Besetzung und Programm:
Ouvertüre zu «Don Giovanni» KV 527
Klavierkonzert Nr. 20 d-Moll KV 466
«Der Bote» (The Messenger) für Streichorchester und Klavier
«Zwei Dialoge mit Nachwort» für Streichorchester und Klavier
Sinfonie Nr. 34 C-Dur KV 338 & Menuett C-Dur KV 409
Kurze, aufgrund eines Mikrofonausfalls, etwas missglückte Begrüssung und Ansprache des Intendanten der Strings, Hans Christoph Mauruschat, in der er erklärte, dass das Programm, aufgrund der aktuellen Ereignisse auf Wunsch der Pianistin umgestellt wurde.
WOLFGANG AMADÉ MOZART Ouvertüre zu «Don Giovanni» KV 527
Die Ouvertüre zur Oper Don Giovanni ist erst in der Nacht vor der Premiere geschrieben worden. Sie besteht aus zwei Teilen: einer langsamen Einleitung folgt ein schneller Teil, der in Sonatenhauptsatzform gehalten ist. Der langsame Teil der Ouvertüre führt unmittelbar in das dramatische Geschehen der Oper ein. Vier Komturmotive, die die musikalische Substanz des Auftritts des Komturs am Ende der Oper im Speisesaal in Don-Giovannis-Schloss bilden, werden hier vorgestellt. Die ersten vier Takte bestehen aus einem wuchtigen Synkopen Motiv, der melodische Kern wird aus einer absteigenden Quart gebildet. Diesem einleitenden Quartschritt des Komtur-Motivs folgt ein punktierter Viertelnoten-Rhythmus, dem ein Motiv in den Streichern mit dem Kennzeichen eines aufsteigenden Sekundschrittes nachfolgt. Daniel Dodds führt sein Orchester, wie immer sitzend, zügig durch das aufbrausende Motiv der Ouvertüre, eine geglückte Ouvertüre in das Konzert.
Klavierkonzert Nr. 20 d-Moll KV 466
Dann kommt die Pianistin zum „Konzert für Klavier und Orchester Nr. 20 d-Moll, KV 466“ von Wolfgang Amadeus Mozart auf die Bühne. Es dauert über 2 1/2 Minuten bis die Solistin zum ersten Mal ins Geschehen eingreifen kann. Die klassische Struktur des Werks, die Zwiesprache zwischen Orchester und Solistin würde allein schon zufrieden stellen Hélène Grimaud aber geht einen entscheidenden Schritt weiter. Sie begeistert mit Tonkaskaden, mit abrupten Rhythmuswechseln, mit einer Klangfülle, die von einem Moment zum andern ins Nichts abfällt, um von einem anderen Standort aus neu zu beginnen.
Grimauds Meinung
Die Französin zu Mozarts Klavierkonzerten: Sie, so schreibt es Grimaud im Booklet, habe bei Mozart die «brodelnden Kräfte hinter der äusseren Heiterkeit und Beschwingtheit» entdeckt, das spüre man «vor allem in seinen in Moll komponierten Werken» wie dem d-Moll- Klavierkonzert KV 466. Die Kehrseite der beklemmenden Schattenwelt hinter der äusseren Beschwingtheit in Mozarts Moll-Werken ist das hellstrahlende Licht der Dur-Werke Mozarts.
Die Solistin erlebt die Töne als Farben
Die Synästhetikerin Hélène Grimaud sieht die Töne in Farben, das d-Moll in Blau. Die Zuhörer/innen dagegen leben in den Emotionen mit. Der Choreographie des Abends jedenfalls ist es geschuldet, dass die Pianistin, nach dem minutenlangen Applaus, von der Bühne abtritt, während die Zuhörer noch ergriffen in den Stühlen sitzen.
Nach einer kurzen Verschnaufpause setzt sich die Pianistin wieder an den Konzertflügen für die nun, infolge der Programmumstellung, vor statt nach der Pause folgenden zwei Werke des ukrainischen Komponisten Valentin Silvestrov, nach denen man, auf Wunsch der Aufführenden, in Gedenken der Opfer, bitte nicht applaudieren sollte.
Über den Komponisten
Valentin Silvestrov: „Was macht ihr Kremlteufel?“ „Das Gesicht Russlands ist nicht Putin, sondern die russische Kultur“, sagt Valentin Silvestrov, einer der bedeutendsten zeitgenössischen Komponisten der Ukraine. Er wollte bis zuletzt seine Heimatstadt Kiew nicht verlassen. Auf Drängen seiner Familie und seines Freundeskreises sowie unter dem Eindruck der zunehmenden Bedrohung entschied der 84-jährige Komponist schließlich doch, mit Tochter und Enkelin nach Berlin zu fliehen, wo er sich seit dem 8. März 2022 aufhält.
Zwei Dialoge mit Nachwort» für Streichorchester und Klavier
Irritierende akustische Erinnerungen durch ein leichtes Walzermotiv hervorgerufen, die sich in Nachdenklichkeit verwandelt. Schwer einzuordnende Komposition, wohl von den kriegerischen Geschehnissen geprägt, lassen ein etwas ratloses Auditorium sich selbst überlassen.
Der Bote» (The Messenger) für Streichorchester und Klavier
Der Anfang von «Der Bote» gemahnt an ein Motiv von Mozart. Überlang verharren Akkorde im Raum. Ausführlich Zeit, in die sich neue Motive einnisten können. Die gradlinige, schnörkellose Interpretation von Hélène Grimaud lässt alles irreal wirken. Klänge wie aus anderen Sphären scheinbar substanzlos und doch sehr eindringlich.
Einige konnten das applaudieren dann doch nicht unterlassen.
Wolfgang Amadé Mozart Sinfonie C-Dur KV 338
Die Orchestrierung in den Sätzen 1 und 3, mit Pauken und Trompeten und in der blockhaften Gestaltung verleiht ihnen den festlichen Charakter, gar etwas Barockes und den Typus der Italienischen Ouvertüre. Man verfolgt das Sonatenschema (wie gestaltet Mozart erstes und zweites Thema, wie die Durchführung etc.) und schon bald ist man wieder fasziniert von Mozarts Schattierungskunst, von seiner farbigen Orchesterbehandlung, seinem Spiel mit Motiven und vor allem auch vom Dur-Moll Wechsel im ersten Satz, der ohne Wiederholungen abläuft.
Eigenständiger zweiter Satz
Der zweite Satz, „Andante di molto più tosto Allegretto“, zweiteilig (der zweite Teil variiert den ersten leicht), packt mich in seiner Gesanglichkeit genauso wie mit einigen auf sich aufmerksam machen wollenden (zum Teil synkopischen) Akzenten.
Das festlich-flotte 6/8 Finale, „Allegro vivace“, wieder fast barock anmutend, setzt in seinem Achtelbewegungs-Drive die feine motivische und farbliche kompositorische Arbeit fort. Es ist wieder ein Sonatensatz, diesmal werden aber sowohl die Exposition als auch Durchführung/Reprise wiederholt. Klar, es gibt herausragendere Symphonien Mozarts, KV 338 ist quasi „die letzte vor den ganz Großen“, aber allein mit den Farbmischungen des Werks, von Daniel Dodds und «seinen» Lucerne Festival Strings klangschön in die Ohren gezaubert, packt einen die Mozart Magie auch hier. Ein Konzertabschluss ganz nach dem Gusto des sachkundigen Publikums, das sehr zahlreich erschienen war, sogar die Orgelempore war fast besetzt, und die Darbietenden entsprechend beklatschte. Die einzelnen Register durften sich über einen Sonderapplaus freuen.
Text: www.leonardwuest.ch Fotos: Fabrice Umiglia https://www.fsl.swiss/
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