«Cosa Nostra» – das neue Stück des Tanzensembles des Luzerner Theaters
Eine Aufführung im UG ist immer speziell, umso mehr, wenn es sich um Tanz handelt. Denn grundsätzlich eignet sich dieser lange, schmale Raum so gar nicht dafür, dann aber zeigt er sich – auch dieses Mal wieder – sogar prädestiniert dafür, wenn er richtig eingesetzt wird. So hatte man auch letzten Donnerstag anlässlich der Premiere des Stücks „Cosa Nostra“ des Luzerner Tanzensembles das Gefühl, dieser lange, dunkle Schlauch sei der einzig richtige und mögliche Ort für „unsere Sache“.
Eingestimmt und eingesogen in die Atmosphäre wird der Besucher bereits am Eingang: Da stehen Mafiosi in schwarzen Anzügen, weissen Hemden, Hosenträgern und Borsalinos. Auch das ist das Spezielle am UG, schon im Foyer ist man mitten im Geschehen. Der eine oder andere Tänzer verirrt sich noch kurz unter den Besuchern, ein Vorhang wird neu befestigt, ein paar Holzpistolen und Flaschen liegen auf der Bar und die Drinks tragen Namen wie «Scarface» und «Al Capone».
So ist man vorbereitet auf das, was im Bühnenraum folgt. Auf einer Schiefertafel wird jeweils darauf hingewiesen, wo sich die verschiedenen Szenen abspielen; in Chicago, in der 22nd Street, im Zimmer 201, bei «Gina’s». Die Kulissen sind einfache Platten, skizzierte Andeutungen in schwarz-weiss, beliebig verschiebbar, aber darum nicht weniger effektvoll. Die gekonnt eingesetzte Beleuchtung – mal grellweiss, mal diffus-neblig, dann dieses melancholische Strassenlampen-Orange – unterstützt die jeweilige Stimmung. Die Choreografen Sandra Marίn Garcia und Zoran Marković erzählen eine dichte, beklemmende Geschichte, das Tanzensemble setzt sie meisterhaft um: Eine Geschichte von Gewalt, Unterdrückung und Verbrechen.
Das passiert alles mehr oder weniger lautlos, tänzerisch eben, ist dadurch aber nicht weniger unheimlich. Das kurze Augenzwinkern, die kleinen, amüsanten Einschübe täuschen nicht darüber hinweg, dass da die nackte Gewalt herrscht, der sich keine und keiner entziehen kann. Da wird bedroht, gefügig gemacht, geschlagen, heftig, direkt und brutal. Einmal mehr macht hier die Nähe der Tänzer im UG die Atmosphäre fast greifbar: Man hört ihren Atem, sieht die Schweissperlen auf ihren Gesichtern, hört die Körper auf den Boden knallen. Die Bilder, die die beiden Choreografen auf die Bühne bringen sind von einer Art kalten Schönheit. untermalt, begleitet und verstärkt werden sie von diversen Geräuscheffekten, das Brummen und Dröhnen der Grossstadt, das Rattern des Zuges und von den von Daniel Steffen arrangierten Musikstücken, von monoton düsteren Klängen bis zum rhythmisch-fröhlichen Charleston bei «Gina’s», von den sphärisch und gleichzeitig scharfen Klängen der Glasharfe bis hin zum melancholisch-traurigen „Una furtiva lagrima“ von Donizetti. Die spezielle Beleuchtung lässt mal nur die weissen Gamaschen der Tänzer aufblitzen, dann wieder taucht sie das ganze Ensemble in ein festliches Licht oder lässt die Gestalten vor dem dunklen Hintergrund nur schemenhaft erscheinen. Man leidet mit und spürt die Ausweglosigkeit der Situation.
Dem Premierenpublikum gefiel diese neue, wiederum ganz andere Produktion des Luzerner Tanzensembles und es bedankte sich mit langanhaltendem Applaus. Die Tänzer ihrerseits machten ihrer Erleichterung hörbar Luft in der Garderobe, auch dies ein ganz eigener Moment, der so nur im UG möglich ist.
Kleine Fotodiashow von Gregory Batardon Luzerner Theater:
Text: www.gabrielabucher.ch
Fotos: www.luzernertheater.ch
Alle Vorstellungen
27.11. / 28.11. / 29.11. / 4.12. / 6.12. / 10.12. / 11.12. / 12.12. / 19.12. / 20.12.2014, jeweils 20.00 Uhr
UG, Winkelriedstrasse 12, 6003 Luzern
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