Frankfurt (ots) – Man kann den Briten gewiss keinen Hang zur Panik unterstellen. Schließlich ist „Keep calm an carry on“ (Ruhig bleiben und weitermachen) das inoffizielle Landesmotto.
Als kürzlich jedoch eine Umfrage eine Mehrheit für eine schottische Unabhängigkeit signalisierte und damit das Ende des Vereinigten Königreichs in Aussicht stand, rutschte so manchem Briten das Herz in die Hose – und zahlreichen Investoren ohnehin.
In einem globalen Umfeld niedriger Volatilität – der üppigen Liquiditätsversorgung sei Dank – fielen britische Anlagen jüngst aus dem Rahmen. Britische Aktien waren jüngst die Underperformer gegenüber Gesamteuropa. Der Londoner Leitindex FTSE 100 entwickelte sich seit jener Umfrage schlechter als der europäische Stoxx 600. Am Anleihemarkt reagierten hingegen britische Staatsanleihen kaum, obwohl unklar war, wer im Falle eines Auseinanderbrechens des Königreichs die Gilts garantieren und bedienen würde. Dafür kamen spanische Anleihen unter die Räder: Anleger fürchteten eine Signalwirkung aus Schottland für die ebenfalls nach Unabhängigkeit strebende spanische Region Katalonien. Die Gegend um Barcelona gilt als ökonomisches Kraftzentrum Spaniens.
Keine Euphorie
Nervös reagierte hingegen das Pfund Sterling auf jede Umfrage und jede neue Spekulation darüber, welche Währung ein unabhängiges Schottland haben könnte. Dies trieb skurrile Blüten, so wurde auch gemutmaßt, die Schotten könnten ja direkt ins digitale Zeitalter springen und die elektronische Währung Bitcoin einführen. Als der Sieg der Unionisten bekannt wurde, brach der Bitcoin-Kurs zum Dollar in der Tat um 9% ein. Dies war eine der auffälligsten Regungen.
Die Märkte reagierten auf den Sieg der Unionisten: very british, leicht unterkühlt und gelassen. Dementsprechend wurden all diejenigen enttäuscht, die einen Höhenflug von Pfund Sterling erwartet hatten. Nach Gewinnen im asiatischen Handel – also in der Nacht zu Freitag – beruhigte sich der Markt wieder, einige nahmen Gewinne mit. Am Freitagabend wurde das Pfund im Tagesvergleich sogar 0,5% tiefer zu 1,6319 Dollar gehandelt. Damit hatte Sterling in etwa wieder das Niveau erreicht, auf dem es vor Veröffentlichung der berühmten Umfrage lag, welche eine schottische Unabhängigkeit vorhersagte. Erleichterung ja, aber Euphorie sieht anders aus. Zurückhaltung auch am Aktienmarkt: Der FTSE 100 legte gerade einmal 0,3% zu und war damit ein wenig stärker als andere europäische Märkte. Das verwundert auch nicht: Schließlich war, bei aller Unruhe, an den Märkten nicht wirklich mit einer Unabhängigkeit Schottland gerechnet worden. Die Mehrzahl der Investoren dürfte daher für ein Fortbestehen des seit 300 Jahren bestehenden Vereinigten Königreichs positioniert gewesen sein. „Die Aufregung ist vorbei“, konstatiert die Commerzbank. „Der Markt kann sich wieder den ökonomischen Themen des weiterhin vereinigten Königreichs widmen.“
Mit dem Wegfallen eines politischen Großrisikos konzentrieren sich die Märkte wieder auf die für sie relevanten Fundamentaldaten wie der zuletzt unter den Erwartungen gebliebenen Inflationsrate und den Zinsausblick. Schon für das Frühjahr wird eine Zinserhöhung der Bank of England (BoE) erwartet. Damit wird der Euro sich zum Pfund wohl weiter abschwächen, zumal nach dem Flop mit dem langfristigen Refinanzierungsgeschäft der Europäischen Zentralbank (EZB) die Erwartungen an Staatsanleihekäufe gestiegen sind. Global betrachtet wird der Trend an den Finanzmärkten ohnehin nicht von der BoE, und schon gar nicht von den Schotten vorgegeben. Hier wird in nächster Zeit entscheidend sein, ob und wie die Federal Reserve ihre Zinswende kommuniziert.
Börse London hinkt nach
Der britische Aktienmarkt dürfte in diesem Umfeld dem Rest Europas auch weiter hinterherhinken. Während die Erwartungen steigender britischer Zinsen den Londoner Markt bremsen dürfte, profitieren die Börsen von Helsinki bis Lissabon derzeit von der Spekulation auf eine geldpolitische Lockerung in der Eurozone. Zudem, darauf weist die UBS in einer Studie hin, werde der britische Aktienmarkt wegen defensiver Sektorgewichtung weniger als andere Börsen von der globalen Erholung profitieren.
Schließlich bleibt die Unruhe über den Weg des Vereinigten Königreichs hin zu mehr Föderalismus, quasi zum Federal Empire. „Langfristige politische Fragen sind ungelöst, wir bleiben daher im Vereinigten Königreich untergewichtet im Vergleich zu Kontinentaleuropa“, betont die UBS.