Bereits in der Schwangerschaft erfährt Suhair, dass ihr Sohn mit einem angeborenen Nierenleiden auf die Welt kommen wird. Nur durch rasche und professionelle medi-zinische Hilfe können Spätschäden verhindert werden. Suhair entscheidet sich, ihren Sohn im Caritas Baby Hospital behandeln zu lassen. Eine Familien-Geschichte aus Bethlehem.
Als Suhair ein Kind war, hat sie oft im Caritas Baby Hospital übernachtet. Nicht, weil sie selbst krank war, sondern weil ihr kleiner Bruder Ala seine Schwester bei sich haben wollte. Der Junge mit Down-Syndrom war oft wochenlang hospitalisiert und Suhair blieb bei ihm, wenn sich die Mutter daheim um die anderen Geschwister kümmern musste. «Alleinsein war für Ala keine Option. Das teilte er unmissverständlich mit», erinnert sich Suhair schmunzelnd. Einmal, erzählt sie, bestand er lautstark darauf, dass sie bei ihm im Spital-bett übernachte. Jeder Widerspruch war zwecklos. Der kleine Junge krakelte so lange, bis seine Lieblingsschwester zum ihm ins Bett kroch. Ein anderes Mal habe er sie am Morgen so lange nicht aus dem Krankenzimmer gehen lassen, bis die Frühstückszeit vorbei war. «Mir knurrte der Magen. Da hat mir eine der Krankenschwestern ein Sandwich an sein Bett gebracht. Daran erinnere ich mich, als sei es gestern.» Tatsächlich aber sind seither min-destens 15 Jahre vergangen.
«Das gab mir Ruhe. Es fühlte sich vertraut an.»
Vieles hat sich in dieser Zeit verändert. Suhair ist zuhause ausgezogen. Sie hat geheiratet, ein Jahr später Matthew zur Welt gebracht. Als sie ihren zweiten Sohn erwartet, teilt ihr der Frauenarzt mit, dass etwas mit einer Niere des Kindes nicht stimme. Mit Blick auf die Ultra-schallbilder rät er der Hochschwangeren, den Jungen nach der Geburt umgehend genau untersuchen zu lassen. «Ich war sehr erschrocken und verunsichert. Aber im selben Mo-ment kam mir das Caritas Baby Hospital in den Sinn. Das gab mir Ruhe. Es fühlte sich ver-traut an.»
Wie oft war sie an der Hand ihrer Mutter durch die Pforte ins Spital getreten. Wie oft hat sie sich darüber geärgert, dass sie noch nicht über die Balustrade an der Anmeldung sehen kann. Und wie oft hatte sie sich dort von ihrem kleinen Bruder Ala herumkommandieren lassen… An all das erinnert sie sich, als sie wenige Tage nach Andrews Geburt mit dem Baby zur ersten Untersuchung ins Spital geht. Suhair ist in Sorge und doch voll Vertrauen. Seit ihrer Kindheit weiss sie, dass das «Caritas Baby Hospital die erste Adresse für ein krankes Kind ist. Es ist unser Familien-Spital», erläutert sie lachend. «Mir geben die Ärzte hier Sicherheit. Ich weiss, dass sie meinen Sohn gut betreuen und ich kann mich auf ihre Diagnosen ver-lassen.»
Andrew lässt sich nichts anmerken
Seit seiner Geburt wird der kleine Andrew nun regelmässig untersucht, die Nierenwerte kontrolliert, ein Ultraschall gemacht und alle Parameter verglichen. Zweimal musste Andrew im letzten Jahr wegen einer Infektion der Harnwege stationär aufgenommen wer-den. Suhair hat dann jeweils in der Mütterabteilung übernachtet, um möglichst nah bei ih-rem Sohn zu sein. Fast rund um die Uhr traf man die hochgewachsene Frau mit ihrem lan-gen, seidenen Haar, das sie meist offen trägt, an Andrews Bett an. Selbst im Spital legt sie Wert auf ihr Äusseres und ist auch darauf bedacht, dass der kleine Sohn adrett gekleidet ist. Sie hat ein Faible für das Schöne, ohne oberflächlich zu sein. Als sich Suhair die Mög-lichkeit bot, in Bethlehem den Beruf der Coiffeuse zu erlernen, hat sie kurzerhand die Schu-le geschmissen und die Ausbildung begonnen. «Diese Entscheidung habe ich nie bereut. Ich liebe diesen Beruf.»
Sobald die Kinder etwas grösser sind, möchte sie einen kleinen Salon eröffnen, aber das ist noch Zukunftsmusik. Derzeit dreht sich alles um die Kinder, besonders um Andrew, des-sen Nierenprobleme ihr Sorgen bereiten. Zwar ist er ein wunderbarer kleiner Patient, der sich selten beschwert. Höchstens ein kurzer Protest, wenn ihm eine Infusionsnadel gelegt oder das Pflaster ziepend gewechselt wird. Selbst wenn die Ärzte seinen Bauch abtasten oder ihn mit dem kalten Stethoskop abhören – Andrew lächelt die Menschen heiter aus seinem runden Gesicht an, als sei nichts.
Manchmal fragt sich Suhair, ob sie Andrew nicht zu viel Aufmerksamkeit zukommen lässt und Matthew, sein grösserer Bruder, dabei zu kurz kommt. «Ich weiss ja, wie sich das an-fühlt», erzählt sie. «Als Ala mit dem Down-Syndrom auf die Welt kam, änderte sich damals unser gesamtes Familienleben.» Ihre Mutter war oft mit ihm im Spital, dann mussten die grösseren Geschwister viele Aufgaben übernehmen. «Dabei war ich ja selbst noch nicht mal zehn Jahre alt.» Heute versteht sie aus eigener Erfahrung, welch grosse Herausforde-rung es ist, ein krankes Kind in der Familie zu haben. «Es ist schwierig, allen gleichermas-sen gerecht zu werden. Zum Glück kann ich auf meine Familie zählen und ich bin dankbar, dass mich meine Mutter so unterstützt.»
Krippen schnitzen in Bethlehem
weiterfuehrende-informationen-zum-caritas-baby-hospitalSuhair und ihre Mutter Nadia haben bis heute ein sehr enges, inniges Verhältnis. Wann immer es möglich ist, kommt Suhair mit den beiden Söhnen ins Haus ihrer Eltern. Es ist viel schlichter als die moderne Wohnung, in der die 30-Jährige jetzt mit ihrem Mann Johnny lebt – aber es ist voll mit Herzlichkeit und Leben. Bei Suhairs Eltern ist immer etwas los, die Geschwister geben sich die Klinke in die Hand. Es gibt Hühner, im Garten wächst Gemüse und in der Garage duftet es nach Holz, denn Suhairs Vater schnitzt Krippenfiguren, ein ty-pischer Beruf für christliche Familien in Bethlehem. Als Olivenholzschnitzer am Geburtsort Jesu zu leben klingt irgendwie idyllisch. «Doch davon eine Grossfamilie zu ernähren be-deutet Verzicht und Entbehrungen. Wir hatten wirklich sehr wenig Geld», erzählt Suhairs Mutter Nadia, während die beiden im Wohnzimmer sitzen und Tee trinken. «Sie glauben gar nicht, wie froh ich war, dass ich unsere sechs Kinder damals im Caritas Baby Hospital kostenlos behandeln lassen konnte. Besonders Ala musste oft für mehrere Wochen stationär aufgenommen werden, er hatte immer wieder gesundheitliche Probleme. Das hängt mit dem Down-Syndrom zusammen.» Aus eigener Tasche wäre das nicht mög-lich gewesen. Nach kurzem Zögern fügt die 55-Jährige hinzu: «Aber es gab neben dem finanziellen Aspekt noch etwas, das für mich in dieser Zeit ausgesprochen wichtig war: Die Menschen dort im Spital waren nett zu mir. Sie haben mich bestärkt, haben mir Mut ge-macht und nicht mit dem Finger auf mich gezeigt. Kein schlechtes Wort über unseren be-hinderten Sohn Ala.» Aus der erweiterten Familie hingegen habe sie regelmässig zu hören bekommen, der Junge sei eine «Schande», sie solle ihn besser verstecken und wegsper-ren.
Ein Herz und eine Seele
Während Suhairs Mutter von diesen schmerzhaften Erfahrungen berichtet, stemmt Ala sei-nen kleinen Neffen Andrew in die Höhe. Setzt ihn auf seinem Schoss ab. Stemmt ihn wie-der in die Höhe… Es ist eine rührende Szene, wie die beiden ganz selbstvergessen spielen als sei die Welt um sie herum stehen geblieben. Der Säugling greift nach der Brille seines Onkels, der schüttelt lachend den Kopf, schiebt die Brille wieder zurecht und beginnt von neuem, das glucksende Baby in die Luft zu heben. Die beiden sind ein Herz und eine See-le.
Dass der kleine Andrew heute so unbeschwert lebt, und er trotz der angeborenen Proble-me an der kranken Niere keine Spätschäden haben wird, ist der konsequenten und profes-sionellen Behandlung im Spital zu verdanken. «Wissen Sie», schiebt Suhair nach, «wann ich dann absolut sicher war, dass ich im Caritas Baby Hospital mit Andrew an der richtigen Adresse bin?» Sie erzählt von einer der ersten Kontrolluntersuchungen mit dem kleinen Andrew. Suhair war aufgeregt, wurde von ihrer Mutter begleitet. Drei Generationen – Großmutter, Mutter und Kind – sitzen im Wartezimmer. Da kommt zufällig Chefärztin Dr. Hiyam Marzouqa in den Raum, geht direkt auf sie zu und begrüsst die Familie herzlich. «Sie hat sich genau an meine Mutter erinnert, obwohl so viele Jahre vergangen waren. Dr. Marzouqa war damals eine ganz junge Ärztin, wahrscheinlich sogar noch in der Ausbil-dung.» Als die heutige Chefärztin Suhair daran erinnert, wie sehr sie damals von ihrem kleinen Bruder Ala herumkommandiert wurde, lachen alle. Dankbar. Dann ertönt der Laut-sprecher und Suhair wird mit Andrew ins Sprechzimmer gerufen.
Finanziert und betrieben wird das Caritas Baby Hospital im Westjordanland von der Kinderhilfe Bethlehem in Luzern. Das Behandlungskonzept bindet die Mütter eng in den Heilungsprozess ihrer Kinder mit ein und das Spital verfügt über einen gut ausgebauten Sozialdienst. 2015 wurden 39’965 Kinder und Babys stationär oder ambulant betreut. Alle Kinder erhalten Hilfe, unabhängig von Her-kunft und Religion. Im Fortbildungszentrum des Spitals werden Kurse für Mitarbeitende und Externe angeboten. Nur dank Spenden kann das Spital seine Aufgaben erfüllen und Kinderleben retten. In-formieren Sie sich über die aktuelle Situation in Bethlehem auf unserer Homepage www.kinderhilfe-bethlehem.ch
Spenden:
Kinderhilfe Bethlehem
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