Bern (ots) – Die Gotthard-Abstimmung vom 28. Februar 2016 ist ein Riesenschwindel. Dem Volk wird vorgegaukelt, der bestehende Strassentunnel müsse dringend saniert werden. Dabei kann er mit kleinen Unterhaltsarbeiten die nächsten 20 Jahre problemlos befahren werden, wie die Bundesbehörden jetzt bekannt gegeben haben. Die Sanierung dient also definitiv nur als Vorwand, um eine 2. Röhre zu bohren und damit die Strassenkapazität am Gotthard zu verdoppeln. Diesen Standpunkt vertrat der Verein «Nein zur 2. Gotthardröhre», der das Referendum gegen die 2. Röhre ergriffen hat, an einer Medienkonferenz in Bern. Bald würden 2 Millionen Transitlastwagen durch die Schweiz fahren und unser Land in eine Transithölle verwandeln. Damit würden die Investitionen in den neuen Basistunnel am Gotthard massiv entwertet. Der längste Eisenbahntunnel der Welt wird noch dieses Jahr eröffnet.
Die Gotthard-Vorlage beruht auf falschen Annahmen. Ausgerechnet das Bundesamt für Strassen ASTRA änderte in den letzten Wochen die Entscheidungsgrundlagen, auf denen Bundesrat und Parlament entschieden haben. Offenbar ist der Zustand des Gotthardtunnels viel besser als ursprünglich behauptet wurde. Gemäss ASTRA kann der Tunnel noch mindestens weitere 20 Jahre problemlos betrieben werden, ohne jede Schliessung tagsüber. «Die Informationen ans Parlament und jetzt auch an die Stimmbevölkerung sind irreführend, widersprüchlich und unseriös», kritisiert Evi Allemann, Berner Nationalrätin und Präsidentin des Verkehrs-Clubs der Schweiz VCS.
Für Jon Pult, Präsident der Alpen-Initiative und Co-Präsident des Vereins «Nein zur 2. Gotthardröhre», ist die Abstimmungsvorlage ein Frontalangriff auf die Verfassung. «Da werden Tatsachen aus Beton und Stahl geschaffen und damit der Strassentransit gefördert. Niemand glaubt ernsthaft, dass nur zwei von vier Spuren genutzt werden, wenn sie einmal gebaut sind.» Bundesrat und Parlament demontieren die bisherige Verkehrspolitik, welche den Güterverkehr von der Strasse auf die Schiene verlagern will. Stattdessen werden die Strassenkapazitäten verdoppelt und bald einmal rollen 2 Millionen Transitlastwagen durch die Schweiz.
Anstatt weitere drei Milliarden Franken für einen überflüssigen Bau am Gotthard zu verschwenden, müssen die knappen Finanzen in den Stadtregionen eingesetzt werden, wo die Arbeitspendler täglich im Stau stecken – und nicht am Gotthard, wo im Durchschnitt gleich viele Fahrzeuge unterwegs sind wie im Zentrum einer Schweizer Kleinstadt. «Wird das Geld für eine Luxusvariante am Gotthard verlocht, fehlt es zur Lösung der riesigen Verkehrsprobleme in den Agglomerationen», hielt der Lausanner Stadtpräsident und Nationalrat Daniel Brélaz fest. Er wies auch darauf hin, dass dies nicht nur für die Westschweiz, sondern für alle Städte der Schweiz gelte.
Mario Branda, Stadtpräsident von Bellinzona, rief zur echten Solidarität mit dem Tessin auf: Eine 2. Strassenröhre wäre ein «vergiftetes Geschenk». Das Tessin hat immer NEIN zu einer 2. Röhre gestimmt. Es ist kein Zufall, dass beispielsweise die bürgerlichen Gemeindepräsidenten von Chiasso und Mendrisio die 2. Röhre klar ablehnen. Bereits heute sei die Luftverschmutzung im Tessin derart hoch, dass jede Zunahme des Verkehrs die Lebensqualität massiv verschlechtert und die Zahl der Erkrankungen weiter zunehmen würde. Mario Branda hofft deshalb dringend auf ein solidarisches Nein der übrigen Schweiz.
«Eine zweite Gotthard-Röhre passt schlicht nicht in eine Zeit, in der sich alle Staaten der Welt zu ambitiösen Klimazielen verpflichtet haben», betonte Thomas Vellacott, CEO von WWF Schweiz. Die Verdoppelung des Lastwagenverkehrs am Gotthard brächte der Schweiz einen schweren Rückschlag auf dem Weg zur Erreichung ihrer eigenen Klimaziele.
Die Schweiz hat Milliarden in die NEAT investiert, um den alpenquerenden Güterverkehr – wie vom Volk seit Jahren verlangt – auf die Schiene zu verlagern. «Die Bahnen können und das Verkehrspersonal will Güter und Personen auf der Schiene transportieren», sagte Giorgio Tuti; Präsident der Gewerkschaft des Verkehrspersonals SEV und Vizepräsident Schweizerischen Gewerkschaftsbundes SGB.
Überraschungsgast Pedro Lenz, Berner Schriftsteller und Mitglied der Autorengruppe «Bern ist überall», will ein folgenschweres Eigentor verhindern. Der Autor des Buches «Der Goalie bin ig» las einen Text und plädierte für ein Nein am 28. Februar.
Das Referendum gegen die 2. Strassenröhre am Gotthard war anfangs 2015 mit über 125’000 Unterschriften statt der benötigten 50’000 eingereicht worden. Besonders viele Unterschriften stammten aus den Gotthardkantonen Tessin und Uri. Rund 50 Organisationen haben sich für den Abstimmungskampf zum Verein «Nein zur 2. Gotthardröhre» zusammengeschlossen[content_block id=29782 slug=ena-banner]