Ein Jahr der Extreme: Zum einen haben – mit nur einer einzigen Ausnahme – alle Schülerinnen und Schüler des diesjährigen Abschlussjahrgangs eine Anschlusslösung für den Herbst gefunden, was überaus erfreulich ist. Zum andern nehmen Schnupperlehren in der ersten Oberstufe zu; Schnuppern in der zweiten Oberstufe wird dann bereist für die Selektion genutzt – und nicht mehr zum Kennenlernen von Berufen und Branchen. Das ist für den Berufswahlprozess nicht optimal.
Auch in diesem Jahr werden knapp 92 Prozent der Abgängerinnen und Abgänger der obligatorischen Schule in eine Lehre starten, weiterhin das Gymnasium besuchen oder in eine andere Mittel- oder Fachschule übertreten. Sie haben damit den direkten Übertritt in die Sekundarstufe II geschafft. Wie in früheren Jahren ist diese Quote die höchste der Innerschweiz und auch schweizweit spitzenmässig.
berufliche Grundbildung | 237 | 67,0% |
allgemeinbildende Schule | 88 | 24,5% |
Direktübertritt in die Sekundarstufe II | 324 | 91,5% |
Brückenangebote / 10. Schuljahr | 22 | 6,2% |
andere Zwischenlösung | 7 | 2,0% |
keine Anschlusslösung | 1 | 0,3% |
Kein direkter Übertritt in die Sekundarstufe II | 30 | 8,5% |
Total (alle Befragten) | 354 | 100% |
Die Jugendlichen, die vorerst eine Zwischenlösung (Brückenangebot, 10. Schuljahr, anderes) gewählt haben, liegen mit einem Anteil von 8,2 Prozent etwas höher als im langjährigen Mittel. Nur eine Schülerin hat noch keine Anschlusslösung gefunden; sie wird von der Beruflichen Eingliederung der IV-Stelle bei der Lehrstellensuche unterstützt.
Urner Berufsbildung mit soliden Zahlen
Von den Schulabgängerinnen und -abgängern entschieden sich 237, ihre Laufbahn mit einer Berufsausbildung zu starten; das sind 67 Prozent. Davon starten 4 Prozent im Herbst in eine zweijährige Grundbildung (EBA oder PrA), während rund 5 Prozent parallel zur Lehre die Berufsmaturität absolvieren, die ihnen später den Zugang zu einer Fachhochschule ermöglicht. Darüber hinaus wählten die Jugendlichen aus rund 150 Lehrberufen, die in Uri ausgebildet werden, 72 aus: junge Männer aus einer breiteren Palette mit 54 verschiedenen Berufen, junge Frauen mit 34 Berufen. Nur gerade 16 Berufe haben Lernende beiden Geschlechts gefunden.
Die Hitliste der zehn am häufigsten gewählten Berufe im Jahr 2024 ist fast identisch mit jener der früheren Jahre. Neu auf die Liste schafften es die Handwerksberufe Metallbauer/in EFZ und Zimmermann/Zimmerin EFZ; im Gegenzug wurden frühere Spitzenreiter wie Polymechaniker/in EFZ, Schreiner/in EFZ, Zeichner/in EFZ aus der Hitliste verdrängt. Über 50 Prozent, also jede/r Zweite, wählte einen Beruf aus dieser Liste.
Beruf EFZ | m | w | Anzahl | in % | |
1 | Fachmann/frau Gesundheit EFZ | 1 | 23 | 24 | 10,1% |
2 | Kaufmann/frau EFZ | 4 | 18 | 22 | 9,3% |
3 | Elektroinstallateur/in EFZ | 10 | 1 | 11 | 4,6% |
4 | Maurer/in EFZ | 10 | 0 | 10 | 4,2% |
5 | Fachmann/frau Betreuung EFZ | 1 | 8 | 9 | 3,8% |
6 | Metallbauer/in EFZ | 9 | 0 | 9 | 3,8% |
7 | Detailhandelsfachmann/frau EFZ | 3 | 5 | 8 | 3,4% |
8 | Gärtner/in EFZ | 5 | 3 | 8 | 3,4% |
9 | Medizinische/r Praxisassistent/in EFZ | 0 | 8 | 8 | 3,4% |
10 | Zimmermann/Zimmerin EFZ | 7 | 0 | 7 | 3,0% |
Allgemeinbildende Schulen legen zu
Während in früheren Jahren im Durchschnitt rund 20 Prozent der Schulabgängerinnen und Schulabgänger in eine weiterführende Schule (Gymnasium, Fach- oder Berufsmittelschule) übertraten, sind es dieses Jahr gut 24 Prozent. Das ist – gemessen am Innerschweizer Durchschnitt von rund 30 Prozent und am gesamtschweizerischen Schnitt von rund 33 Prozent – eine tiefe Quote. Erfreulich ist, dass wieder mehr junge Männer den Weg ans Gymnasium gefunden haben, so dass die Klassen dieses Jahrgangs geschlechtermässig besser ausgewogen sind. Das Gegenteil ist bei den Fachmittelschulen der Fall: 12 junge Urnerinnen haben sich für die FMS entschieden; sie teilen die Schulbank mit nur einem Urner.
Lehrstellenzusagen während zweiter Oberstufe im Allzeithoch
Obwohl die Lernenden-Auswahl gemäss Zentralschweizer Berufswahlfahrplan in die dritte Oberstufe gehört und sich alle relevanten Akteure verpflichtet haben, den Jugendlichen genug Zeit für den Berufswahlprozess einzuräumen, berichten mehr als 51 Prozent des aktuellen Jahrgangs davon, während der zweiten Oberstufe eine Lehrstellenzusage erhalten zu haben. Während in früheren Jahren nur vereinzelte Schülerinnen und Schüler bereits in der ersten Oberstufe geschnuppert hatten, weil sie schon über konkrete Vorstellungen und über die entsprechende Berufswahlreife verfügten, gaben heuer 20 Prozent des Jahrgangs an, bereits in der ersten Oberstufe geschnuppert zu haben. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Jugendlichen mittlerweile früher reif sind, sondern dass der Selektionsdruck zugenommen hat. Das ist eine ungute Entwicklung, zumal auch Eltern beklagen, auf ihren Kindern laste ein grosser Druck, indem diese (allzu) früh vor eine berufliche Entscheidung gestellt würden. Auch Lehrpersonen bestätigen die immer früheren Zusagen. Die Dynamik in dieser Entwicklung zeigt ein Blick auf die vergangenen zwanzig Jahre:
Zeitpunkt der Zusagen | 2004 | 2009 | 2015 | 2019 | 2022 | 2023 | 2024 |
Zusagen bereits in der zweiten Oberstufe | 5% | 6% | 14% | 37% | 47% | 44% | 51% |
vor den Herbstferien in der dritten Oberstufe | 19% | 21% | 62% | 47% | 32% | 34% | 32% |
November bis Sportferien der dritten Oberstufe | 63% | 69% | 17% | 10% | 13% | 15% | 10% |
nach Sportferien bis Abschluss der Oberstufe | 9% | 3% | 5% | 4% | 6% | 7% | 5% |
Keine Angaben | 4% | 1% | 2% | 2% | 2% | 1% | 2% |
Total | 100% | 100% | 100% | 100% | 100% | 100% | 100% |
Schülerzahlen bei Schulaustritt | 474 | 464 | 391 | 358 | 350 | 336 | 354 |
Anzahl Schüler mit einer Berufsausbildung | 329 | 320 | 286 | 261 | 257 | 237 | 237 |
Während im 2004 und 2009 die meisten Lehrstellenzusagen während des Winters in der dritten Oberstufe erfolgten, verlagerte sich in den Zehnerjahren (2015/2019) der Zeitraum in den Spätsommer bis zu den Herbstferien der dritten Oberstufe. Ein wesentlicher Grund ist bei den rückläufigen Schülerzahlen seit der Jahrtausendwende zu finden. Diese haben sich seit 2019 auf tieferem Niveau stabilisiert; trotzdem hat sich der Trend zur frühen Lehrstellenausschreibung und Lehrstellenvergabe fortgesetzt. Darunter leidet der Berufswahlprozess. Aus diesem Grund sind alle am Berufswahlprozess beteiligten Akteure – allen voran die Lehrbetriebe, aber auch die Eltern und Lehrpersonen – aufgerufen, ihren Teil dazu beizutragen, dass dieser Trend sich umkehrt. Denn Berufswahlprozess und Auswahl der Lernenden sind anspruchsvolle Aufgaben, die angemessen Zeit brauchen.
Hinweis: Die detaillierte Auswertung der diesjährigen Schulenderhebung findet sich im Internet auf www.ur.ch/berufsberatung.[content_block id=45503 slug=unterstuetzen-sie-dieses-unabhaengige-onlineportal-mit-einem-ihnen-angesemmen-erscheinenden-beitrag]