Besetzung:
Bernhard Schneider als Ueli und über 30 Laienspieler und –spielerinnen aus der Region
Regieteam, Musik usw. landschaftstheater-ballenberg.ch/de/2014/Ueli_der_Knecht/Regie_und_Autor
Grundsätzliches zum Stück von Jeremias Gotthelf (Albert Bitzius 1797 – 1854):
Ueli, ein armer, unbedeutender Knecht, der glaubt, nur auf der Welt zu sein, «um es bös zu haben», lernt, was innerer Adel ist: Er schafft sich durch Fleiss und Rechtschaffenheit einen guten Namen, und es beweist sich schnell, dass der mehr zählt als bares Geld.
Gotthelfs weltberühmter Roman von 1841 spricht von inneren Werten und menschlicher Verantwortung, die heute, in Zeiten globaler Finanzkrisen und Börsenkriminalität, nicht aktueller sein könnten. Und wenn es auch am Schluss heisst: «De göh mer z Chilche? Du un ig? Ja also», ist dieser Gotthelf alles andere als ein Vertreter des «bluemeten Trögli».
Rezension:
Die Première wurde, aufgrund der düsteren Wetterprognose, vorhergesagte Windböen und heftige Gewitter, aus Sicherheitsgründen kurzfristig um einen Tag verschoben. Die Zeitreise zurück in die Mitte des 19.ten Jahrhunderts, in der die Geschichte spielt, begann für mich ganz profan mit einer Autofahrt über die Autobahn via Luzern, auf den Brünigpass (1008 m. ü. M.) Richtung Freiluftmuseum Ballenberg bei Brienz, das seit Beginn (1991) als Kulisse dieser spektakulären Freilichtaufführungen dient.
Treffpunkt für geladene Gäste war beim Eingang West. Es folgte die offizielle Begrüssung durch Elisabeth Zölch Bührer, Vereinspräsidentin, a. National- und Regierungsrätin. Hocherfreut teilte sie mit, dass alle Vorstellungen, inklusive die kurzfristig ins Programm genommene Zusatzvorstellung, bereits 14 Tage vor der Première restlos ausverkauft waren und sie bedankte sich namentlich bei allen Mitwirkenden, Gönnern, Sponsoren usw. die zum guten Gelingen dieser, bereits 21. Produktion, des Vereins „Landschaftstheater Ballenberg“ ihren Beitrag, in welcher Form auch immer, geleistet haben. Die Zuschauerkapazität beträgt 760 Plätze pro Aufführung, alles gedeckte Tribünenplätze direkt an der Spielstätte, also beim Haus Madiswil (Baujahr 1709).
Es folgten noch ein paar grundsätzliche Informationen durch Peter Flück, Grossrat des Kantons Bern, neuer Präsident Stiftungsrat vom „Ballenberg, Freilichtmuseum der Schweiz“.
Es scheint, als haben die Organisatoren einen optimalen Weg und Mix gefunden um den gordischen Knoten zu lösen. Vorzügliche Nutzung der örtlichen Gegebenheiten (wie z.B. diesmal das Madiswil Haus als Schauplatz der Aufführungen, statt Errichtung teurer künstlicher Kulissen). Richtige Grösse ( Anzahl Plätze auf der Zuschauertribüne), kongeniale Einbindung und Mitwirkung der einheimischen Bevölkerung, sehr gute Verankerung und viel Goodwill in der Region. Wenig bis gar keinen Klamauk, Effekthascherei oder Getöse bei der Inszenierung. Authentisches Landschaftstheater, punktgenaue Umsetzung der äusserst präzisen Chroniken des protestantischen Dorfpfarrers von Lützelflüh, Albert Bitzius, alias Jeremias Gotthelf, über das damalige Emmentaler Landleben, das keine Helden oder Mythen verklärt, keine Sagen begründet, sondern Realitäten schildert. Deshalb brauchen diese Inszenierungen auch nicht ein „Staraufgebot“ an Hauptdarstellern, sondern bloss gewisse Ergänzungen durch professionelle Darsteller/innen für ganz speziell fordernde Rollen (im aktuellen Fall den Meisterknecht Ueli, brillant dezent interpretiert durch Bernhard Schneider). Dieses Konzept lässt genügend Raum und Zeit, dass einheimisches „Schauspielergewächs“ reifen und zunehmend anspruchsvollere Rollen übernehmen kann, was wiederum die Verbundenheit zur treuen Gefolgschaft noch mehr stärkt, die aktiv beteiligten noch mehr motiviert und anspornt zu darstellerischen Höchstleistungen. Fast könnt man das Ganze als theatralisches „Perpetuum mobile“ apostrophieren. So kann das Landschaftstheater Ballenberg beruhigt in die Zukunft schauen, sind doch die Aussichten durchaus rosig, dies im Gegensatz zu sehr viel anderen Open Air Produktionen in der ganzen Schweiz, die vielfach mit den hohen Kosten und gleichzeitig schwindenden Besucherzahlen zu kämpfen haben und fatalerweise meinen, mit noch aufwändigeren, noch teureren Produktionen diesen Negativtrend aufhalten zu können. Dass es aber auch anders und besser geht, demonstrieren die „Ballenberger“ seit 24 Jahren mit bis anhin 21 Produktionen eindrücklich, ohne dafür qualitative Kompromisse einzugehen oder diesbezügliche Einbussen hinnehmen zu müssen.
Ach ja, gespielt wurde anschliessend natürlich auch noch. Eingebettet in die grandiose Naturkulisse bei perfekten Wetterbedingungen boten die 37 Laiendarsteller und der einzige mitspielende Profischauspieler Gotthelf pur, die Regisseurinnen nutzten das natürliche Gelände für optische Auflockerungen und einige Handlungsszenen auf zwei Zeitebenen oder diversen angedeuteten Schauplätzen. Die hinlänglich bekannte Geschichte um Ueli den Knecht, und seine Mitstreiter bzw. Kontrahenten auf der „Glungge“, die Versuchungen, Mauscheleien, Versprechungen, kleinen Scharmützeln, definieren der Hackordnung, verteidigen der eigenen Interessen wurden von den Darstellern glaubwürdig, durchaus auch mal schalkhaft, bärbeissig- hässig oder grantig vermittelt und überzeugten das Publikum voll und ganz. Dieses geizte denn auch nicht mit gebührendem Schlussapplaus, den sich alle Mitwirkenden (vor und hinter der Kulisse) mehr als verdient haben, nicht zu vergessen die perfekt passende Musik von Ben Jeger. So ist auch der Erfolg der für nächstes Jahr geplanten Fortsetzung (Ueli der Pächter) fast absehbar.
Fazit: Nicht immer muss mit der ganz grossen Kelle angerichtet werden um erfolgreich zu sein, die Gegebenheiten und das vorhandene Potenzial möglichst gut ausschöpfen erscheint, nein ist, der vielversprechendere Weg. Dies haben die Verantwortlichen klugerweise erkannt und auch umgesetzt, dafür gebührt ihnen der entsprechende Respekt, grosse Anerkennung und, nicht zuletzt, auch Dank.
Bestens unterhalten, dementsprechend gut gelaunt machte man sich auf den Heimweg
Kleine Fotogalerie der Produktion:
Das Team dahinter:
Noch weitere Detailinformationen zum Stück, dessen Inhalt und Geschichte:
medien_dokumentation_ueli_der_knecht_2015 medienmitteilung_landschaftstheater_ballenberg produktionsdaten_2015
Text: www.leonardwuest.ch
Fotos: Landschaftstheater Ballenberg landschaftstheater-ballenberg.ch/de/2014/Willkommen
Link auf den Premièrenbericht von „Ueli der Pächter“ vom Juli 2016
www.gabrielabucher.ch Paul Ott:www.literatur.li [content_block id=29782 slug=ena-banner]