Mitteilungen der HSLU: Der Tourismus lebt von der Freiwilligenarbeit

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logo-hsluErstmals wurde in einem interdisziplinären Forschungsprojekt der Hochschule Luzern das
Freiwilligenengagement im Schweizer Tourismus spezifisch untersucht. Das Resultat:
Viele Events könnten ohne Freiwillige gar nicht mehr durchgeführt werden.
Eventverantwortliche und Tourismusorganisationen stehen deshalb vor der
Herausforderung, weiterhin genügend freiwillig und ehrenamtlich Engagierte zu finden.
Im August dieses Jahres finden in Zürich die Leichtathletik-Europameisterschaften statt. 2100
Freiwillige werden für den Grossanlass im Einsatz stehen – ohne sie könnte die Veranstaltung nicht
stattfinden, sagen die Organisatoren. Eine ebenso hohe Bedeutung hat die freiwillige Tätigkeit für
den Schweizer Tourismus. Was bislang nur vermutet wurde, bestätigt nun eine Studie der
Hochschule Luzern. Ein Forschungsteam von Betriebsökonomen und Sozialwissenschaftlern hat in
Tourismusdestinationen freiwillige Tätigkeiten für Tourismusorganisationen (z.B. Arosa
Tourismus) und für touristisch relevante Events (z.B. Stanser Musiktage, Jungfrau Marathon)
untersucht. Dafür wurden sowohl Organisations- und Eventverantwortliche als auch freiwillig und
ehrenamtlich Engagierte befragt .
Rekrutierungsaufwand ist gross
«Viele Events könnten ohne Freiwilligenarbeit nicht mehr durchgeführt werden, was das touristisch
relevante Angebot in Ferienorten entscheidend ausdünnen würde», sagt Projektleiter Urs Wagenseil
vom Institut für Tourismuswirtschaft ITW der Hochschule Luzern – Wirtschaft. In Zahlen
ausgedrückt: Gemäss 67 Prozent der befragten Eventverantwortlichen ermöglicht die ehrenamtliche
und freiwillige Tätigkeit, dass Veranstaltungen überhaupt durchgeführt werden können. Deshalb
sind 81 Prozent auch vom hohen Nutzen dieses Engagements für die lokale/regionale
Wertschöpfung überzeugt. Tourismusorganisationen wiederum schätzen, dass sie dank der
Zusammenarbeit mit Freiwilligen und Ehrenamtlichen den persönlichen Kontakt sowie den
direkten Austausch mit der Bevölkerung pflegen können (72 Prozent), dadurch entstehen gemäss
63 Prozent der Tourismusorganisationen neue Ideen und Projekte in der Destination.
«Es ist für die Organisationen daher zentral, die Unterstützung von freiwillig und ehrenamtlich
Tätigen für die Zukunft zu sichern», sagt Urs Wagenseil. «Die Verantwortlichen müssen sich
vor allem mit der Tatsache auseinandersetzen, dass viele Personen nicht mehr ein
längerfristiges, sondern eher ein projektbezogenes Engagement eingehen möchten. Das hat
Auswirkungen auf die Besetzung von Ehrenämtern», ergänzt Beatrice Durrer Eggerschwiler
vom Institut für Soziokulturelle Entwicklung der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit. Mehr
als die Hälfte der Eventorganisationen beschreibt den Rekrutierungsaufwand von freiwillig und
ehrenamtlich Tätigen bereits heute als gross bis eher gross. Bei den Tourismusorganisationen
liegt dieser Anteil bei 40 Prozent.
Die Rekrutierung erfolgt vor allem mittels persönlicher Kontaktaufnahme: Drei Viertel aller
Tourismus- und Eventorganisationen sprechen Personen aufgrund ihrer Interessen,
Kompetenzen und bisherigen Erfahrungen spezifisch an. Weit verbreitet ist zudem die
Zusammenarbeit mit lokalen und regionalen Vereinen. «Die Gefahr besteht, dass man immer
die gleichen Kreise anspricht und vergisst, dass andere Personen ebenfalls zur Verfügung
stehen würden», sagt Durrer Eggerschwiler. Weggezogene Einheimische bieten besonderes
Potenzial, um bei einem Event in ihrer alten Heimat einen Freiwilligeneinsatz zu leisten. Auch
Stammgäste sind mögliche Helfer. «Ihre Verbundenheit mit dem Ferienort ist häufig viel
grösser als gemeinhin angenommen», sagt Wagenseil. Und für die Besetzung von Ehrenämtern
sieht Durrer Eggerschwiler ein weiteres Potenzial bei den Frauen und den jungen Menschen.
Gemäss dem Freiwilligenmonitor Schweiz üben Männer nämlich signifikant öfter ein Ehrenamt
aus als Frauen, und auch junge Menschen sind in der Gruppe der Ehrenamtlichen stark
untervertreten. «Diese Tendenzen zeigten sich auch in den Ergebnissen der Studie», sagt
Durrer Eggerschwiler.
Um auch in Zukunft genügend Helfer und Helferinnen rekrutieren zu können, sollten die
Organisationen zudem ein Augenmerk auf die Anerkennung der Engagierten legen. Dabei
bevorzugen Engagierte laut den Studienverfassern eher dankende Worte als materielle
Entschädigungen: Bei den Eventhelfern wird von rund der Hälfte der Befragten eine
«persönliche Anerkennung und Wertschätzung» gewünscht, bei den Tourismusorganisationen
ist dies eine der am meist genannten Antworten. Noch wichtiger ist hier einzig ein
«konstruktives und hilfsbereites Zusammenarbeiten» (85 Prozent). In beiden Bereichen
schätzen die Personen aber auch eine kostenlose Verpflegung und die Rückerstattung von
Spesen. «Die Ansprüche der Engagierten sind in den letzten Jahren stark gestiegen. Helferfeste,
Bekleidung und weitere Accessoires sind oft zu einer Selbstverständlichkeit geworden», sagt
Wagenseil. Zur Freude der Betroffenen, wie es scheint: Bei den Tourismusorganisationen sind
99 Prozent der Freiwilligen mit ihrer Arbeit sehr zufrieden oder zufrieden, bei jenen, die ein
Amt ausüben, liegt dieser Anteil bei 94 Prozent. Im Bereich der Events sind 99 Prozent der
Freiwilligen und 97 Prozent der Ehrenamtlichen sehr zufrieden oder zufrieden.
Empfehlungen für den Umgang mit freiwillig und ehrenamtlich Engagierten
Zusätzlich zu den Befragungen hat das Projektteam Beispiele aus der Praxis untersucht (wie
rekrutieren, bzw. belohnen beispielsweise bestehende Events und Organisationen ihre
Helferinnen und Helfer). Die Erkenntnisse daraus resultieren zusammen mit den
Umfrageergebnissen in 39 Empfehlungen für die vier Bereiche Verbindlichkeit & Transparenz,
Arbeitsumfeld, Leistungsanerkennung und Rekrutierung im Umgang mit ehrenamtlichem und
freiwilligem Engagement im Tourismus. Unter anderem empfiehlt das Forschungsteam, das
Personalmanagement zu professionalisieren, in der Eventorganisation der Gruppe der
ehrenamtlich und freiwillig Tätigen aufgrund ihrer Bedeutung den Stellenwert eines
Hauptsponsors beizumessen, Richtlinien im Umgang mit Freiwilligen zu erstellen, bekannte
Personen in die Freiwilligen-/Ehrenamtlichen-Arbeiten einzubinden und für die Rekrutierung
Unternehmen aus der Region anzusprechen, ob sie ihre Mitarbeitenden für einen freiwilligen
bzw. ehrenamtlichen Einsatz freistellen.
Zusammenfassungen der Studie mitsamt den Empfehlungen gibt es in zwei Versionen: für
Tourismusorganisationen und für Eventverantwortliche. Diese sind zusammen mit dem
umfassenden Schlussbericht zu finden auf www.hslu.ch/freiwilliges-engagement-tourismus.
Das Projekt wird vom SECO finanziell unterstützt
Das interdisziplinäre Projekt «Freiwilliges und ehrenamtliches Engagement im Rahmen
touristischer Organisationen und touristisch relevanter Events» ist 2012 gestartet. Die Ergebnisse
stützen sich einerseits auf sechs qualitative Experteninterviews und Workshops, andererseits fanden
Online-Befragungen statt: Die Antworten von 79 Tourismusorganisationen, 56 Eventveranstaltern
und 883 freiwillig und ehrenamtlich Engagierten wurden ausgewertet. Die Studienverfasser
unterscheiden in der Darstellung der Ergebnisse zwischen freiwilliger und ehrenamtlicher
Tätigkeit. Ehrenamtlich tätige Personen sind für ihr Amt berufen oder gewählt worden (z.B.
Mitglied in einem Tourismusvereinsvorstand), während sich Freiwillige im Rahmen eines
Vereins oder einer Organisation engagieren (z.B. Instandhaltung von Wanderwegen, Mithilfe
bei Events). Unterstützt wurde die Studie vom Staatssekretariat für Wirtschaft SECO, dem
Verband Schweizer Tourismusmanager, dem Schweizer Tourismus-Verband, der Unesco
Biosphäre Entlebuch und Migros-Kulturprozent.
Schlussbericht der Studie: http://www.hslu.ch/w-itw-projekt1492.htm