Vorabinformationen:
Als Chefdirigent des Petersburger Mariinsky Orchesters (eines der ältesten Orchester Russlands), folgt Valery Gergiev einer mehr als zweihundertjährigen russischen Musiktradition. Sein aus Irkutsk stammender Landsmann Denis Matsuev (u.a. Preisträger des Tschaikowski-Wettbewerbs 1998) ist einer der anerkannt besten Rachmaninow – Interpreten der Gegenwart.
Der Moskauer Dirigent Valery Gergiev hat sich als einer der faszinierendsten Dirigenten der internationalen Musikszene erwiesen, insbesondere in der Opernsparte. Er gewann den Dirigentenwettbewerb der Sowjetrepubliken (Moskau 1975) und den Herbert von Karajan-Wettbewerb (Berlin 1976), bevor er Assistent Yuri Temirkanovs in Leningrad wurde. 1988 folgte er diesem als musikalischer Leiter des Orchesters des Mariinsky Theaters und ist seit 1996 auch dessen Generaldirektor. Valery Gergiev war erster Gastdirigent der Metropolitan Opera New York (1997–2008) und Musikdirektor der Rotterdamer Philharmonie. Seit Januar 2007 leitet er das London Symphony Orchestra; er wirkt gleichzeitig immer noch in zahlreichen Opernhäusern und Konzertsälen als Gastdirigent.
Programm:
Dieter Ammann (*1962) Orchesterwerk «Core»
„Das Werk -zum Erklärungsanlass geschrumpft- verschweigt sich und alle seine Möglichkeiten. Zu seinen Möglichkeiten zählen auch die Missverständnisse.“
(Wolfgang Rihm)
Sergei Wassiljewitsch Rachmaninow (1873 – 1943) 1.Klavierkonzert Fis moll op.1
Peter Iljitsch Tschaikowski(1840 – 1893), Sinfonie Nr. 4 F moll op.36
Im Moment werden die Russen ja nicht überall herzlich empfangen, anders war das an diesem Abend im Luzerner Kunst und Kongresszentrum, dem KKL am Europaplatz beim Seebecken. Die Sankt Petersburger Musiker waren ja schon öfters zu Gast in Luzern und man wusste über die aussergewöhnlichen Qualitäten des Orchesters unter dessen Chefdirigenten Valery Gergiev.
So erstaunte es auch nicht, dass die Virtuosen die Darbietung des Orchesterwerkes „Core“ des Schweizer Komponisten Dieter Ammann nicht als Pflichtaufgabe, quasi Gastgeschenk angingen, sondern das kompakte, rhythmusstarke und doch manchmal auch verwirrend filigrane Werk konzentriert interpretierten, mit Elan und sichtlicher Spielfreude, was die Anwesenden und der auch vor Ort anwesende Komponist mit langanhaltendem Applaus würdigten.
Dann folgte das 1. Klavierkonzert, das Sergei Wassiljewitsch Rachmaninow im jugendlichen Alter von gerade mal 18 Jahren komponierte. Am 14. März 1892 wurde in Moskau der erste Satz des Konzerts zur Uraufführung gebracht; zum ersten Mal vollständig erklang das Konzert im Jahr 1900 in London. Das Werk spielt heute innerhalb Rachmaninows Schaffen eine eher untergeordnete Rolle. Umso grösser dann der Genuss, wie Denis Matsuev durch seine Interpretation dem Werk den richtigen Stellenwert verlieh, dies natürlich immer im Zusammenspiel mit dem wandelbaren Orchester, das von Valery Gergiev mit spärlichen Gesten zurückhaltend und dennoch souverän geleitet wurde. Teilweise schien es, als ruhe Gergiev in sich selbst und überlasse das Diktat dem Orchester in eigener Verantwortung. Dieses „blinde“ Verständnis aller Protagonisten entführte uns tief ins Verständnis der sogenannt und vielzitierten russischen Seele. Werke russischer Komponisten von russischen Musikern zelebriert sind deshalb immer wieder etwas ganz Besonderes.
Das tief beeindruckte Publikum forderte mit langanhaltendem, nichtendenwollenden Applaus eine Zugabe, die von Denis Matsuev denn auch gewährt wurde.
Nach der Pause folgte Tschaikowskis 4. Sinfonie ( da er diese „mit echter Inspiration vom Beginn bis zum Ende“ sowie „mit Liebe und glühender Begeisterung“ schrieb, gilt sie unter Tschaikowskis Werken als das mit der größten autobiographischen Nähe).
Auch mit diesem Werk bewies das „Mariinsky Orchestra“ seine überragende Fähigkeit, die Finessen solch bedeutender Kompositionen in all ihren Varianten umzusetzen und damit das «Fatum» – das Schicksal, eine magische Kraft ausüben zu lassen. Das offensichtlich sehr sachkundige Publikum feierte die Akteure dieses unvergesslichen Konzertabends denn auch dementsprechend ausgiebig.
Text: www.leonardwuest.ch
Veranstalter und Fotos: http://www.migros-kulturprozent-classics.ch/de/Home