Alle Bezirke ausgezählt Briten stimmen für Brexit

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Die Message von Nigel Farage, EU-Kritiker und Chef der rechtspopulistischen Ukip-Partei, ist klar - Grossbritannien soll sich aus der EU verabschieden. Bild Keystone

Die Message von Nigel Farage, EU-Kritiker und Chef der rechtspopulistischen Ukip-Partei, ist klar – Grossbritannien soll sich aus der EU verabschieden. Bild Keystone

In Großbritannien sind alle Wahlbezirke ausgezählt: 51,9 Prozent der Briten haben beim Brexit-Referendum für einen Ausstieg aus der EU gestimmt, 48,1 Prozent dagegen. EU-Parlaments-Präsident Schulz reagierte dennoch demonstrativ gelassen. Premier Cameron will sich in Kürze äußern. Die Briten haben den Austritt ihres Landes in der EU beschlossen. Das Vereinigte Königreich tritt aber nicht sofort aus der EU aus. Vielmehr werden langwierige Austrittsverhandlungen beginnen, die mehrere Jahre dauern dürften und deren Folgen ungewiss sind. Auch für die Schweiz ergeben sich mögliche kurz- und langfristige Auswirkungen aus diesem Schritt.

Finanzplatz Schweiz
Den Schweizer Banken kann der Brexit in die Hände spielen. Zwar nahmen die Institute auf Anfrage offiziell noch keine Stellung zum Thema. Doch es ist klar: Inmitten der zu erwartenden Turbulenzen an den Finanzmärkten werden Reiche auf der Suche nach einem sicheren Platz für ihr Geld sein. Experten erwarten daher Geldzuflüsse für Schweizer Vermögensverwalter.

«Im Wealth Management wird die Schweiz wahrscheinlich vom Brexit profitieren», sagte auch Matthias Naumann, Chairman der Boston Consulting Group in der Schweiz. «Wann immer es Unsicherheit gibt, kommt der Sicherer-Hafen-Effekt zum Tragen», erläuterte ausserdem UBS-Wealth-Management-Chef Jürg Zeltner.

Der Schweizer Franken
SNB-Präsident Thomas Jordan erklärte vergangene Woche im Rahmen der Einschätzung zur geldpolitischen Lage: «Unter den jetzigen Umständen ist ein Brexit nicht im Interesse der Schweiz.» Wie oben beschrieben, werden Anleger nun wohl in den sicheren Hafen des Frankens flüchten und ihn aufwerten, was schlecht für die Exportwirtschaft wäre. In einer ersten Reaktion auf den Brexit wertete sich der Franken auch bereits auf 1,07 Euro auf. Um eine weitere Aufwertung zu verhindern, wird die SNB wohl bald am Devisenmarkt intervenieren und ihre bereits heute rund 500 Milliarden schwere Bilanz weiter aufstocken müssen.

Die Schweizer Exportwirtschaft

Ergebnisse

Ergebnisse

Das Vereinigte Königreich ist für die Schweiz der siebtwichtigste Handelspartner, was Ausfuhren angeht. 2015 betrugen die Exporte gut 13 Milliarden Franken. Schweizer Firmen, die Produkte ins Vereinigte Königreich exportieren, können das auch beim Brexit wie bis anhin tun. Einerseits weil die Austrittsverhandlungen nun einige Jahre dauern dürften, andererseits wegen weitgehend homogenisierter Normen in Europa, wie Jan Atteslander, Leiter Aussenwirtschaft bei Economiesuisse, erklärt. «EU-Mitglieder übernehmen EU-Recht in ihre nationalen Gesetze. Das bedeutet, dass technische Normen oder Gesundheitsvorschriften in Europa weitgehend harmonisiert sind – und es auch bei einem Austritt Grossbritanniens aus der EU bleiben».

Es ist aber offen, wie sich die britischen Gesetze nun nach dem Brexit entwickeln werden. Schweizer Exportfirmen müssen sich aber anpassen. Einen unmittelbaren Effekt kann der Brexit laut Atteslander auch haben, wenn Konsum und Investitionen aufgrund des Entscheids stark zurückgingen und das zu einer Rezession führe: «Das würde sich wohl negativ auf den Schweizer Tourismus und die Exportwirtschaft auswirken.»

Die Schweizer Politik
Nach wie vor hat die Schweiz mit der EU nicht ausgehandelt, wie sie die Masseneinwanderungsinitiative umsetzen soll, ohne gegen die bilateralen Verträge zu verstossen. SP-Nationalrat Tim Guldimann warnte: «Der Austritt Grossbritannien aus der EU ist wie wenn sich ein grosser Kanton aus dem Schweizer Wirtschaftsraum verabschieden würde.» Die ganze Bürokratie in Brüssel ist für die nächsten zwei Jahre nun extrem gefordert, eine neue Lösung mit London zu finden. Die Schweiz ist damit sicher nicht wichtig für die EU.

Die Frist zur Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative läuft bis Februar 2017. Weil die EU nun mit der Brexit-Frage beschäftigt sein dürfte, rückt eine einvernehmliche Lösung in weite Ferne. Ein Umsetzungsvorschlag müsste noch in der Herbstsession im Parlament behandelt werden, um die Frist einzuhalten. Dies ist laut Politikern nicht mehr möglich. CVP-Nationalrätin Kathy Riklin sagte in der «NZZ am Sonntag»: «In den nächsten zwei Jahren würde für die Schweiz nichts mehr gehen.» So viel Zeit gibt sich die EU, um den Brexit abzuwickeln.

Auswirkungen könnte der Brexit auch auf das EU-Forschungsprogramm «Horizon 2020» haben. Weil die Schweiz beschlossen hat, die Personenfreizügigkeit auf Kroatien nur auszudehnen, wenn eine Lösung zur Umsetzung der MEI mit der EU gefunden werde, steht die Teilnahme am Forschungsprogramm ab nächstem Jahr auf der Kippe. «Bei der Verknüpfung der Personenfreizügigkeit mit der Forschung bleiben wir hart», erklärte Kroatiens Botschafter, Aleksandar Heina. Der Präsident der ETH, Lino Guzzella, warnte in der «NZZ am Sonntag» vor grossem Schaden. Bereits jetzt habe sich die Zahl der Schweizer Forschungsabkommen mit der EU praktisch halbiert. «Das ist sehr problematisch für den Forschungsplatz Schweiz», sagt Guzzella.

«Zu hoffen, dass sich ein Brexit positiv auf unser Land auswirken wird, ist eine Illusion», sagt Guldimann, denn die EU wird sehr darauf bedacht sein, der Schweiz ja keine Zugeständnisse zu machen. Optimistisch dagegen ist SVP-Nationalrat Lukas Reimann: «Kurzfristig mag es durchaus zu Unsicherheiten kommen. Langfristig aber ist es eine Riesenchance für die Schweiz.»

Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten EDA hat eine Helpline für besorgte Bürger eingerichtet: Schweizer können sich unter der der Nummer 0800 247 365 Fragen stellen. Quelle. Xing[content_block id=29782 slug=ena-banner]

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Über Leonard Wüst

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