La voix humaine Tragédie lyrique in einem Akt
Libretto Jean Cocteau Musik Francis Poulenc
Interpretin Anna Caterina Antonacci, Elle
Darsteller (in alphabetischer Reihenfolge) Viola Carinci
Silvia Giuffrè, Yannick Lomboto
Samuel Salamone, Sabrina Vicari, Marta Zollet
Cavalleria rusticanaMelodram in einem Akt Libretto Giovanni Targioni-Tozzetti und Guido Menascinach dem gleichnamigen Drama von GiovanniVerga Musik Pietro Mascagni
Interpreten
Stefano La Colla, Turiddu, Veronica Simeoni, Santuzza
Dalibor Jenis, Alfio, Lucrezia Drei, Lola
Agostina Smimmero, Mamma Lucia
Darsteller (in alphabetischer Reihenfolge)
Viola Carinci, Roberto Galbo
Silvia Giuffrè, Yannick Lomboto
Samuel Salamone, Sabrina Vicari,Marta Zollet
Dirigent Francesco Cilluffo Regie Emma Dante
Wiederaufnahme von Federico Gagliardi
Bühnenbild Carmine Maringola Kostüme Vanessa Sannino
Licht Cristian Zucaro Choreografie Manuela Lo Sicco
Bühnenassistent Roberto Tusa Kostümassistentin Annamaria Ruocco
Orchestra della Svizzera italiana
Chor der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft
Chorleiter Donato Sivo Inszenierung Fondazione Teatro Comunale di Bologna Produktion LAC Lugano Arte e Cultura In Zusammenarbeit mit Orchestra della Svizzera italiana
Am LAC hat man in dieser neuen Saison das grosse Vergnügen, sogar zwei Opern am gleichen Abend zu erleben: Francis Poulencs ‘La Voix Humaine’ und Pietro Mascagnis ‘Cavalleria Rusticana‘; eine sehr interessante Kombination. Francesco Cilluffo leitet die Orchestra della Svizzera italiana, Donato Sivo den Coro della Radiotelevisione svizzera; die Inszenierung ist von Emma Dante (Wiederaufnahme von Federico Gagliardi).
Ein atypisches Doppelprogramm
Die Aneinanderreihung von zwei Opern am gleichen Abend findet oft eine dramaturgische Erklärung in der Tatsache, dass diese Werke zu kurz sind, um einzeln inszeniert zu werden. Obwohl es Bemühungen immer wieder gibt, auch neue Kombinationen zu wagen, wird ‘Cavalleria rusticana’ meistens mit Ruggero Leoncavallos ‚Pagliacci’ aufgeführt; ‚La Voix humaine’ wird hingegen fast immer am gleichen Abend vor oder nach Béla Bartóks ‚Herzogs Blaubart Burg’ inszeniert. Hier am LAC versucht man dieses Jahr mit einer eigentlich atypischen jedoch sehr eindrucksvollen Verbindung: was die Bühnenwirkung betrifft, eine erfolgreiche Lösung.
Das Scheitern von Liebesbeziehungen
Um das Scheitern von einer Beziehung geht es in Francis Poulencs ‘La Voix Humaine’ (‘Die menschliche Stimme’), einem Einakter von 1959, der auf Jean Cocteaus gleich betitelten Monolog (1930) basiert. Eine Frau wird von ihrer grossen Liebe verlassen; aus diesem Grund hat sie schon einmal erfolglos versucht, sich umzubringen. Ganz allein in ihrem Zimmer wartet sie jetzt auf den Anruf des Geliebten. Und das Telefon läutet……Um das Scheitern von Liebesbeziehungen geht es ebenfalls in der 1890 uraufgeführten ‘Cavalleria rusticana‘ (Libretto von Giovanni Targioni-Tozzetti/Guido Menasci nach dem Schauspiel und der Novelle von Giovanni Verga). Santuzza liebt den jungen Bauern Turiddu, der aber seine ehemalige Verlobte Lola wieder begehrt. Diese hat inzwischen den reichen Fuhrmann Alfio geheiratet, obwohl sie Turiddu immer noch liebt. Die unglückliche, eifersüchtige Santuzza, die ein Kind von Turiddu erwartet, erzählt Alfio von Lolas Beziehung zu ihrem alten Verlobten….
Ein musikalisch faszinierender Abend
In ‚La Voix humaine‘ drückt Poulenc die Komplexität menschlicher Kommunikation musikalisch aus, indem er, wie auch Cocteau perfekt tut, mit der realen oder mentalen An- und Abwesenheit spielt. Dazu benutzt er Pausen, die sowohl auf technische Störungen als auch auf zwischenmenschliche Sprachlosigkeit hinweisen. Francesco Cilluffos Dirigat ist diesbezüglich sehr präzis. Der italienische Maestro und Komponist ist auch sehr differenziert und bewegt sich mühelos zwischen leichteren kammermusikalischen Passagen und anderen, die durchaus symphonisch tönen. Auch im zweiten Teil des Abends gelingt es Cilluffo und dem Orchester, dem Publikum alle wunderschönen, zarten, melodischen und sehr populären Momente von ‚Cavalleria rusticana‘ mühelos zu bieten.
Grossartige Leistung der SängerInnen
Anna Caterina Antonacci als Protagonistin in Poulencs ‚La Voix humaine‘ ist einfach grandios. Das Repertoire der italienischen Sängerin hat die französischen Opern als Schwerpunkt, aber es deckt auch ein breites Spektrum an Mezzosopran- und Sopranrollen vom Frühbarock bis hin zu Musik des 20. Jahrhunderts ab. Mit ihrer flexiblen, runden, mal dramatischen mal lyrischen Stimme gelingt es der italienischen Sängerin am LAC immer, sich gegen das Orchester zu behaupten; besonders, gelingt es ihr, sowohl Verzweiflung und Verletzlichkeit als auch Grösse und Würde der unglücklichen, verlassenen Frau zu zeigen. Auch in ‚Cavalleria Rusticana’ bieten die SängerInnen eine fantastische Leistung. Stimmlich grandios ist Stefano La Colla als Turiddu; der italienische Tenor zeichnet mit Feuer die Auseinandersetzungen mit Santuzza und mit den anderen Figuren der Oper, aber mit grosser Sensibilität und Schmerz diejenige mit Mamma Lucia; diese wird mit grossartiger Altstimme von Agostina Smimmero verkörpert. Ebenfalls immer gut sowohl die Mezzosopranistin Lucrezia Drei als hübsche, kokette Lola als auch der charismatische Dalibor Jenis in der Rolle von Alfio, der stimmlich schon mit ’Il Cavallo scalpita’ das Publikum begeistert. Die schauspielerisch überzeugende Veronica Simeoni als Santuzza neigt hingegen oft zu Schärfen im hohen Register. Grossartig die Leistung des von Donato Sivo perfekt vorbereiteten Coro della Radiotelevisione Svizzera.
Eine sehr interessante Inszenierung
Für Emma Dante befindet sich die Protagonistin der ‚Voix humaine‘ in einem Krankenhaus oder in einer psychiatrischen Klinik. Sie stellt sich nur vor, (in der Inszenierung von Emma Dante) am Telefon mit ihrem Liebhaber zu reden, und das Telefonkabel ist tatsächlich nicht eingesteckt. Es ist, als ob die Regisseurin glauben würde, eine verlassene Frau kann verzweifelt und ausser sich sein, nur wenn sie krank oder verrückt ist. Was die Inszenierung von ‚Cavalleria rusticana‘ betrifft, wählt die Regisseurin eine sehr genaue und differenzierte Personenführung, und dies von der ersten Szene bis zum berühmten Schrei ‚Hanno ammazzato Compare Turiddu‘. Ihr Konzept wird aber vor allem durch Carmine Maringolas eloquentes Bühnenbild, Cristian Zucaros pünktliches Light Design, Vanessa Sanninos bunte Kostüme und die (manchmal überflüssigen) Manuela Lo Siccos Choreographien.
Das total begeisterte Publikum am LAC honorierte die Sänger besonders, aber auch Francesco Cilluffo, die Orchestra della Svizzera Italiana und das Regieteam mit einem langen, starken, verdienten Applaus.
Text: https://marinellapolli.ch/
Fotos Andrea Ranzi, Studio Casaluci https://www.luganolac.ch/it/lac/home
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