Zürich (ots) – Die vorberatende Kommission des Nationalrats will die Kosten der Altersvorsorge-Reform auf ein Mass reduzieren, das auch vor dem Volk Bestand haben kann. Zudem setzt sie mit der Stabilisierungsregel auf die langfristige Sicherung der AHV-Renten. Dennoch verpasst auch sie es, die Reform angesichts der gewaltigen demografischen Herausforderungen klar auf die Erhaltung des gegenwärtigen Rentenniveaus auszurichten. Das Risiko eines Totalabsturzes ist damit nicht kleiner geworden.
Nach den Beratungen in der zuständigen Kommission des Nationalrats würden in der Reform der Schweizerischen Altersvorsorge zwar wesentliche Verbesserungen erreicht. Der Renteneintritt soll zwischen 62 und 70 Jahren flexibilisiert, das Referenz-Rentenalter von Frau und Mann angeglichen und die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf ein gerade noch vertretbares Mass reduziert werden. Durch die Anbindung des Koordinationsabzugs an den Beschäftigungsgrad würde zudem die Situation der Teilzeitbeschäftigten in der Zweiten Säule deutlich verbessert. Insbesondere soll der unverdauliche und viel zu teure Ausbau in der AHV, wie vom Ständerat eingefügt, wieder rückgängig gemacht werden. Die dafür vorgesehenen zusätzlichen Lohnbeiträge wären schädlich für den Wissens- und Werkplatz Schweiz und gefährdeten die Arbeitsplatzsicherheit im Land.
Demgegenüber droht nun mit dem Abweichen der nationalrätlichen Kommission von den Beschlüssen des Ständerats im Bereich der Massnahmen zur Kompensation des Mindestumwandlungssatzes im BVG ein Rentenabbau. Die Wirtschaft trägt diesen Abbau nicht mit und warnt unmissverständlich vor einem Scheitern der Reform, wenn es dabei bleiben sollte. Mit den Vorschlägen der Wirtschaft zur Kompensation des Mindestumwandlungssatzes innerhalb der beruflichen Vorsorge würde das heutige Rentenniveau für das BVG hinreichend garantiert. Die Wirtschaft sieht diese Rentensicherheit als Bedingung an, um für die Reform die Zustimmung des Volkes zu gewinnen. Zudem lehnt die Wirtschaft den Kurswechsel der Kommission auf das dezentrale System zur Zusatzkompensation der Übergangsgeneration ab. Das System überzeugt bei genauerer Betrachtung nicht. Dessen Anwendung würde zwar bedeuten, dass BVG-Minimalkassen den Mindestumwandlungssatz endlich senken könnten. Im Gegenzug erhielten sie aber die teure zusätzliche Auflage aufgebürdet, innerhalb ihres Versichertenkollektivs eine weitere Umverteilung von jüngeren zu älteren Versicherten vorzunehmen. Eine solche Verpflichtung würde viele dieser Kassen und namentlich ihre dahinter stehenden Arbeitgeber aus KMU-Branchen finanziell überfordern. Neue Sanierungsfälle wären vorprogrammiert. Wer dieses System fordert, riskiert die Ablehnung der Senkung des Mindestumwandlungssatzes durch breite Kreise der KMU-Wirtschaft – wie bereits 2010 anlässlich der letzten Abstimmung zur beruflichen Vorsorge.
Leider hat die Kommission nicht nur weitere Leistungsverschlechterungen, sondern auch neue Ausbauvorhaben aufgenommen. Dieser Zickzackkurs lässt eine kohärente Ausrichtung auf das strategische Ziel der Bewältigung der demografischen Herausforderung unter gleichzeitiger Erhaltung des Leistungsniveaus für AHV und BVG vermissen. Das kommt auch in den Schlussabstimmungen der Kommission zum Ausdruck. So lehnt die Wirtschaft unter Hinweis auf die Bedeutung der Mehrheitsfähigkeit der Vorlage im Parlament – und vor allem beim Volk – Eingriffe in die Höhe der Witwenrenten, der Kinderrenten von AHV und BVG sowie die zusätzlichen Belastungen für Selbständigerwerbende ebenso ab wie die Einführung eines «Frauenaufwertungsfaktors» bei der Berechnung der AHV-Renten. Damit werden völlig sachfremde Fragen unnötigerweise mit der AHV vermischt, was die Reform zusätzlich gefährdet. Selbst wenn einzelne der Massnahmen für einen Leistungsabbau aus sachlichen Gründen teilweise diskutabel wären, gehören sie nicht in diese Reform. Auch sie widersprechen dem Ziel, das gegenwärtige Rentenniveau zu erhalten und sich auf die Bewältigung der strategischen Herausforderungen zu fokussieren.
Die Wirtschaft unterstützt weiterhin eine klar fokussierte und auf das Wesentliche entschlackte Reform der Altersvorsorge (siehe unten). Mit den Beschlüssen der vorberatenden Kommission des Nationalrats ist leider das Risiko des Totalabsturzes der Reform bereits im Parlament oder dann spätestens vor dem Volk nicht kleiner geworden. Die Wirtschaft erwartet deshalb vom Nationalrat, dass er im nächsten Schritt die vorgeschlagenen Verbesserungen (insbesondere die Reduktion der Zusatzfinanzierung und die Einführung der Stabilisierungsregel) unterstützt, darüber hinaus aber zwingend die nötigen Korrekturen im Sinne der Kompromissvorschläge der Wirtschaft vornimmt.
Die AHV schreibt bereits seit zwei Jahren rote Zahlen und die Finanzierungslücke wird sich ohne Massnahmen bis 2030 auf 7 Milliarden Franken pro Jahr erhöhen. Die berufliche Vorsorge leidet nebst der stark steigenden Zahl an Rentnerinnen und Rentnern – in den nächsten dreissig Jahren verdoppelt sich diese Zahl von heute 1,5 Millionen nahezu auf drei Millionen – zusätzlich unter der schwierigen Entwicklung der Finanzmärkte. Die Wirtschaft setzt sich deshalb für sichere Renten auf heutigem Niveau auch in Zukunft ein und fordert eine klar auf dieses Ziel fokussierte Reform.
Die wichtigsten Reformmassnahmen von Arbeitgeberverband, Gewerbeverband und economiesuisse sind:
Referenzalter 65/65 in vier Schritten
– Flexibilisierung Rentenbezug 62-70
– Erhöhung MwSt zugunsten AHV um max. 0,6% (rechtlich gekoppelt
mit mind. 65/65)
– Mindestumwandlungssatz 6,0% mit Kompensation
– Stabilisierungsregel AHV (schrittweise Anhebung Referenzalter um
max. 24 Monate + moderate MwSt-Anpassung um 0,4%) [content_block id=29782 slug=ena-banner]