Programm:
Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791)
«Ah, lo previdi… Ah, t’invola», Rezitativ und Arie für Sopran und Orchester, KV 272
Ludwig van Beethoven (1770-1827)
Sinfonie Nr. 8 F-Dur op. 93
Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 36
Leitung: Sir John Eliot Gardiner, Solistin: Die Schweizer Sopranistin Chiara Skerath
Mozart im diamantroten Plisseekleid
Das Orchestre Révolutionnaire et Romantique spielt Beethoven und Mozart
Der Vorteil des unverbildeten Konzertbesuchers ist es, dass er das Ereignis geniessen kann und das Staunen noch nicht verloren hat. Ich besitze zwar die am vergangenen Sonntag in Bern präsentierten Beethoven-Sinfonien auf Tonträgern, wahrscheinlich auf Langspielplatten – ja, ich höre noch Vinyl! –, aber ich habe sie nicht im Kopf. Deshalb bin ich, um es kurz zu sagen, von der Aufführung begeistert. Aber auch die erfahrenen Klassikfans haben anerkennend genickt und ausgiebig Beifall gespendet.
Der Abend begann mit Ludwig van Beethovens 2. Sinfonie, zu Beginn etwas matt, erinnernd an die Konsistenz eines Streichkäses. Die Geiger/innen zwangen ihre Oberkörper wie mechanische Puppen zu abrupten Bewegungen, während sie steif auf ihren Stühlen sassen. Faszinierend.
Beethoven nahm langsam Fahrt auf, klang witziger, frischer und anregender, das Orchestre Révolutionnaire et Romantique wuchs unter der Leitung von Sir John Eliot Gardiner zu einer kompakten Einheit zusammen.
Zwischen den Beethoven-Sinfonien gab es eine Einlage von drei Mozart-Gesangsstücken, gegeben von der jungen Schweizer Sopranistin Chiara Skerath. Aus ihrem diamantroten Plisseekleid explodierte die glockenhelle Stimme: „Wahnbetörter! Mit dem ruhmreichen Schwerte, das mich befreit, durchbohrtest du dein Herz! … Ein Tiger! Ein Tiger nährte dich!“ Ich hab’s zwar eher mit Hauskatzen, aber wenn der Tiger so präsentiert wird, interessieren mich auch wilde Tiere.
Wenig Worte gibt es zu Beethovens 8. Sinfonie zu verlieren. Mal hört man ein romantisches Ständchen, zu dem man sich die Geliebte imaginiert, dann reitet eine Jagdgesellschaft durch den Wald, dann belauscht man ein witziges Zwiegespräch und verfolgt ein lockeres Tänzchen. In der Dichte und Vielseitigkeit schlicht grossartig. Für den enthusiastischen Beifall gibt es noch ein melodiöse, tanzartige Zugabe, von der die befragten Experten nicht wussten, was es war, also muss ich es auch nicht wissen. Das Fazit des ganzen Abends: Migros-Kulturprozent-Classics: Wir kommen wieder!
Text: Paul Ott www.literatur.li