Lucerne Festival am Piano: Klavier-Konzert 1, Chamber Orchestra of Europe | Lawrence Foster Dirigent | Evgeny Kissin (Sasha Gusov) Klavier , besucht von Léonard Wüst

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Programm:

Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847)        Sinfonie Nr. 3 a-Moll op. 56 Schottische Sinfonie
Pjotr Iljitsch Tschaikowsky (1840-1893)Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 b-Moll op. 23

Allgemeine Vorinformationen:

Evgeny Kissin

Evgeny Kissin

Back to the roots? Bei seinem zweiten Auftritt interpretiert Evgeny Kissin jenes Werk, mit dem er zu Silvester 1988, vor 25 Jahren, seine fulminante Weltkarriere begann: Tschaikowskys berühmtes b-Moll-Klavierkonzert, das der damals 17-Jährige mit den Berliner Philharmonikern unter Herbert von Karajan aufführte. Sein Spiel rührte nicht nur den greisen Maestro zu Tränen, sondern auch Musikliebhaber rund um den Erdball, die das live übertragene Ereignis am heimischen Bildschirm verfolgten. Als «magnetisierend» hat Kissin diesen Abend im Gedächtnis behalten, trotz der extrem langsamen Tempi, die Karajan angeschlagen habe und die bei manch anderem wie eine Karikatur gewirkt hätten. Doch Evgeny Kissin liebt es nicht, sich mit seiner Vergangenheit zu beschäftigen, er betont vielmehr, dass er sich oft gar nicht daran erinnere, wie er früher ein bestimmtes Werk gedeutet habe. Und seine eigenen Aufnahmen hört er sich auch nicht an. Jede Aufführung sei wieder neu, erklärt Kissin, «weil ich inzwischen auch ein anderer geworden bin».

Bericht:

Im Moment ist man ja in Luzern auf die Russen nicht so gut zu sprechen, wegen des ewigen Theaters und Gerangel mit dem russischen Käufer des Hotels Château Gütsch (Nichteinhalten der gesetzlichen Bauvorschriften, diverse  leere Versprechungen, fortwährende Hinhaltetaktik usw.).

Ausgenommen von diesen Querelen  sind  russische Musiker, eindrücklich bestätigt durch den ausverkauften Konzertsaal im KKL beim gestrigen Klavierkonzert mit dem Tastenzauberer Evgeny Kissin.

Auf Anfang: den ersten Konzertteil bestritt das immer wieder grandiose „Chamber Orchestra of Europe“ unter der Leitung von Lawrence Foster mit der

Chambre Orchestra of Europe

Chambre Orchestra of Europe

Sinfonie Nr. 3 a-Moll op. 56 (Schottische Sinfonie) von Felix Mendelssohn Bartholdy, der dieses Werk seiner grossen Bewunderin Königin Viktoria widmete, was diese und ihr Mann König Albert hocherfreut akzeptierten. Mendelsohn pflegte seine guten Beziehungen zu den Royals und wurde ab und zu in das königliche Schloss eingeladen. Ueber zwölf Jahre schliff der Komponist an dieser Sinfonie, die er als letzte seiner total fünf Sinfonien 1842 vollendete und am 3. März desselben Jahres im Leipziger Gewandhaus unter eigener Leitung uraufführte.

Das Orchester brillierte mit allen Registern, ob Streicher, Bläser, Perkussion. Sehr zurückhaltend die Führung durch Lawrence Foster, der ein stetes Strahlen im Gesicht hatte, offensichtlich vom Wohlklang der Darbietung ebenso angetan wie das Publikum, das die Protagonisten denn auch mit langanhaltendem stürmischen Applaus bedachte und erst nach langer Zeit in die wohlverdiente Pause entliess.

 

Lawrence Foster

Lawrence Foster

Erwartungfroh und wohlgelaunt vom Pausenspaziergang zurück, lehnte man sich entspannt in den Sessel, wissend, dass man noch einen musikalischen Leckerbissen würde geniessen können.

Pjotr Iljitsch Tschaikowskys Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 b-Moll op. 23 stand an. Schon mit veritablen Ovationen wurde Evgeny Kissin empfangen, der sich kurz verbeugte, andächtig vor den Flügel setzte und noch den Klavierstuhl für seine Bedürfnisse justierte.

dann folgte auch schon das unverkennbare Intro der Hörner, dann die markante, machtvolle Abfolge der Akkordkette des Klaviers. ( Ich persönlich kenne nur noch zwei so unverkennbare Startsequenzen: Beethovens Fünfte mit dem ta ta ta ta

und Gershwins Klarinettenintro bei seiner Rhapsodie in Blue. Eigentlich erstaunlich, dass Nikolai Rubinstein, dem Tschaikowsky die Komposition eigentlich zugedacht hatte, das Werk zu Beginn eher als frivol, trivial, gewöhnlich, unpianistisch und wertlos befand und erst viel später in sein Repertoire aufnahm.

Schwer enttäuscht ob dieser Reaktion widmete Tschaikowsky das Werk kurzerhand dem Dirigenten und Pianisten Hans von Bülow, der hocherfreut reagierend dem Komponisten schrieb, als wie genial er das Werk empfand (eine wahre Perle, so edel, so stark usw.). Von Bülow nahm das Werk sogleich mit auf eine Amerikatournee und hob es am 25. Oktober 1875 in Boston aus der Taufe.

Kissin interpretierte ganz der russischen Schule entsprechend, kraftvoll, schwermütig, pathetisch den ersten Satz, dann elegant das Allegro con spirito, eher lausbübisch das Andantino semplici, spielfreudig virtuos das prestissimo und das Tempo 1, dann zum Schluss wieder mit der russischen Seele und Urgewalt das Allegro con fuoco. Ja dieses fuoco (Feuer) erfasste auch die begeisterten Zuhörer die eine stehende Ovation richtiggehend zelebrierten und als Dank eine erste Zugabe in Form einer Schumann Komposition erhielten, in die Kissin zum Schluss auch noch das Ave Maria „einwob“. Die logische Folge, ein Auditorium, das vor Begeisterung einfach applaudierend stehen blieb, sodass Kissin noch eine fulminante Chopin Polonaise auf den Flügel zauberte. Ein hochklassiger Konzertabend mit hochkarätigen Künstlern und einem begeisterten, dankbaren Publikum. Schlicht und einfach perfekt!

Text: www.leonardwuest.ch

Fotos: www.lucernefestival.ch