistischen Inszenierungen, geht mit der ziemlich verwirrenden Handlung wie immer à sa façon vor.
Eine ergreifende, traumhafte Musik
Dass diese Verdis Oper manchmal unterschätzt wurde, zeigt diese neue Produktion deutlich. Das Opernhaus Zürich hat die italienische Fassung mit der Übersetzung von Arnaldo Fusinato gewählt (deutsche und englische Übertitelung); eine Version, die oft Orts- und Titeländerungen erlebte. Mehr als die Handlung oder die Sprache aber, was das Publikum noch heute am meisten fasziniert, ist die Musik, die mit ihren packenden Melodien, Arien, Quartetten und Terzetten, und den für jedes Ohr unvergesslich bleibenden Aktfinalen, sicher zum Mitreissendsten gehört, was Verdi komponiert hat. Der kroatische Dirigent Ivan Repusic führt mit extremen Elan, aber auch mit Eleganz durch die komplexe Partitur eine immer intonationssichere ‘Philarmonia Zürich’, die mit Aufmerksamkeit den Klang dosiert, und trotzdem imstande ist, eine grosse Spannung zu entwickeln.
Die sängerische Leistung
In dieser Oper, die zu Giuseppe Verdis längsten gehört, gibt es vier extrem schwierige Rollen, die in Zürich auf höchstem Niveau besetzt sind. Vor allem stellt das Werk grosse Ansprüche an die Interpretin der Hauptrolle. Maria Agresta singt die Duchessa Elena sowohl mit allen notwendigen dramatischen Attacken, als auch mit grosser Sensibilität, das heisst: sowohl im 5. Akt, bei der berühmten Siciliana «Mercé, dilette amiche», die einen intensiven dramatischen Sopran verlangt, als auch in den vielen lyrisch-empfindsamen Momenten. Auch szenisch gelingt es der italienischen Sängerin, Elenas Entwicklung zu zeichnen, besonders wenn diese ihr Dilemma zwischen der Liebe zum Vaterland und jener zum Geliebten ausdrücken muss. Sergey Romanovski in der Rolle des aufständischen Arrigo und dazu auch des Geliebten Elenas ist ihr sängerisch mit seinem kraftvollen aber anpassungsfähigen Tenor ebenbürtig. Der russische Sänger ist einfach grandios im ersten Duett mit Guido di Monforte. Dieser sehr komplexe Charakter wird von Quinn Kelsey gestaltet; der aus den Hawaii stammenden Bariton ist in bester Form, und damit szenisch und sängerisch einfach perfekt, auch wenn er zwischen der Liebe zu seinem neu entdeckten Sohn Arrigo (noch eine von Verdi tief ergründete Vater-Sohn-Beziehung) und seiner Macht hin und her gerissen wird. Last but not least zeichnet Alexander Vinogradov mit seinem herrlichen Bass den unerbittlichen Patrioten Giovanni di Procida. Gut sind auch die Nebenfiguren (vor allem Irène Friedli als Ninetta), sowie der von Janko Kastelic vorbereitete Chor (Chor der Oper Zürich, Chorzuzüger:innen und Zusatzchor Opernhaus Zürich), welcher praktisch eine Protagonistenrolle hat.
Eine typische Bieito-Inszenierung
Man versteht schon am Anfang der Vorstellung, wie sich der Enfant terrible Calixto Bieito für ein bestimmtes Motiv der Handlung interessiert: das der Gewalt gegen Frauen, und im allgemeinen des misogynen Verhalten aller Männer. Glücklicherweise erweist sich auch Bieitos Personenführung die richtige und auch der Psychologie der einzelnen Protagonisten wird grosse Aufmerksamkeit geschenkt. Wegen Aida Leonor Guardias Drehbühne würde man die Atmosphäre nicht nur als düster, sondern auch als dunkel definieren, wäre es nicht für das sehr präzise Light Design von Franck Evi und für Adrià Reixachs beindruckende Videoprojektionen: Kriegs- und Gewaltbilder, Partisanenszenen (sogar eine aus Rossellinis Film ‚Roma Città Aperta‘, auf deutsch ‚Rom, offene Stadt‘). In Zürich feierte man besonders die vier Hauptdarsteller und den Dirigenten mit stürmischem Applaus. Ausgebuht wurden hingegen Calixto Bieito und sein Team.
Text: https://marinellapolli.ch/
Fotos: Herwig Prammer www.opernhaus.ch
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