Produktionsteam
Andreas Herrmann Inszenierung, Viola Valsesia Bühne
Silvana Arnold Kostüme, Denim Szram Musik
Clemens Gorzella Licht, Carmen Bach Dramaturgie
Besetzung Christian Baus, Jörg Dathe, Hans-Caspar Gattiker, Wiebke Kayser, Lilli Lorenz, Bettina Riebesel, David Michael Werner
Rezension:
Auf der Bühne stehen sieben Schauspieler, identisch gekleidet in Anzug und Deux-Pièces in den Farbnuancen blau und beige mit gelben Helmen. Sie scheinen auf einer Besichtigungstour zu sein. Interessiert hören sie dem Vortragenden zu, dann ziehen sie durchsichtige Regenmäntel über und schieben sich hinter der Bühne durch einen imaginären Tunnel. Die Anfangsszene scheint auf den ersten Blick nicht viel zu tun zu haben mit dem Stück von Georges Perec. Später reiht sie sich dann aber ein in die verschiedenen improvisierten, oft stummen Szenen, welche immer wieder eingeschoben werden und den Büroalltag persiflieren: Der Betriebsausflug, das Betriebsfest, der Büroalltag in Form einer Art Dokumenten-Ballett, schrill, schräg, skurril und eine wunderbare Plattform für die Spiellust der Akteure auf der Bühne.
Dann stellen sich die Personen in ihrer Funktion vor; das Angebot, die Alternative, die positive Hypothese, die negative Hypothese, die Wahl und der Schluss, dazu kommen als siebte Person die Masern. Nun geht es also darum, beim Bereichsleiter eine Lohnerhöhung zu erwirken, was durch die diversen Funktionen verschiedenste Versionen und Möglichkeiten zulässt. Diese werden durchgespielt, neu erdacht und leicht abgeändert von neuem durchgespielt, immer und immer wieder. Daneben wird auch das Vorstellungsgespräch geübt: Jeder versucht, sich in seinen speziellen Fähigkeiten hervorzutun, wiederum ein Moment, wo sich die Schauspieler so richtig verwirklichen und austoben können. Auch an Ratschlägen fehlt es nicht, so doziert ein «Coach», predigt fast eher, am Rednerpult, sein Vortrag so salbungsvoll und grabesernst, dass man am Ende des Referats statt „Danke“ ein „Amen“ erwartet.
Es ist anfänglich nicht ganz einfach, in das Stück einzutauchen, die Wiederholungsschleifen, die verschlungenen Varianten, all diese „entweder/oder“ ziehen sich etwas in die Länge, die improvisierten Szenen driften teilweise ab ins Fantastische. Nach der Pause verdichtet sich die Geschichte, fängt an, sich immer schneller zu verändern, der Bittsteller mutierte in der Zwischenzeit vom „schlecht Entlohnten“ zum „Ausgebeuteten“, die Lage spitzt sich zu. Er wird zwar zum Mitarbeiter des Jahres gekürt, man spürt aber, gut kommt das trotzdem nicht.
Es gibt viele heitere, absurde und aberwitzige Momente, es wurde auch oft gelacht an der Première und die sieben Schauspieler scheinen sich zeitweise selber köstlich zu amüsieren. Ein absolutes Highlight ist das Bühnenbild. Die Bühne ist als Raum ausgekleidet mit durchsichtiger Gaze, in diesem Raum selber befindet sich ein zweiter Raum, ein mobiler Kubus ebenfalls mit Wänden aus Gaze. Die Schlichtheit besticht, fasziniert, die Durchlässigkeit und gleichzeitig Begrenztheit, im Zusammenspiel mit den Lichteffekten erzeugt Bilder von grosser Intensität. Und wenn sich die Schauspieler im Gegenlicht als schwarze Gestalten mit leuchtenden Plastikbällen auf die Bühne schleichen, ist das grosses Kino. Auch das Schlussbild mangelt nicht an Symbolik: die Gaze gibt den Blick frei auf die ausgeschalteten skelettartig wirkenden Scheinwerfer hinter der Bühne.
Es ist eine würdige Abschiedsvorstellung, welche das ganze Ensemble den Besuchern beschert und es lohnt sich, die anfänglich vielleicht etwas ungewohnten Szenen durchzusitzen und sich auf dieses spezielle Experiment einer Nachfrage nach Gehaltserhöhung einzulassen.
Text: www.gabrielabucher.ch
Fotos: www.luzernertheater.ch Ingo Höhn
Homepages der andern Kolumnisten: www.marvinmueller.ch www.leonardwuest.ch www.irenehubschmid.ch Paul Ott:www.literatur.li