Frauen-Power für Umweltschutz: „Auch gegen massive Widerstände Visionen in Realität umgemünzt“
Die Träger des Deutschen Umweltpreises der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) stehen fest. Den mit 500.000 Euro höchstdotierten Umweltpreis Europas teilen sich 2013 die Gründerin und Geschäftsführerin der Firma Hock (Nördlingen), Carmen Hock-Heyl (58), sowie die Vorstandsvorsitzende der Netzkauf ElektrizitätsWerke Schönau (EWS) e.G., Ursula Sladek (67). Hock-Heyl wird geehrt, weil sie Dämmmatten für den Hausbau aus dem Öko-Rohstoff Hanf am Markt etabliert hat, „Stromrebellin“ Sladek, weil sie aus einer Bürgerinitiative den ersten Ökostromanbieter Deutschlands schuf. Die Frauen hätten „in Zeiten, in denen sie nur belächelt wurden, mit Überzeugungskraft, Kompetenz und Hartnäckigkeit gegen massive Widerstände zukunftsweisende Aufbauarbeit im Spannungsfeld von Ökologie und Ökonomie geleistet und so ihre Visionen in Realität umgemünzt“, sagte DBU-Generalsekretär Dr.-Ing. E. h. Fritz Brickwedde heute. Die Preise übergibt am 27. Oktober in Osnabrück Bundespräsident Joachim Gauck.
Hock-Heyl hat Dämmmatten aus nachwachsendem Rohstoff Hanf am Markt etabliert
Mit beharrlichem Engagement, unternehmerischem Durchsetzungsvermögen und Mut zum Risiko sei es Carmen Hock-Heyl gelungen, Dämmmatten für den Hausbau aus dem nachwachsenden Rohstoff Hanf am Markt zu etablieren, so Brickwedde. „Die Produkterfinderin, Unternehmensgründerin und Geschäftsführerin hat nicht nur Öko-Dämmstoffe hoffähig gemacht. Sie ist auch ein Vorbild für andere Unternehmen, weil sie Ökologie und Ökonomie erfolgreich in Einklang gebracht, gesundes Bauen gefördert und regionale Wirtschaftskreisläufe wiederbelebt hat.“
Einen mühsamen Weg gegen Widerstände und Desinteresse beschritten
Doch bis die Hanf-Produkte auf dem Markt und unter Fachleuten anerkannt waren, habe Hock-Heyl einen mühsamen Weg gegen Widerstände und Desinteresse beschreiten müssen. Sie habe den gesamten Prozess von der Aussaat des Hanfs über die Produktion der Dämmmatten bis zum Recycling komplett neu aufgebaut, viel Geld investiert und in Politik und Verbänden viel Überzeugungsarbeit geleistet. Seit 2003 produziere das Unternehmen die Dämmmatten selbst, 2005 sei der Firmensitz – heute mit rund 70 Mitarbeitern – von Stutensee bei Karlsruhe nach Nördlingen verlegt worden. Seit 2006 seien „Thermo-Hanf“-Produkte auf dem europäischen Markt. Mit „Thermo-Hanf Premium“ sei die Firma Hock als mittelständisches Unternehmen Marktführer für Naturfaserdämmstoffe aus Hanf.
„Hanf als Baustoff fürs Haus hartnäckig hoffähig gemacht“
Das neueste Produkt des Unternehmens, „Thermo-Hanf Plus“, sei vollständig biologisch abbaubar und werde von der Firma beim Abriss eines Hauses auch kostenlos zurückgenommen. Anstelle von im Brandfall giftigen Chemikalien als Flammschutzmittel verwende Hock für alle Produkte natürlich vorkommende Alternativen. Auch für den Handwerker und Verbraucher biete Thermo-Hanf viele Vorteile, weil er leicht, staubarm und hautverträglich zu verarbeiten sei und für ein gesundes und angenehmes Wohnklima sorge. Brickwedde: „Carmen Hock-Heyls Ziel war es immer, etwas für den nachhaltigen Klimaschutz zu tun und das Bauen mit Produkten aus nachwachsenden Rohstoffen – insbesondere Hanf – weiter zu etablieren. Mit ihrem Mut ist es ihr gelungen, aus Visionen Realität zu formen: Sie hat den Hanf als Baustoff fürs Haus hartnäckig hoffähig gemacht.“
Sladek Visionärin einer sicheren, wirksamen und zukunftsfähigen Energieversorgung
Zur Preisträgerin Sladek sagte Brickwedde, sie habe früh erkannt, dass nur gemeinsam mit den Bürgern und Gemeinden die Energieversorgung ökologisiert werden könne. Nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl 1986 habe sie eine Bürgerinitiative mit ins Leben gerufen, die sich für die Vision einer sicheren, wirksamen und zukunftsfähigen Energieversorgung eingesetzt habe und aus der 1994 der Ökostromanbieter EWS hervorging. Sladek habe mit ihren Mitstreitern und den EWS viele Hürden gemeistert, die der damalige Stromanbieter für die Netz-Übernahme aufgebaut habe. Dabei habe sie sich auch nicht von überhöhten Verkaufspreisen einschüchtern lassen. Ihrem Mut und ihrer Tatkraft sei es mit zu verdanken, dass die EWS 1997 das Schönauer Stromnetz übernehmen konnten. Sladek habe gezeigt, dass die Beteiligung der Bürger ein maßgeblicher Faktor für ein Umsteuern in der Energiepolitik und den Klimaschutz sei. Denn durch das Einbeziehen der Einwohner Schönaus als Stromkunden in die Arbeit der EWS und eine transparente Unternehmenspolitik habe sie „Vertrauen geschaffen, zum Handeln motiviert und einen ökologischen Wandel ermöglicht“.
Bürger, die gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, können die Energiewende gemeinsam vorantreiben
Die Bedeutung von Sladeks energiewirtschaftlichem Engagement für eine nachhaltige Energieversorgung in Deutschland sei herausragend. Bereits 1999, ein Jahr nach der Liberalisierung des Strommarkts, hätten Sladek und ihr Team in Schönau mit dem bundesweiten Stromvertrieb begonnen. Mit der Gründung der Genossenschaft Netzkauf EWS 2009 hätten die EWS auch der ökologisch motivierten Genossenschaftsbewegung in Deutschland neuen Auftrieb gegeben. Viele Städte und Gemeinden hätten sich an dem Bürgerbeteiligungs-Modell Schönau bis heute orientiert und setzten sich auf unterschiedliche Weise für die Energiewende ein. Sladek habe sich zusammen mit den Bürgern gegen ein Groß-Energieversorgungsunternehmen durchsetzen und einen ökologischen Wandel bewirken können. Das mache die Stromrebellin zu einem gesellschaftlichen Vorbild. Sie habe bewiesen, dass Bürger, die gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, die Energiewende gemeinsam vorantreiben könnten.
Hinweis an die Redaktionen: ausführliche Preisträger-Einzelwürdigungen, ihre Vitae, O-Töne und Fotos zur kostenlosen Veröffentlichung unter www.dbu.de.
Mit dem 2013 zum 21. Mal verliehenen Deutschen Umweltpreis der DBU – dem unabhängigen, mit 500.000 Euro höchstdotierten Umweltpreis Europas – werden Leistungen ausgezeichnet, die vorbildlich zum Schutz und Erhalt der Umwelt beigetragen haben oder in Zukunft zu einer deutlichen Umweltentlastung beitragen werden. Er richtet sich an Personen, Firmen und Organisationen. Es können Projekte, Maßnahmen oder Lebensleistungen einer Person prämiert werden. Kandidaten für den Deutschen Umweltpreis werden der DBU vorgeschlagen. Berechtigt dazu sind etwa Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften, Kirchen, Umwelt- und Naturschutzverbände, wissenschaftliche Vereinigungen und Forschungsgemeinschaften, das Handwerk und Wirtschaftsverbände. Selbstvorschläge sind nicht möglich. Eine vom DBU-Kuratorium ernannte Jury, besetzt mit unabhängigen und herausragenden Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Technik und gesellschaftlichen Gruppen, empfiehlt dem DBU-Kuratorium die Preisträger für das jeweilige Jahr. Das DBU-Kuratorium fällt die Entscheidung.