Die Eskalation im Nahen Osten bereitet Caritas Schweiz grosse Sorgen. Die Kämpfe im Libanon stehen derzeit im Fokus, doch auch in Gaza bleibt die humanitäre Lage ein Jahr nach dem Einmarsch Israels höchst prekär. Die Caritas verstärkt deshalb ihr Engagement in der Region und stellt sechs Forderungen an die internationale Gemeinschaft und die Schweizer Politik.
Im Schatten der Kriegshandlungen zwischen der Hisbollah und Israel jährt sich am 7. Oktober der Angriff der Hamas auf die israelische Zivilbevölkerung mit rund 1’200 Toten. Bei der darauffolgenden Offensive Israels sind laut den Gesundheitsbehörden in Gaza bis heute über 41’000 Palästinenserinnen und Palästinenser ums Leben gekommen, darunter mindestens 10’000 Kinder.
Auch ein Jahr nach Kriegsbeginn ist die Situation der Zivilbevölkerung im Gazastreifen dramatisch. Die Gesundheits- und Lebensmittelversorgung ist weitestgehend zusammengebrochen, gemäss Schätzungen stehen fast eine halbe Million Menschen am Rande einer Hungersnot, was rund einem Viertel der Bevölkerung entspricht.
Die Lieferung von Hilfsgütern wird jedoch behindert. Im September sind so wenige Lastwagen in den Küstenstreifen gelangt wie noch nie seit Kriegsbeginn. Zudem geraten humanitäre Organisationen immer wieder unter Beschuss und Mitarbeitenden wird die Einreise verwehrt. «Auch im Krieg ist Israel dazu verpflichtet, die Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern zuzulassen», sagt Peter Lack, Direktor von Caritas Schweiz. «Für die Versorgung der Zivilbevölkerung müssen dringend Hilfskorridore eingerichtet werden.»
Umliegende Regionen: Massive Fluchtbewegungen, eingebrochene Wirtschaft
Derweil nehmen die Kampfhandlungen zwischen der Hisbollah und Israel zu. Auf beiden Seiten ist es zu massiven Fluchtbewegungen gekommen. Im Libanon treffen die Bombardierungen eine Bevölkerung, die seit Jahren mit immer neuen Krisen konfrontiert ist. Dazu zählen der Bürgerkrieg im Nachbarland Syrien, die Hafenexplosion in Beirut oder die seit fünf Jahren anhaltende Wirtschaftskrise. Schätzungsweise 80 Prozent der libanesischen Bevölkerung lebt in Armut, mehr als ein Drittel ist von extremer Armut betroffen. Die Caritas hat ihre Projekte ausgeweitet, um auch auf die neuen Bedürfnisse zu reagieren, die durch die eskalierte Gewalt entstehen.
«Der Nahost-Konflikt breitet sich zu einem gefährlichen Flächenbrand aus und fordert täglich neue zivile Opfer», warnt Peter Lack. «Es braucht umgehend von allen Konfliktparteien ein Ende der Gewaltspirale. Als Hilfsorganisation appellieren wir an die internationale Gemeinschaft, den Bundesrat sowie National- und Ständerat, jetzt Massnahmen zur Beendigung dieser humanitären Katastrophe zu ergreifen.»
Konkret fordert Caritas Schweiz:
- umgehende Beendigung der Gewalt aller Konfliktparteien
- Hilfskorridore und sichere Versorgung der Zivilbevölkerung im Gazastreifen und im Libanon
- Freilassung aller israelischer Geiseln
- einen langfristigen und gerechten Frieden; die Schweiz kann und muss hierzu mit ihren diplomatischen Diensten einen besonderen Beitrag leisten
- Wahrung des Völker- und Menschenrechts von allen Seiten
- Weiterführung der finanziellen Unterstützung der Schweiz für das Palästinenserhilfswerk der Vereinten Nationen (UNRWA), das auch im Libanon, Westjordanland und in Syrien tätig ist