HSLU: «Ambulant vor stationär»: Hauswirtschaft leistet wichtigen Beitrag

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Hochschule Luzern

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Spitexorganisationen in der Schweiz bieten auch Unterstützung bei der Haushaltsführung.
Diese steht jedoch klar im Schatten der Pflege – zu Unrecht. Eine Studie der Hochschule
Luzern macht deutlich, dass hauswirtschaftliche und (sozial-)betreuerische Leistungen
wichtig für den Erhalt der Selbständigkeit und den Verbleib der Klientinnen und Klienten im
gewohnten Wohnumfeld sind. Hauswirtschaft und Betreuung verfügen darüber hinaus über
ein grosses Potenzial in der Prävention und Früherkennung von Problemen.
Im Jahr 2013 waren in der Schweiz 872 Organisationen und 694 selbständige Pflegefachpersonen im Bereich der spitalexternen Gesundheitsversorgung (Spitex) engagiert: Sie pflegten, unterstützten und betreuten Menschen zu Hause nach einem Unfall, während einer schweren Krankheit, mit einer Behinderung oder im Alter und entlasteten Familien nach einer Geburt. Dabei wendeten sie 11.9 Millionen Stunden für die Pflege und 5.4 Millionen Stunden für hauswirtschaftliche Leistungen wie staubsaugen, einkaufen, bügeln, kochen, Bettwäsche wechseln oder Wäsche waschen auf. «Die Hauswirtschaft steht in der gesundheitspolitischen Debatte und der Versorgungsforschung heute klar im Schatten der Pflege», konstatiert Matthias Wächter von der Hochschule Luzern.
«Gleichzeitig umfassen die hauswirtschaftlichen Tätigkeiten – wenn Mitarbeitende entsprechend geschult oder erfahren sind – auch betreuerische Leistungen.»
Obwohl die Verpflichtung der Kantone, für die Hilfe und Pflege von Betagten und Behinderten zu Hause zu sorgen, in der Bundesverfassung verankert ist, ist die Ausgestaltung des Angebots und der Rolle der Spitexorganisationen im Bereich der Hauswirtschaft und Betreuung weniger klar gefasst als in der Pflege. «Gleichzeitig gerät die Finanzierung der hauswirtschaftlichen und
betreuerischen Leistungen der öffentlich-rechtlichen Spitexorganisationen vermehrt unter Druck», sagt Wächter. Denn die Budgets der Kantone und Gemeinden sind durch die Spital- und
Pflegefinanzierung zunehmend belastet.
An diesen Punkten setzt die Studie «Die Zukunft der hauswirtschaftlichen Leistungen der Spitex Standortbestimmung und Ausblick» an, die die Departemente Wirtschaft und Soziale Arbeit der
Hochschule Luzern zusammen mit den Spitexorganisationen Luzern, Kriens, Winterthur und
Zürich Limmat sowie den Städtischen Gesundheitsdiensten der Stadt Zürich als Praxispartnern
durchgeführt haben.
Selbstständigkeit fördern, Angehörige entlasten
Die übergeordneten Ziele der pflegerischen und nicht-pflegerischen Leistungen einer
Spitexorganisation sind, dass die Selbständigkeit und Eigenverantwortung von Personen mit
Pflege- und Betreuungsbedarf gefördert und erhalten sowie stationäre Aufenthalte möglichst
hinausgezögert werden. Die Analyse verschiedener Studien aus dem Gesundheitsbereich durch die Hochschule Luzern zeigt, dass bei der Umsetzung dieses «ambulant vor stationär»-Grundsatzes.
Unterstützungsleistungen in der Haushaltsführung eine grosse Rolle spielen. «Oft stehen
Haushaltsarbeiten wie kochen und Wäsche waschen am Anfang einer zunehmenden Pflege- und Unterstützungsbedürftigkeit», verdeutlicht Wächter. Die Hilfen zu Hause würden zudem die
Angehörigen entlasten.
Die Untersuchung der Hochschule Luzern macht ausserdem deutlich, dass die
Hauswirtschaft/Betreuung alleine und in Kombination mit der Pflege massgeblich einen Beitrag zur Prävention und Früherkennung von gesundheitlichen und sozialen Problemen leisten kann. «Ein grosser Vorteil ist, dass die Mitarbeitenden einen direkten Zugang zu den Kundinnen und Kunden sowie ihrem sozialen Umfeld haben – über diese Voraussetzung verfügen andere
Präventionsprogramme oft nicht im gleichen Masse», sagt Martin Hafen vom Departement Soziale Arbeit. So sei es möglich, die präventiven Aktivitäten ganz auf die individuellen Bedürfnisse auszurichten und bei Bedarf Angehörige oder Fachstellen miteinzubeziehen. «Die
Hauswirtschaft und die darin integrierten betreuerischen Leistungen können Risiken wie Stürze,
ungesunde Ernährung, Bewegungsmangel, soziale Isolation, Fehlmedikation oder
Suchtmittelmissbrauch reduzieren und soziale Vernetzung, aktive Lebensgestaltung, Bewegung
und gesunde Ernährung wirkungsvoll stärken».
Das Forschungsteam kommt zum Schluss: Die hauswirtschaftlichen und (sozial-)betreuerischen
Leistungen dienen nicht allein dem Zweck, die Lücken in der Bewältigung der
Alltagsaktivitäten zu schliessen. Vielmehr fördern und erhalten sie die Selbstständigkeit und
Eigenverantwortung und reduzieren Risiken, die zu einem Pflegeheim- oder Spitaleintritt
führen könnten. «Somit wird die Bedeutung der Hauswirtschaft in der Gesundheitspolitik im
Vergleich zur Pflege oft zu Unrecht unterschätzt», sagt Matthias Wächter.
Empfehlungen zur Weiterentwicklung des Bereichs Hauswirtschaft/Betreuung
Aufgrund der Erkenntnisse haben die Experten Empfehlungen zur Weiterentwicklung des
Bereichs Hauswirtschaft erarbeitet. So entwickelten sie unter anderem ein erweitertes
Kennzahlenmodell für eine detailliertere Kostenrechnung. «Ziel ist es, die Transparenz zu
erhöhen, um die Kostenunterschiede verschiedener Leistungserbringer besser analysieren und
darlegen zu können», sagt Wächter. Denn teilweise weisen private Organisationen tiefere
Kosten aus als Spitexorganisationen mit Leistungsauftrag. Gründe dafür sind unter anderem die direkten Personalkosten bei Anlehnung an kantonale oder kommunale Lohnreglemente im
Vergleich zu den Anstellungsbedingungen des Normalarbeitsvertrags, die Altersstrukturen und
Erfahrungsstufen der Mitarbeitenden, die Vergütung und Verrechnung der Wegzeiten sowie
der Kostenanteil nicht verrechenbarer Stunden.
Von einer Umstellung auf nicht-subventionierte, kostendeckende Tarife wird jedoch abgeraten.
«Angesichts der Bedeutung der Hauswirtschaft/Betreuung für den Verbleib im gewohnten
Wohnumfeld und ihres grossen Potenzials im Bereich der Prävention und Früherkennung von
Problemen braucht es einen niederschwelligen und einkommensunabhängigen Zugang», sagt
Wächter.
Zudem plädieren die Studienautoren dafür, dass die Spitexorganisationen ihrerseits ihre
Prozesse, Vernetzung mit anderen Anbietern sowie Abklärungsinstrumente überprüfen und
diese explizit darauf ausrichten, die Selbstständigkeit der Klientinnen und Klienten zu erhalten
und zu fördern. Ebenso sind die Themen Prävention und Gesundheitsförderung gezielter in die
Aus- und Weiterbildung von Hauswirtschaftsmitarbeitenden zu integrieren. «Und schliesslich
sollten die Organisationen ihr hauswirtschaftliches Angebot klar positionieren und dessen
Potenzial für die Umsetzung von ‹ambulant vor stationär› gegenüber Klientinnen und Klienten,
Angehörigen, Ärztinnen und Ärzten sowie anderen Akteuren der Gesundheits- und
Sozialversorgung noch viel deutlicher herausarbeiten», so die Studienautoren.
Die detaillierte Studie «Die Zukunft der hauswirtschaftlichen Leistungen der Spitex –
Standortbestimmung und Ausblick» der Hochschule Luzern kann unter
www.hslu.ch/hauswirtschaft heruntergeladen werden[content_block id=29782 slug=ena-banner]