Bregenzer Festspiele – Der Freischütz (Spiel auf dem See 2024/25) besucht und analysiert von Max Thürig

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Agathe links und Ännchen Foto Anja Köhler

Die Dialoge in der Oper Der Freischütz auf dem Bodensee werden mit beständiger Geräuschkulisse aus Wolfsgeheul, Rabengeschrei und Filmmusik aufpeppt Foto Anja Köhler

Szenenfoto von Anja Köhler

Szenenfoto von Anja Köhler

 

 

Besetzung und Produktionsteam:

Ottokar Liviu Holender
Kuno Raimund Nolte
Agathe Elissa Huber
Ännchen Gloria Rehm
Kaspar Oliver Zwarg
Max Thomas Blondelle
Samiel Niklas Wetzel
Ein Eremit Andreas Wolf
Kilian Philippe Spiegel
Brautjungfern Sarah Kling, Sarah Schmidbauer
Musikalische Leitung Enrique Mazzola
Wired Aerial Theatre | Statisterie der Bregenzer Festspiele
Bregenzer Festspielchor | Prager Philharmonischer Chor
Wiener Symphoniker

 

Der Freischütz der Bregenzer Festspiele: Eine Symphonie aus Technik und Kunst

Der Freischütz Szenenfoto von Max Thürig

Die Bregenzer Festspiele sind für ihre spektakulären und innovativen Inszenierungen weltberühmt. In diesem Jahr wird Carl Maria von Webers „Der Freischütz“ auf eine Weise präsentiert, die sowohl Kenner als auch Neulinge der Oper gleichermaßen in ihren Bann ziehen. Die Festspiele, die für ihre beeindruckenden Bühnenbilder und technischen Raffinessen bekannt sind, haben erneut bewiesen, dass sie zu den kreativsten und ambitioniertesten Veranstaltungen der Opernwelt gehören.

 

 

 

Keine gewöhnliche Opernaufführung

Der Freischütz Szenenfoto von Max Thürig

Schon beim Betreten der Seebühne am Bodensee wird mir klar, dass diese Inszenierung von „Der Freischütz“ weit mehr als eine gewöhnliche Opernaufführung ist. Die riesige Bühne, die scheinbar aus dem Wasser zu wachsen scheint, ist eine Symphonie aus Architektur und Technik. Versetzt in eine eisige Winterlandschaft mitten im Hochsommer freue ich mich in der ausverkauften Arena einem Spektakel erster Ordnung beiwohnen zu dürfen…

 

 

 

Bizarre Winterlandschaft als Seelenspiegel

Der Freischütz Szenenfoto von Max Thürig

Bereits mit der Anfangsszene – der Beerdigung Agathes – werden die Zuschauer in die harte Realität des menschlichen Lebens gestellt. Mit der Vorwegnahme des Ausgangs der Geschichte bietet sich mir die Möglichkeit, mich auf den eigentlichen Inhalt und die Nähe zur Realität zu konzentrieren. Nach 30 Jahren Krieg ist sehr vieles zerstört, Gefühlskälte hat sich ausgebreitet und die bizarre Winterlandschaft unterstreicht dies in bester Weise. Trotz allem; die Menschen sehnen sich nach Abwechslung, Unterhaltung und dem dolce Vita! Der Wettbewerb unter den (männlichen) Dorfbewohnern wird mit dem Schiessen auf die Hirschscheibe treffend dargestellt. Wer den gängigen Normen und Erwartungen, den Trinkgelagen und Besäufnissen nicht huldigt, fällt bei den Leuten durch. Max, der gewiefte Schreiberling aber ein sehr schlechter Schütze -hervorragend gespielt von Thomas Blondelle – passt so nicht in diese Gesellschaft, wird gemobbt, tätlich angegriffen und unterliegt seinem Widersacher und Mitbuhler Kilian (Maximilian Krummen) im Zweikampf um seine geliebte Agathe. (Elissa Huber) Das Gelächter und die Blossstellung durch die Gemeinschaft sind im sicher. Was macht er in seiner Situation? Wo kann er Hilfe holen? Von wem kann er Hilfe erwarten? Gibt es eine Gerechtigkeit? Gibt es den Gott, der die Menschen bestärkt und beschützt?  Er lässt sich in seiner Verzweiflung auf einen Pakt mit dem Teufel Samiel ein und glaubt, sich so bessere Karten zu sichern um seine Agathe für sich zu gewinnen… Ein schlechter Entscheid, wie sich letztlich zeigen wird! Max begibt sich in die Abhängigkeit des Teuflischen…

Wolfsschluchtszene als gewaltiges Licht- und Tonspektakel

Der Freischütz Szenenfoto von Max Thürig

Die Szene in der Wolfsschlucht beeindruckt durch die Kraft und die Mächtigkeit und ist irgendwie grauenerregend und angsteinflössend. Das Giessen der Freikugeln im Feuerring, die kräftige Musik, die Veränderung der Umgebung: ein Spektakel sondergleichen! Mittendrin Kaspar, der dem Teufel ein neues Opfer bringen muss, Samiel selber und natürlich Max… Stimmlich gibt hier Oliver Zwarg das Maximum um das diabolische Geschehen noch verstärkt zu untermalen. So nimmt die Geschichte ihren Lauf und Max’ Scheitern ist unumgänglich. Ja, sein Verhalten zerstört nicht nur sein eigenes Leben, sondern – Ironie des Schicksals – sogar das Leben seiner geliebten Agathe.

 

Happyend als Wahlmöglichkeit

Der Freischütz Szenenfoto von Max Thürig

Doch oh Wunder, da meldet sich Samiel (grossartig interpretiert von Niklas Wetzel) zurück. Er ist der witzige gesprächige und verführerische Opernguide. In seiner Funktion bietet er uns Zuschauern ein Happyend an: Mit dem Auftritt des Eremiten unter dem Auge Gottes spricht eine überirdische Macht, der Folge zu leisten ist. So wird künftig auf die Durchführung dieses fatalen Probeschusses verzichtet und somit kann die Beziehung zwischen Max und Agathe gebilligt werden. Wie würde unsere Welt wohl aussehen, wenn doch alles so einfach wäre und ein Machtwort immer solch positiven Konsequenzen hätte?…

Gedanken kreisen in meinem Kopf. Mir scheint, dass die Menschheit immer von den gleichen Dingen umgetrieben wird, lautete doch ein Ausspruch Samiels: «Liebe Leute, aus gestern werde heute!»

Hochkarätige Opernshow

Der Freischütz Szenenfoto von Max Thürig

Die Transformation der ursprünglichen Waldromantikoper Carl Maria von Webers in die heutige Zeit durch den Regisseur Philipp Stölzl ist kein leichtes Unterfangen aber umso beachtenswerter und bravourös gemeistert!  Die Inszenierung löst sich z.B. vom Frauenbild des frühen 19 Jahrhunderts und zeigt willensstarke junge Frauen, die ihr Leben in die eigenen Hände nehmen wollen. Dabei fällt Ännchen (Gloria Rehm) z.B. mit der Aussage «Weg aus diesem Nest» und anderen emanzipierten Aussagen auf. Der Bregenzer Freischütz mutiert dabei von einer klassischen Oper in eine vielschichtige und hochkarätige Opernshow! Klasse gemacht!
Beeindruckend und bemerkenswert ist auch die Choreographie der Aufführung. Die Bewegungen der Darsteller und Tänzer*innen sind perfekt auf die Musik und die visuellen Effekte abgestimmt. Diese Synchronität schafft ein harmonisches Zusammenspiel von Bild, Ton und Bewegungen, das die Grenze zwischen Oper und Theatershow verschwimmen lässt.

Musikalische Höchstleistung

Der Freischütz Szenenfoto von Max Thürig vom Schlussapplaus

Trotz all dieser speziellen Elemente und technischen Effekte wird Webers Musik nicht in den Hintergrund gedrängt. Die Wiener Symphoniker unter der Leitung Enrique Mazzolas interpretieren seine Musik kompakt und verhelfen so der modernen Darstellung des «Freischütz» zu einem wuchtigen Erlebnis!

Mein abschliessendes Fazit: Bregenzer Festspiele – sehr gerne wieder!

www.youtube.com/watch?v=stdh0MH3A8E

Trailer Pakt mit dem Teufel – Oper „Der Freischütz“ auf der Bregenzer Seebühne

www.ardmediathek.de/video/swr-kultur/pakt-mit-dem-teufel-oper-der-freischuetz-auf-der-bregenzer-seebuehne/swr/Y3JpZDovL3N3ci5kZS9hZXgvbzIwODM5OTg

Text www.maxthuerig.ch Fotos: Max Thürig und                                           bregenzerfestspiele.com/de

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Ännchen und die Wassernixen Foto Daniel Ammann

Der Freischütz Bühnenfoto von Anja Köhler

Szenenfoto von Daniel Ammann

 

Dieser Beitrag wurde am von unter kolumnen meiner gastkolumnisten, musik/theater/ausstellungen, weltweit veröffentlicht.

Über Leonard Wüst

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