Zwischen Celloschmelz und Stahlgewittern
Die Frühlingstournee des Schweizer Jugend-Sinfonie-Orchesters
Programm:
Antonin Dvořák: Konzert für Violoncello und Orchester h-Moll op. 104
Witold Lutosławski: Konzert für Orchester
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Leitung: Kai Bumann
Solist: Lionel Cottet (Violoncello)
Das Schweizer Jugend-Sinfonie-Orchester gastierte am Samstag, 10. Mai, mit seinem ersten Konzert der Frühlingstournee unter der künstlerischen Leitung des Dirigenten Kai Bumann im Kultur-Casino Bern. Zwei anspruchsvolle Konzerte aus Tschechien und Polen standen auf dem Programm.
Zuerst einmal soll der erfreuliche Aspekt betont werden, dass nicht nur talentierte Musikerinnen und Musiker auf der Bühne zu bewundern waren, sondern dass auch das Publikum in seiner Mehrheit aus jungen Menschen bestand, ein Umstand, den man nicht genug würdigen kann, denn normalerweise sieht es in Konzertsälen anders aus.
Der Abend begann mit dem Konzert für Violoncello und Orchester, das Antonin Dvořák 1894/95 am Ende seines Aufenthalts in Amerika schrieb, durchtränkt von der Sehnsucht nach der Heimat und der Wehmut über das Sterben seiner geliebten Schwägerin.
Den Solopart übernimmt mit Lionel Cottet ein international bereits sehr erfolgreicher Cellist, der mit seinem poetischen Spiel Dvořák s Konzert mit zartem Schmelz überzeugend interpretiert. Anklänge an die Spätromantik durchdringen die Musik, manchmal wird eine Pastorale evoziert, dann ein Trauermarsch.
Was neben der Brillanz des Solisten nicht ganz aufging, war die Dynamik des Orchesters, das sich konzentriert, aber fast etwas dogmatisch zurückhielt. Man fragte sich, ob das die Rücksichtnahme auf das Cello, die zögerliche Interpretation oder eine gewisse Limitiertheit des jungen Orchesters war … und wurde nach der Pause eines Besseren belehrt.
Vorher aber verabschiedete sich Lionel Cottet in seiner gemessenen Brillanz mit einer Sarabande von Johann Sebastian Bach vom Publikum.
Im Konzert für Orchester von Witold Lutosławski spielte das Schweizer Jugend-Sinfonie-Orchester wie befreit auf, es gewann an Prägnanz, Dynamik und Emotion und interpretierte das schwierige Konzert des Polen in mitreissender Gestaltung. Es hatte die zwischen 1950 und 1954 entstandene Musik mit dem Rückgriff auf Themen aus der slawischen Volksmusik und den Stahlgewitterstürmen aus der Kriegszeit in seiner ganzen Dramatik klar im Griff.
Die Musikerinnen und Musiker jedenfalls – das legt dieser Abend nahe – werden ihren Weg machen. Hoffen wir, dass auch das jugendliche Publikum mitzieht. Die Frühjahrstournee des Schweizer Jugend-Sinfonie-Orchesters ist noch in Solothurn, Neuchâtel, Zürich und Chur zu sehen (in Chur zum einladenden Preis von Fr. 5.- für Schüler/innen und Student/innen).
Text: Paul Ott:www.literatur.li
Fotos: Homepage des www.sjso.ch