Besetzung:
Abdullah Ibrahim, piano – Cleave Guyton, alto sax/flute/clarinet/piccolo (musical director) – Lance Bryant, tenor sax – Michael Pallas, trombone – Joshua Lee, baritone sax – Noah Jackson, bass/cello – Willie Terrill, drums
Grundsätzliches zu Abdullah Ibrahim
Mit 88 Jahren blickt Südafrikas grosser Jazzpianist Abdullah Ibrahim auf eine einzigartige Karriere zurück. Vor 60 Jahren kehrte der gebürtige Kapstädter dem Apartheid-Regime den Rücken und spielte seine ersten Konzerte in Europa im legendären Zürcher Jazzclub «Africana», wo er von Duke Ellington höchstpersönlich entdeckt und gefördert wurde. Es folgten unzählige Konzerte auf allen grossen Bühnen der Welt, seine Beziehung zur Schweiz aber blieb immer besonders eng. Das zeigte sich auch bei seinem letzten Schweizer Konzert in der Tonhalle Maag in Zürich von Ende Januar 2020, das zum langen bejubelten Triumph geriet: Seine Fans waren restlos begeistert von der aus Township-Hymnen und Kwela-Tanzmusik gespeisten Musik, die in ihrer repetitiven Einfachheit einen mitreissenden Sog entfaltet. Auf seinem anfangs 2022 veröffentlichten Solo-Album «Solotude» zeigt sich Ibrahim als Ton Maler auf dem Jazzklavier – sein hymnisches Spiel ist stets von einem tief in der Seele lodernden Feuer geprägt und verbindet Wohlklang mit Tiefgang.
Aus Dollar Brand wird Abdullah Ibrahim
Als Dollar Brand war er berühmt geworden, nachdem er 1962 vor dem Apartheid-Regime aus Südafrika geflohen war. Mit seinem Pianospiel hat er die südafrikanischen Melodien und Rhythmen in den Jazz gebracht. Eine Zeit lang lebte er in Zürich, wo seine Konzerte im Café Africana viele lokale Jazzmusiker inspiriert haben, so auch die junge Irène Schweizer. Gefördert von Duke Ellington, ist er mit Alben und Projekten weltweit berühmt geworden. Sein Song «Manneberg» (1974) wurde zur inoffiziellen Hymne der Anti-Apartheid-Bewegung in Südafrika.
Auf Einladung von Nelson Mandela kehrte Ibrahim 1990 nach Kapstadt zurück. 1994 spielte er bei dessen Amtseinführung. Zu den sozialen Projekten, die Abdullah Ibrahim in Südafrika initiiert hat, gehört neu auch das Klimaprojekt The Green Kalahari Project. Ibrahim lebt heute mit seiner zweiten Frau im Chiemgau in Bayern.
«Ekaya» bedeutet Heimat und tatsächlich hat die Formation Ekaya, die 1983 von Abdullah Ibrahim gegründet wurde, mit seinen Melodien das Publikum im vollen Konzertsaal des KKL in die Weite und Schönheit seiner südafrikanischen Heimat entführt. Dem 7-köpfigen Jazzensemble, das aus seinem Trio und einem Bläsersatz besteht, ist es gelungen, die von Abdullah Ibrahim komponierten Stücke in einen meditativen Klangteppich zu verwandeln, immer äusserst präzise und harmonisch gespielt, reduziert auf eine beruhigende und schlichte Einfachheit, frei von künstlicher, demonstrativer Virtuosität.
Zugleich zeigte aber der Künstler Abdullah Ibrahim das breite Spektrum seiner musikalischen Heimat. Der heute 88-jährige, aufgewachsen als Adolf Johannes Brand in einem Township von Kapstadt, begann schon als siebenjähriger Junge Klavier zu spielen. 1962 wurde er mit seinem «Dollar Brand Trio» von Duke Ellington entdeckt und in der Folge stark von ihm und später den Pianisten Thelonious Monk und Keith Jarrett beeinflusst. All diese Einflüsse sind verwoben und vernetzt in der Musik von Ekaya wieder zu finden, in einer ruhigen Einheit, kontemplativ und in sanften Legato.
Auf ins Konzert
Das Konzert begann mit einem eindrücklichen, wenn auch etwas gar langem, Solo von Abdullah Ibrahim, bevor seine Mitmusiker auf die Bühne kamen und einen satten, dennoch samtenen Klangteppich legten. Die einzelnen Soli, streng überwacht vom Meister am Flügel, variierten die Muster, sehr strukturiert, beherrscht und harmonisch. Man hätte sich mal einen Ausbruch gewünscht, eine Überraschung, ein Chaos gar, wie es eben auch und gerade auf einem afrikanischen Marktplatz stattfinden könnte. Aber an diesem Abend blieben die Akkorde wohlselektiert und angenehm zu hören für das Ohr und führten den Zuhörer nach innen, in seine, Abdullah Ibrahims Träume und Vorstellungen von eigener Heimat.
Wo Abdullah Ibrahim draufstand, war leider etwas wenig Abdullah Ibrahim drin
Meistens beteiligte sich der Altmeister kaum akustisch am Geschehen, spielte also nicht mit auf dem Konzertflügel, sondern begnügte sich mit kleiner Gestik mittels Handzeichen oder kurzem, zustimmenden Kopfnicken. Er war also äusserst sparsam mit seinem Zutun am Klavier, was das Auditorium etwas ratlos, erstaunt, gar etwas enttäuscht hinnahm. Nichts von technischer Raffinesse, explosiven Ausbrüchen, rasanten Läufen, Fingerjagden über das Elfenbein, keine punktuell hingeknallten Harmonien, nichts von berauschendem rasanten Furioso auf den 88 Tasten, die ihm die Welt bedeuten.
Etwas gar zahme, zu strukturierte Dramaturgie
Für mein Gusto ein zu enges Korsett für die eigentlich sehr spielfreudig wirkenden Männer mit ihren Blasinstrumenten. Der einzige, der konstant wirbelte, Bassist Noah Jackson, nahm sich ein paar, wenn auch kleinere, Freiheiten heraus, Drummer Willie Terrill blieb sich und den Anweisungen des Leaders treu, also zurückhaltend unaufdringlich, bis auf die eine Ausnahme und dramaturgisch völlig fehl am Platz das erste Solo des Drummers, nicht als Abschluss und Krönung eines gut gespielten Sets, sondern völlig unmotiviert zwischen zwei der insgesamt bloss acht verschiedenen Themes, die während der 90 Minuten aufgegriffen wurden. Die späteren Drummer Einlagen waren dann dort, wo sie hinpassten, mal im Dialog mit dem Bassisten, mal gar als klassisches Jazztrio, also mit Klavier, Bass und Drums.
Räumlich zu separiert von seinen Mitmusikern
Etwas unglücklich Ibrahims Platzierung ziemlich weit entfernt von der Band, sodass nie ein richtig ganzes Eines entstand, dazu überliess der Chef die Szene eigentlich komplett seinen, zugegeben, ebenfalls grossartigen Mitmusikern, ergriff fast nie die Gelegenheit, um eine brillante Solosequenz einzustreuen, während der Bassist fast pausenlos die Saiten rauf und runter turnte und der Schlagzeuger brav seine Besen angenehm zurückhaltend einsetzte. Dann, schon fast stur, die Soli der einzelnen Musiker immer in der gleichen Abfolge, Altosax, Tenorsax, Posaune und Baritonsaxophon. Alle acht interpretierten Stücke waren charakterlich sehr ähnliche, ruhige Werke, liessen etwas die überschäumende afrikanische Lebensfreude vermissen.
Andeutung von Dollar Brands Antiapartheidhymne als Supplement
Zum Schluss gabs dann noch eine «Andeutung» von «Mannenberg» ( ein Musikstück von Abdullah Ibrahim, ( damals, vor Übertritt zum Islam, noch Dollar Brand) das 1974 erstmals auf Schallplatte erschien. Es gilt als Symbol gegen die damalige Apartheidpolitik in Südafrika. Der Titel bezieht sich auf das Township Manenberg nahe Kapstadt, das von zwangsumgesiedelten Coloureds bewohnt wurde. Das Stück ist dem Cape-Jazz zuzurechnen).
Trotz der leisen Enttäuschung über das etwas blasse Konzert, wahrscheinlich auch dem doch recht hohen Alter des Südafrikaners geschuldet, wurden die Künstler am Schluss mit stehender Ovation gefeiert, wobei der Meister im Hintergrund blieb und seine Musiker mit klaren Handbewegungen zu ihren Verbeugungen und zum Entgegennehmen des Applauses aufforderte. Erst nach einer äusserst grosszügigen Zugabe, die zudem zum Besten gehörte, was an diesem Abend gespielt wurde, verneigte sich auch der grosse Meister Abdullah Ibrahim vor seinem Publikum und schritt anschliessend sehr würdevoll von der Bühne. Ein eindrücklicher und bereichernder Abend für ein sehr aufmerksames, etwas erstauntes, aber trotzdem dankbares Publikum.
Text: www.leonardwuest.ch
Fotos: www.allblues.ch und https://www.jazzluzern.ch/
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