Studie zur Klimageschichte: Arktisches Meereis beeinflusste Stärke des Golfstromes

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Arktisches Meereis

Arktisches Meereis

Die Stärke des Golfstromes wurde in den zurückliegenden 30.000 Jahren maßgeblich von der Meereis-Situation in der Framstraße beeinflusst. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Institutes, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) in einer neuen Studie, die heute im Fachmagazin Earth and Planetary Science Letters erscheint.

Den Geologen ist es darin zum ersten Mal gelungen, anhand von Biomarkern in Ablagerungen am Meeresboden zu rekonstruieren, wann und wie lange das Meeresgebiet zwischen Grönland und Spitzbergen in der Vergangenheit von Eis bedeckt war und auf welche Weise der Golfstrom reagierte, als die Meereisdecke plötzlich zerbrach. Ihr Fazit: Trieben große Mengen arktischen Eises durch die Framstraße in den Nordatlantik, verringerte sich der Wärmetransport des Golfstromes spürbar.

Die Framstraße ist für AWI-Geologin Juliane Müller ein Dreh- und Angelpunkt der globalen Meereszirkulation. „Auf der östlichen Seite dieser Passage zwischen Grönland und Spitzbergen strömt warmes Atlantikwasser nach Norden in den Arktischen Ozean, während auf der westlichen Seite kalte arktische Wassermassen und Meereis aus der Arktis in den Nordatlantik drängen. Ein erheblicher Teil des Atlantikwassers kühlt hier auf seinem Weg nach Norden ab und sinkt in tiefere Wasserschichten. Die dadurch hervorgerufene Umwälzung des Wassers treibt wie eine riesige Pumpe das globale Band der Meeresströmungen an und beeinflusst unter anderem, wie viel Wärme der Golfstrom Richtung Europa transportiert“, sagt die Wissenschaftlerin.

Verändert sich die Pulsfrequenz dieser Strömungspumpe, zieht das unmittelbare Veränderungen des Klimas nach sich – so geschehen zum Beispiel am Ende der vergangenen Eiszeit und während des Überganges in unsere heutige Warmzeit. „In den zurückliegenden 30 000 Jahren hat der Golfstrom mindestens zweimal außergewöhnlich stark an Kraft verloren – einmal vor 17 600 Jahren und vor etwa 12 800 Jahren. Beide Male kühlte sich infolgedessen das Klima in Europa deutlich ab – und wir wissen jetzt auch warum“, sagt Juliane Müller.

Ihr und ihrem AWI-Kollegen Ruediger Stein ist es als erste Wissenschaftler gelungen, die Meereis-Bedingungen in der Framstraße für diesen kritischen Zeitraum am Ende der letzten Eiszeit zu rekonstruieren und somit einen direkten Zusammenhang zwischen Änderungen der Meereisbedeckung und den Schwankungen des Golfstroms herzustellen.

Als Fenster in die Vergangenheit diente den Geologen dabei ein neun Meter langer Sedimentbohrkern. Er war vor sieben Jahren auf einer Framstraßen-Expedition des Forschungsschiffes Maria. S. Merian gebohrt worden und verfügt über so klar voneinander abgegrenzte Schichten, dass die Wissenschaftler in ihm lesen können wie in einem Buch. „Dieser Kern stammt vom westlichen Kontinentalhang Spitzbergens, einer Region mit einer ungewöhnlich hohen Sedimentationsrate. Das heißt, dass hier sehr viele Sedimentpartikel – die Speicher der Klimainformationen – zum Meeresboden rieseln. Nur so erklärt sich, dass wir in diesem Kern auf einer Länge von einem Zentimeter die Klimadaten von fünf bis zehn Jahren finden, während es bei Kernen aus partikelarmen Regionen schnell mal 1000 Jahre pro Zentimeter Bodenprobe sein können. Und 1000 Jahre sind natürlich ein viel zu langer Zeitraum, um kurzzeitige Klimaschwankungen überhaupt eindeutig identifizieren zu können“, erklärt Juliane Müller.

Als Hinweise auf die Existenz einer Eisdecke und deren Dicke dienten Juliane Müller zwei Arten fossiler Moleküle, auch Biomarker genannt. Die eine Art wird von Kieselalgen produziert, die im Meereis leben, die andere von Algen, welche das offene Wasser bevorzugen. „Die Marker gewähren uns überraschende Einblicke in die Klimageschichte der Framstraße. So wissen wir jetzt, dass sich in der Framstraße erst nach dem eigentlichen Höhepunkt der letzten Eiszeit eine dicke Eisdecke gebildet hat. Sie hielt dann allerdings für rund 1000 Jahre und beeinflusste die Meeresströmungen im Nordatlantik nachhaltig“, sagt Juliane Müller.

Denn: Die Eisdecke verzögerte den Zerfall der großen Eisschilde, die damals weite Teile Europas und Nordamerikas bedeckten. „Das Meereis stabilisierte wie eine Staumauer die Gletscherfronten dieser Eisschilde und verhinderte das Kalben von Eisbergen. Der Export von Süßwasser aus der Arktis in den Nordatlantik, der andernfalls enorm ausgefallen wäre, wurde also für eine gewisse Zeit aufgehalten“, erklärt die Geologin.

Als die Eisdecke dann vor 17 600 Jahren in ausgesprochen kurzer Zeit zerfiel, ergossen sich riesige Eismassen in den Nordatlantik. Dort schmolzen sie und setzten große Mengen Süßwasser frei. „Dieses plötzliche Aussüßen des Nordatlantiks veränderte die Dichtestruktur des Wassers und führte zu einer deutlichen Abschwächung der atlantischen Umwälzbewegung, oder vereinfacht gesagt, zu einer Schwächung des Golfstroms“, sagt Juliane Müller.

Zu einer ähnlichen Kettenreaktion kam es laut Studie dann noch einmal während der Jüngeren Dryas vor rund 12 800 Jahren, als erneut riesige Mengen Meereis die Arktis Richtung Nordatlantik verließen und der Wärmetransport über den Golfstrom abnahm. „Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, wie wichtig das arktische Meereis für die globale Ozeanzirkulation ist und dass plötzliche Veränderungen in der Meereisbedeckung des Arktischen Ozeans in direktem Zusammenhang mit abrupten Klimaschwankungen stehen“, sagt die AWI-Wissenschaftlerin.

Sie wird die neu gewonnenen Daten nun den AWI-Klimamodellierern zur Verfügung stellen. „Mit Hilfe dieser konkreten Daten können wir überprüfen, wie zuverlässig unsere Modelle die Meereis-Situation der vergangenen 30 000 Jahre abbilden. Auf diese Weise helfen uns die Daten der Vergangenheit, unsere Modelle zu verbessern und infolgedessen genauere Aussagen zur Zukunft des Golfstromes treffen zu können“, so Juliane Müller.

(idw) / Bild: Sebastian Menze, Alfred-Wegener-Instut

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Über Leonard Wüst

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